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Antisemitismus: Die Deutschen stumpfen langsam ab

Blumen und Kerzen vor der Synagoge in Halle.

Blumen und Kerzen vor der Synagoge in Halle.

Berlin. Als sich jetzt die Innenminister von Bund und Ländern zu ihrer Sondersitzung trafen, da war das Hauptthema klar: der Anschlag auf die Synagoge von Halle. Es ging um einheitliche Schutzstandards für jüdische Gemeinden. Diese Standards sind in Berlin, Hamburg oder München sehr hoch, während sie schon in kleineren Großstädten nicht mehr so hoch sind. Das muss sich dringend ändern – wie der 9. Oktober gezeigt hat.

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Und doch ist das Fehlen stabiler Türen, kugelsicherer Fenster und von Polizisten vor der Tür das kleinere Problem. Das größere Problem ist, dass die Deutschen abstumpfen gegen Hass und Gewalt, weil es davon hier wie im Rest der Welt zu viel gibt. Dies ist mit Blick auf den Antisemitismus angesichts der deutschen Geschichte besonders bitter.

Walser und Möllemann

Antisemitismus war in den letzten Jahrzehnten immer wieder ein zentrales öffentliches Thema. 1998, als der Schriftsteller Martin Walser gemünzt auf den Holocaust von der „Dauerpräsentation unserer Schande“ sprach. 2000, nachdem es einen Brandanschlag auf die Synagoge in Düsseldorf gegeben hatte und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder einen „Aufstand der Anständigen“ ausrief. 2002, als der stellvertretende FDP-Vorsitzende Jürgen Möllemann gegen die israelische Regierung zu Felde zog. Die Debatten erstreckten sich teilweise über Wochen. Das ist vorbei.

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Obwohl die physische Gefahr für Juden in Deutschland in Halle so groß war wie lange nicht, war das Thema nach wenigen Tagen wieder weg. Der „Aufstand der Anständigen“ bleibt aus. Das „Nie wieder“ wird leiser. Dies hat mit der Reizüberflutung der Onlinewelt zu tun, mit der wachsenden zeitlichen Entfernung zum Nationalsozialismus und mit der traurigen Tatsache, dass Antisemitismus längst wieder Alltag geworden ist in Deutschland. Keine Innenministerkonferenz wird dies ändern.

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