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Afghanistan-Einsatz: Großer Zapfenstreich und allerlei Selbstkritik

Großer Zapfenstreich vor dem Reichstagsgebäude.

Großer Zapfenstreich vor dem Reichstagsgebäude.

Berlin. Annegret Kramp-Karrenbauer stellte sich vor die Bundeswehr wie wohl noch nie während ihrer Amtszeit. „Heute ist Ihr Tag, ist der Tag, Dank und Respekt zu zeigen“, sagte die Bundesministerin der Verteidigung am Berliner Bendlerblock, dem Sitz ihres Hauses, an die anwesenden Soldatinnen und Soldaten. Kein Einsatz habe die Bundeswehr im Übrigen so geprägt wie dieser Einsatz in Afghanistan. „Hinter jeder Soldatin und jedem Soldaten stehen Familien und Freunde“, fuhr die CDU-Politikerin fort und betonte: „Sie dürfen stolz sein auf das, was Sie erreicht haben.“

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach ähnlich eindringlich – und machte kein Hehl daraus, dass aus ihm nicht nur das Staatsoberhaupt sprach, sondern auch der ehemalige Kanzleramtschef, Außenminister und SPD-Fraktionsvorsitzende, der die Afghanistan-Mission seit ihren Anfängen über zwei Jahrzehnte begleitet und an führender Stelle mit verantwortet hat. „Die Bundeswehr hat ihren Auftrag erfüllt“, sagte er. „Auf die Bundeswehr ist Verlass.“ Doch die Politik stehe „tief in Ihrer Schuld“ – in der Schuld der 93.000 Frauen und Männer, die seit 2001 ihren Dienst am Hindukusch verrichteten und von denen 59 ihr Leben ließen. „Der Fall von Kabul war eine Zäsur“, räumte Steinmeier ein. Und er sei „weit davon entfernt zu sagen, dass wir in all den Jahren alles richtig gemacht haben“.

Versäumtes nachgeholt

Es waren so oder so ungewohnt ehrliche und auch selbstkritische Worte, die die Truppe da zu hören bekam. Ein Soldat aus Bayern, der seinen Namen nicht nennen mochte, sagte später bei einem Empfang mit Bundestagsabgeordneten, die Rede Steinmeiers sei ihm näher gewesen, denn „die Bundeswehr hat nicht versagt“; sie habe lediglich den Auftrag der Politik abgearbeitet.

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Als der Afghanistan-Einsatz am 30. Juni mit der Rückkehr der bis dahin letzten Soldaten auf dem Fliegerhorst im niedersächsischen Wunstorf endete, da war von der Ministerin nichts zu sehen, von der Kanzlerin ganz zu schweigen. Kein Generalinspekteur war erschienen und auch kein Mitglied des Verteidigungsausschusses, obwohl die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Kritik war die Folge.

Als nach der erneuten Machtübernahme der Taliban ein Evakuierungseinsatz in der afghanischen Hauptstadt Kabul nötig wurde, flog Kramp-Karrenbauer den Soldatinnen und Soldaten bis zum Brückenkopf im usbekischen Taschkent entgegen und umarmte anschließend, wiederum in Wunstorf, den bewaffneten Kommandeur Jens Arlt. Bald darauf gab es einen zweiten Rückkehrappell, diesmal am Standort Seedorf und mit Angela Merkel. Arlt erhielt aus den Händen von Steinmeier in Schloss Bellevue zwischenzeitlich das Bundesverdienstkreuz. Eine erste Bilanz des Einsatzes wurde im Verteidigungsministerium bei einer Debatte mit Politikern, Militärs, Vertretern der Zivilgesellschaft und Wissenschaftlern ebenfalls bereits gezogen.

Am Mittwoch folgte das Finale. Am Verteidigungsministerium fanden sich Soldatinnen und Soldaten zum Abschlussappell ein. Neben Kramp-Karrenbauer, Steinmeier und Merkel waren Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Bundesratspräsident Reiner Haseloff (beide CDU) und der Präsident des Bundes­verfassungsgerichts, Stephan Harbarth, gekommen – sprich: alle Spitzen des Staates. Am Abend gab es vor dem Reichstagsgebäude einen Großen Zapfenstreich. Das ist das bedeutendste Zeremoniell, das die Bundeswehr kennt. In der Dämmerung zogen Soldaten mit Helmen, Fackeln und klingelndem Spiel auf. Abermals war die Staatsspitze versammelt. Die Kulisse war prächtig, aber manchen im Parlament nicht ganz geheuer.

Weiträumig abgesperrt

Zudem fanden beide Veranstaltungen faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – wenn man von der Medienöffentlichkeit absieht. Das Regierungsviertel war weiträumig abgesperrt. Parlamentskorrespondenten brauchten eine Sonderakkreditierung. Bürger konnten sich nicht einmal in Sichtweite nähern. Zu oft hatte es bei Veranstaltungen der Bundeswehr wie Gelöbnissen zuvor Proteste gegeben.

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Unterdessen versagte auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak den Streitkräften seine Anerkennung nicht. „Der Afghanistan-Einsatz war der härteste Militäreinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz haben ihr Leben riskiert, damit die Menschen in Afghanistan ein besseres Leben führen können und die Welt vor Terror geschützt wird.“ Deutschland jedenfalls sei „stolz auf die Männer und Frauen der Bundeswehr“, fügte Ziemiak hinzu. „Unsere Gebete sind insbesondere bei allen Gefallenen und ihren Familien.“

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