Das diplomatische Chaos liegt in Merkels Verantwortung
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Bundesaußenminister Heiko Maas (l.) mit Kanzlerin Angela Merkel am Kabinettstisch
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Man muss vorsichtig sein mit Superlativen, besonders mit negativen, ganz besonders mit negativen in der deutschen Außenpolitik. Es gab einige Tiefpunkte in den letzten Jahrzehnten, die Libyen-Krise unter dem damaligen Außenminister Guido Westerwelle oder die Syrien-Politik der vergangenen sieben Jahre. Aber ein so konfuses Bild wie an diesem Wochenende hat Deutschland lange nicht abgegeben.
Die Reise von Außenminister Heiko Maas in die Türkei war ein Fehler. Maas hat sich mit demonstrativem Schulterschluss auf die Seite der Türkei gestellt und bei der Frage der Sicherheitszone in Nordsyrien nicht nur Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer düpiert, sondern die gesamte deutsche Außenpolitik.
Der türkische Außenminister stand innerlich feixend neben ihm.
Der türkische Außenminister stand innerlich feixend neben ihm. Vergessen war, dass die Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien der Ausgangspunkt der Krise war. Erdogan kann sich nun bestätigt fühlen in seinem aggressiven Handeln. Der Westen zerlegt sich, die deutsche Koalition ebenfalls. Was für ein Schaden.
Maas wollte auf dieser Reise Deutungshoheit über die Außenpolitik wiedergewinnen, die er durch den unreifen, aber schneidig vorgebrachten Vorschlag Kramp-Karrenbauers verloren hatte. Am Ende sind beide Verlierer. Aber es reicht nicht, die Verantwortung für diesen Tiefpunkt den beiden Ministern anzurechnen.
Merkel muss sich entscheiden
Das diplomatische Chaos ist am Ende die Verantwortung der Kanzlerin. In der Fraktionssitzung am Dienstag hat Merkel die Initiative Kramp-Karrenbauers mit „ist einen Versuch wert“ kommentiert, hieß es. Obwohl Merkel selbst von der Aktion überrascht war, blieb sie loyal gegenüber der Verteidigungsministerin. Das ist ihr anzurechnen.
Nur: Das hilft der Außenpolitik nicht. Merkels Satz ist ein Satz der Tolerierung, des Laissez faire. Das kann bei einem außenpolitischen Paradigmenwechsel aber nicht die Haltung einer Bundeskanzlerin sein. Sie hat die Richtlinienkompetenz der Regierung und die Verantwortung, die neue Linie entweder zu ihrer eigenen zu machen – oder Kramp-Karrenbauer schonend beizubringen, dass sie ihre Idee wieder begraben muss.
Im ersten Fall heißt das: Die Koalition wird auf Linie gebracht und diese Linie vertritt dann auch der Außenminister in Ankara. Oder er fährt nicht. Andernfalls bringt Maas seinen Job oder die Koalition in Gefahr. So klar müssen die Dinge liegen.
Entweder sie übernimmt die ihre Richtlinienverantwortung – oder sie zieht sich aus dem Kanzleramt zurück.
Merkels Weg des Laissez faire folgt einem Schema. Sie brilliert in Analyse und im Politmanagement, ist aber außenpolitisch zu passiv. Sie akzeptiert in diesem Fall, dass nun ihre Nachfolgerin an der Parteispitze Profilierungschancen sucht. Merkel gibt damit ein Stück des Kerns der Aufgaben einer Kanzlerin ab, noch bevor sie das Kanzleramt verlassen hat. Sie sollte sich entscheiden: Entweder sie übernimmt ihre Richtlinienverantwortung – oder sie zieht sich aus dem Kanzleramt zurück.