Tauziehen um Notizbücher von Boris Johnson: Britische Regierung verweigert Übergabe
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Der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson.
© Quelle: IMAGO/USA TODAY Network
London. Es ist längst bekannt, dass es der in Ungnade gefallene britische Ex-Premier Boris Johnson mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Für die meisten Britinnen und Briten steht insbesondere nach der Partygate-Affäre um Feiern in der Downing Street während der Lockdowns im Jahr 2020 fest: Er ist ein Lügner. Und so verwundert es kaum jemanden, dass er zwar seine Memoiren über seine Amtszeit veröffentlichen will, seine offiziellen Covid-Tagebücher jedoch fest unter Verschluss bleiben sollen.
Es sind unter anderem 24 A4-Blöcke, die im Mittelpunkt eines einzigartigen Tauziehens zwischen der konservativen Regierung und einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss stehen. Johnson hatte die Notizbücher in den zwei Jahren ab dem 1. Januar 2020 gefüllt, nachdem die ersten Covid-Fälle im chinesischen Wuhan aufgetreten waren. Die Ermittelnden wollen durch eine Einsicht mehr über den Umgang der damaligen Tory-Regierung mit der Corona-Pandemie erfahren.
Die Notizbücher könnten auch Rishi Sunak in Bedrängnis bringen
Deshalb hätten die Notizbücher des ehemaligen Premierministers der Behörde übergeben werden sollen, genauso wie Kalender, Whatsapp-Nachrichten und E-Mails, so die Ermittelnden. Die konservative Regierung weigert sich allerdings vehement, dies zu tun. Schließlich könnte auch Premierminister Rishi Sunak Ärger drohen. Dieser hatte, damals noch in seiner Rolle als Finanzminister, vermutlich ebenfalls mit Johnson korrespondiert. Die Frist wurde auf den morgigen Donnerstag verschoben. Es droht ein Rechtsstreit.
Dass der Inhalt der Kalender Johnsons problematisch sein könnte, bestätigte sich, nachdem eine ermittelnde Regierungsbehörde vor einigen Tagen mehrere Hinweise auf bislang unbekannte Verstöße gegen die damals geltenden Corona-Regeln an die Polizei weitergeleitet hatte. Demnach sollen Freundinnen, Freunde und Angehörige den Ex-Premier zwischen Juni 2020 und Mai 2021 auf dem Landsitz Chequers besucht haben. Dieser hatte die Vorwürfe als „bizarr“ zurückgewiesen. Es handele sich um eine „weitere politisch motivierte Intrige“.
Boris Johnson räumt falsche Angaben zur Partygate-Affäre im Parlament ein
Der britische Ex-Premierminister Boris Johnson hat falsche Angaben zur Partygate-Affäre im Parlament eingeräumt, aber einen Vorsatz strikt zurückgewiesen.
© Quelle: dpa
Ihren Anfang nahm die Partygate-Affäre im Herbst 2021. Britische Medien veröffentlichten zahlreiche Berichte zu Feiern in der Downing Street und weiteren Regierungsbehörden während der Pandemie. Es gab einen Weinkühlschrank, Mitarbeitende forderten dazu auf, dass jeder seinen eigenen „booze“ (Alkohol) zu den Treffen mitbringen sollte. Johnson war bei den meisten dieser Feiern zwar nicht dabei, soll aber davon gewusst haben. Er erhielt überdies für seine Teilnahme an einer für ihn ausgerichteten Geburtstagsfeier im Juni 2020 eine Geldstrafe.
Eine Rückkehr Johnsons in die Downing Street – mittlerweile undenkbar
Die Enthüllungen sorgten für Aufruhr in der Öffentlichkeit. Schließlich hatten Britinnen und Briten große Opfer gebracht, indem sie sich beispielsweise aufgrund der strengen Regeln während der Lockdowns nicht von im Sterben liegenden Verwandten und Freunden verabschieden konnten. Johnson, der 2019 die Wahl mit überwältigender Mehrheit gewonnen hatte, rutschte in den Umfragen ab und zog die konservative Partei mit in den Abgrund. Im Juli 2021 wurde er schließlich gestürzt.
Der 58-Jährige verteidigte sich im März im Rahmen einer Anhörung im Parlament gegen den Vorwurf, dass er im Dezember 2021 bewusst gelogen hatte. Er behauptete, dass die Feiern und Treffen in der Downing Street im Jahr 2020 nicht gegen damals geltende Lockdownregeln verstießen. Viele Britinnen und Briten verfolgten die Anhörung damals auch mit der Hoffnung auf Gerechtigkeit.
Der Ausschuss will in den kommenden Tagen seine Entscheidung verkünden. Im schlimmsten Fall droht ihm eine Suspendierung, in dessen Folge er sein parlamentarisches Mandat verlieren könnte. Eine Rückkehr Johnsons in die Downing Street sei mittlerweile undenkbar, betonte der britische Journalist Trevor Kavanagh in der Tageszeitung „The Sun“: „Er ist erledigt.“