Außenminister Maas im RND-Salon: “Wir sind nicht allein”

Bundesaußenminister Heiko Maas zu Gast beim “Berliner Salon”.

Bundesaußenminister Heiko Maas zu Gast beim “Berliner Salon”.

Berlin. Den Montagnachmittag hat Heiko Maas, 53, noch in der ungarischen Hauptstadt Budapest verbracht, wo er des Falls der Berliner Mauer vor 30 Jahren gedachte. Am Abend nimmt der Bundesaußenminister auf der Bühne im China Club in Berlin-Mitte Platz. Der SPD-Politiker ist Gast der sechsten Ausgabe des “Berliner Salon” des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). Mit RND-Hauptstadtbüroleiter Gordon Repinski spricht der Saarländer über Deutschlands Rolle in der Welt, seine Wahl für den Parteivorsitz der SPD – und über seine Vorliebe für Instagram.

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Herr Maas, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, hat die Außenpolitik Deutschlands als “Totalausfall” bezeichnet. Hat Herr Röttgen etwas nicht verstanden, oder machen Sie etwas falsch?

Herr Röttgen gehört offensichtlich zu denjenigen, die mit Kanzlerin Angela Merkel noch eine offene Rechnung haben. Seine Kritik geht im Wesentlichen gegen Frau Merkel. Dafür ist in der CDU einigen anscheinend jedes Mittel recht. Natürlich ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses nicht irgendwer. Aber ich muss mit ihm nicht einer Meinung sein und bin es in diesem Punkt auch nicht.

Herr Röttgen spielte auf den Konflikt zwischen Ihnen und der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer an. Bei Ihrem Besuch in Ankara haben Sie die Initiative Ihrer Kabinettskollegin für eine Sicherheitszone in Nordsyrien für nicht realistisch erklärt. War es ein Fehler Ihrerseits, Frau Kramp-Karrenbauer öffentlich zu widersprechen?

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Ständig höre ich, wir müssen mehr miteinander streiten. Und jetzt soll es ein Fehler sein, jemandem öffentlich zu widersprechen? Es hat sich inzwischen ja herumgesprochen, dass es ein unabgestimmter Vorschlag gewesen ist. Vor allem mangelt es ihm an einer Chance zur Umsetzung. Er wirft einen falschen Fokus auf die Syrien-Frage. Letzte Woche kam erstmals der syrische Verfassungskonvent in Genf zusammen – mit Vertretern des Assad-Regimes, der Opposition und der syrischen Gesellschaft. Hier soll Schritt für Schritt unter UN-Vermittlung eine politische Lösung für Syrien erarbeitet werden. Wir wollen, dass der politische Prozess in Gang gesetzt wird.

Noch mal zurück zur Pressekonferenz in Ankara: Sie und der Außenminister der Türkei stimmten einander gegenseitig zu in ihrer Ablehnung des Schutzzonenvorstoßes – obwohl die Türkei kurz zuvor in Syrien einmarschiert war. Hätten Sie als Außenminister dieses Bild nicht verhindern müssen?

Ich habe die Frage eines Journalisten beantwortet. Ich will nicht wissen, was los wäre, wenn ich Fragen von Journalisten nicht beantworten würde. Ich habe den Namen der Kollegin nicht einmal erwähnt. In meinem Gespräch mit dem türkischen Außenminister ging es auch gar nicht um die Sicherheitszone. Ich habe dem türkischen Kollegen gesagt: Wenn du nicht willst, dass wir die Rüstungssanktionen weiter verschärfen und mögliche Wirtschaftssanktionen innerhalb der EU ergriffen werden, müsst ihr zwei Dinge deutlich machen: Ihr müsst klarmachen, dass ihr aus Syrien wieder rausgeht. Und Flüchtlinge dürfen nicht gegen ihren Willen zurückgeführt werden. Außenminister Cavucoglu hat beides zugesagt. Ob dies eingehalten wird, wird man sehen.

Hätte die Bundeskanzlerin im Dissens zwischen Ihnen und der Verteidigungsministerin die außenpolitische Richtung vorgeben müssen?

Dazu hätte sie ja selbst das alles vorher wissen müssen. Ich glaube, dass der Zeitpunkt dieses Vorschlages nicht abgestimmt gewesen ist – nicht nur innerhalb der Bundesregierung, sondern auch innerhalb der Union. Das macht natürlich keinen guten Eindruck – sowohl in Deutschland, aber auch außerhalb Deutschlands. So etwas beschädigt die Außenpolitik insgesamt.

Die erste Leserfrage an diesem Abend kommt von Ulrike und Jürgen Kollwitz:

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Von der türkischen Regierung müssen wir Deutsche uns Nazis nennen lassen, der US-Botschafter mischt sich offen in die Politik unseres Landes ein. Warum lässt Deutschland sich durch die USA und durch die Türkei außenpolitisch verzwergen?

Die Nazi-Vergleiche von Präsident Erdogan sind nicht unkommentiert geblieben. Ich bin selbst Opfer dieser Vorwürfe geworden. Wir sollten uns nicht auf das gleiche Niveau begeben. Auf Anwürfe unterhalb der Gürtellinie sollten wir mit Souveränität und Gelassenheit reagieren. Auch wenn es schwierig ist: Wir brauchen den Dialog mit der Türkei.

Und was ist mit den USA?

Die USA bleiben sicherheitspolitisch ein wichtiger Verbündeter. Wir sind nicht mit allem einverstanden, was im Weißen Haus entschieden wird. Aber wir haben ein Interesse an einer funktionierenden transatlantischen Partnerschaft. Wenn die Emotionen hochkochen, ist es Aufgabe von Diplomatie, sie wieder runterzukochen. Alles franst auseinander. Es gibt America first, Russia first, China first. Nichts davon löst eines unserer großen Probleme. Deshalb ist eine Grundlage der deutschen Außenpolitik, dass wir sehr souverän, sehr rational Probleme offen ansprechen. Dafür braucht man Diplomatie, weniger Twitter. Und Qualitätsjournalismus hilft dabei auch.

Am Donnerstag besucht US-Außenminister Mike Pompeo Deutschland. Die US-Regierung macht Druck wegen der deutschen Öffnung zum chinesischen Mobilfunkanbieter Huawei. Droht eine neue Belastung des Verhältnisses?

Nein, eigentlich nicht. Wir liegen gar nicht so weit auseinander. Wir werden jetzt das zweite IT-Sicherheitsgesetz auf den Weg bringen. Wir wollen ein technisches Zertifizierungsverfahren und eine Vertrauensprüfung darüber, ob ein Unternehmen seinem Heimatland schützenswerten Daten zur Verfügung stellen muss. Das ist bei Huawei der Fall. Das muss auf den Tisch.

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Die nächste Frage stellt der Leser Ernst-Adolf Homeyer:

Können Sie bei dem derzeitigen Durcheinander in der Welt noch ruhig schlafen?

Als Außenminister schläft man nicht so viel. Aber nicht weil man ständig am Grübeln ist, sondern weil man so viel unterwegs sind. Ja, Trump, Putin und Erdogan sind schwierige Gesprächspartner. Aber es ist auch eine extrem interessante Zeit. Wesentliche strategische Entscheidungen werden jetzt getroffen. Ich bin viel unterwegs und spreche mit vielen Partnern. Stimmt, die Lage ist schwierig. Aber die große Mehrheit will die internationale Zusammenarbeit stärken. Deswegen habe ich keine schlaflosen Nächte. Wir sind nicht allein.

Halbzeit beim RND-Salon, den Part zur Außenpolitik hat Maas geschafft. Im zweiten Teil des Gesprächs soll es um die SPD gehen, jener Partei, der Maas seit 30 Jahren angehört. Vergnügungssteuerpflichtig war das nicht immer, daran lässt er keinen Zweifel.

Die SPD sucht eine neue Parteispitze. Ist der Prozess aus Ihrer Sicht ein Gewinn, oder ist er eher ein weiterer Quell von Unruhe?

Ich versuche gerade, mich an eine Phase zu erinnern, in der es keine Unruhe in der SPD gegeben hat. Die SPD-immanente Unruhe ist ein Dauerbegleiter jedes Parteimitglieds. Manchmal ist diese Unruhe eine kreative und produktive, manchmal ist sie auch eine sehr destruktive. Die Art und Weise, wie die SPD in den vergangenen Jahren mit ihren Parteivorsitzenden umgegangen ist, hat es nach meiner Auffassung notwendig gemacht, die nächsten Parteivorsitzenden mit einer Legitimation auszustatten, die über das in der Vergangenheit übliche Maß hinausgeht. Diese Legitimation bietet ein Mitgliederentscheid.

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Wissen Sie schon, welches Paar Sie wählen?

Diese Entscheidung muss jedes Mitglied für sich selber treffen. Deshalb sollte man sich als Außenminister und Regierungsmitglied mit Wahlempfehlungen zurückhalten. Als einfaches SPD-Mitglied, das ich ja auch bin, können Sie mir diese Frage aber natürlich stellen. Und ehrlich gesagt, ist es mir zu blöd, da um den heißen Brei herumzureden. Ich werde Klara Geywitz und Olaf Scholz wählen.

Warum?

Ich werde Klara Geywitz wählen, weil ich fest davon überzeugt bin, dass bei einer Doppelspitze im Jahr 2019 ein Teil dieser Spitze aus Ostdeutschland kommen muss. Aus meiner Sicht laufen West- und Ostdeutschland in besorgniserregender Weise immer weiter auseinander. Damit kann man nicht zufrieden sein, und deshalb fände ich es gut, wenn eine der beiden Stimmen an der Spitze der SPD aus Ostdeutschland käme. Olaf Scholz wähle ich, weil ich ihn schon lange kenne, großes Vertrauen zu ihm habe und weil ich mich erinnere, wie er die am Boden liegende Hamburger SPD übernommen und in kurzer Zeit zu einer absoluten Mehrheit geführt hat.

Scholz steht wie niemand sonst in der SPD für die große Koalition. Kann er da glaubwürdig für Erneuerung stehen?

Zum Stichwort Erneuerung könnte man sagen, dass Olaf Scholz nicht der älteste Kandidat ist, der jetzt zur Wahl steht. Aber mir geht es um etwas anderes: Olaf Scholz hat in Hamburg eine ursozialdemokratische Politik gemacht, etwa im Wohnungsbau. Auch als Vizekanzler steht er für sozialdemokratische Politik. Und ausweislich aller Umfragen genießt er weit über die Parteigrenzen hinaus bei der Bevölkerung Vertrauen und Anerkennung. Wenn ich die Umfragen lese, wen sich die Deutschen am ehesten als nächsten Bundeskanzler vorstellen können, ist das Olaf Scholz, und nicht Annegret Kramp-Karrenbauer oder Robert Habeck. Das sind die Gründe dafür, warum das Duo Klara Geywitz und Olaf Scholz jetzt am ehesten das abbildet, was die SPD gerade braucht.

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Heiko Maas hat in der Frage um die künftige SPD-Spitze eindeutig Position bezogen. Klar und präzise fährt der Minister fort, als RND-Hauptstadtbüroleiter Gordon Repinski ihn auffordert, Sätze zu vervollständigen.

Die SPD ist für mich … meine Partei.

Wenn ich morgens das Außenministerium betrete, denke ich … wie lange wird der Tag heute wieder werden?

Das Land, das ich als Außenminister gerne bereisen würde, ist … Neuseeland.

Die Entscheidung der EU, keine Beitrittsgespräche für Nordmazedonien und Albanien zu beginnen, halte ich … für den größten Fehler, den die EU seit Langem gemacht hat.

Wenn es eine Maas-Doktrin in der Außenpolitik gibt, dann ist das … man muss immer da hingehen, wo die Gesprächspartner am schwierigsten sind.

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Mein Vorbild als Außenminister ist … Willy Brandt.

Joschka Fischer war in meinen Augen… ein sehr guter Außenminister Deutschlands.

Mein bisher größtes Versäumnis als Außenminister ist … die mit Frankreich gestartete Allianz für Multilateralismus nicht schon viel früher begonnen zu haben.

Mein kompliziertester Termin auf internationalem Parkett war bisher… ein Treffen mit dem Präsidenten von Äquatorialguinea.

Ein schnelles Ende der GroKo halte ich für… einen Fehler.

Der SPD-Parteitag in Berlin im Dezember wird … stattfinden.

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In drei Jahren werde ich … hoffentlich ein glücklicher Mensch sein und vieles von dem, was ich mir vorgenommen habe, umgesetzt haben.

Nach meiner politischen Karriere werde ich … etwas machen, was ich Ihnen hier jetzt nicht erzählen werde.

Heiko Maas ist wie kaum ein anderes Mitglied der Bundesregierung aktiv in sozialen Medien. Auf Twitter und Facebook verbreitet er seine politischen Kernbotschaften, auf dem Fotoportal Instagram zeigt Maas sich gern in lässiger Pose – etwa mit Sonnenbrille auf dem Rollfeld oder auf dem Boden eines Büros im UN-Hauptquartier sitzend, um sich herum lose Blattsammlungen. Es sind Aufnahmen, die beinah ikonischen Charakter haben.

Warum ist Ihnen die Präsenz in den sozialen Netzwerken so wichtig?

Mit den sozialen Netzwerken ist das so eine Sache. Sie bergen große Chancen, etwa wenn sich Demokratiebewegungen darüber organisieren. Aber sie sind auch ein Forum für Hass und Hetze. Viele, die ein Interesse an lebhafter Diskussion haben, ziehen sich aus ihnen zurück. Aber ich bin nicht bereit, dieses Medium gänzlich den Populisten und Nationalisten zu überlassen, die dort extrem professionell unterwegs sind.

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Vor Ihrer Zeit als Außenminister waren Sie Bundesjustizminister. Mit Außenpolitik haben Sie sich da nicht groß befasst …

… da muss ich widersprechen. Nationale Gesetzgebung ist in großem Umfang die Umsetzung europäischer Richtlinien. Als Justizminister sitzt man da immerzu mit den Kollegen aus ganz Europa zusammen. Kein deutscher Fachminister kann sich aus außenpolitischen Fragen heraushalten.

Die Eingewöhnung in das neue Amt fiel Ihnen also leichter als man denkt?

Es ist eine völlig andere Arbeit. In meiner Zeit als Justizminister haben wir 95 Gesetze gemacht. Da geht man aus dem Bundestag und hat etwas Handfestes. In der Außenpolitik machen wir keine Gesetze. Wir verhandeln mit Partnern und internationalen Organisationen, man moderiert und pflegt Beziehungen. Das ist schon eine Umstellung.

Welches Amt hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?

Ich war auch mal Wirtschafts- und Umweltminister im Saarland. Man kann das sehr schwer miteinander vergleichen. Aber Außenminister zu sein, ist vielleicht die interessanteste Aufgabe, die ich bisher ausüben durfte.

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Fällt es Ihnen schwer, an Ihre Zeit im Saarland zurückzudenken, weil Sie es dreimal nicht geschafft haben, an die Spitze der Regierung zu rücken?

Zum politischen Leben gehört beides: Wahlerfolge zu erzielen, aber auch mit Wahlniederlagen umzugehen. Letzteres ist das weitaus Schwierigere. Der Machtverlust hat mich gelehrt, dass das, was ich tue, endlich ist. Dass die Knickse, die vor mir gemacht werden, nicht mir gelten, sondern dem Amt. Das erdet.

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