Drei Gründe, warum 2022 für Biden noch schwieriger wird
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Der „Brückenbauer“ Joe Biden könnte bald alleine im Regen stehen.
© Quelle: imago images/UPI Photo
Liebe Leserinnen und Leser,
die Vereinigten Staaten von Amerika bleiben tief gespalten. Das Jahr 2021 – auch beschleunigt durch die Pandemie – hat gezeigt, wie fragil das gesellschaftliche Zusammenleben in den USA sein kann.
Der Sturm auf das Kapitol von radikalen Trump-Fans am Jahresanfang hat seinen Schrecken offenbar schon wieder verloren. Die Sprache bleibt radikal. Demokraten und Republikaner sind zerstritten wie selten zuvor. Die Nachwehen des Falls George Floyd, der 2020 qualvoll bei einer Festnahme erstickte, waren auch in diesem Jahr deutlich spürbar.
Der im Juni 2021 verurteilte Polizist Derek Chauvin kniete minutenlang auf Brust und Nacken des Afroamerikaners. Das Urteil galt unter Bürgerrechtlern als „historisch“. Eine Polizeireform ist dennoch nicht in Sicht. Der „Washington Post“ zufolge starben seit 2015 mehr als 5000 Menschen im von Chauvin angewendeten Polizeigriff. Auch 2021 gab es wieder Opfer durch übertriebene Gewalt der Beamten zu beklagen.
Dazu kommt: Die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wächst, ein demokratischer Neinsager sabotiert die ambitionierten Pläne von US-Präsident Joe Biden, und Falschinformationen bremsen nicht nur die Impfkampagne, sondern auch den politischen Diskurs aus.
Folgende drei Punkte zeigen, dass die Lage auch im neuen Jahr kompliziert bleiben wird.
1. Die Reichen werden reicher und unbeliebter
Der „American Dream“ ist eine Fabel aus vergangenen Zeiten. Durch die Pandemie schlitterten viele US-Bürgerinnen und Bürger unter die Armutsgrenze. Zwar stiegen die Löhne landesweit, doch die Inflation frisst jedes Plus auf. Die Inflationsrate betrug im November 6,8 Prozent. Ein Wert, der zuletzt in den 1980er-Jahren erreicht wurde.
Während die Armen ärmer werden, werden die Reichen reicher – und unbeliebter. Eine Umfrage des Rechercheportals „Vox“ zeigt, dass die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung sehr negativ auf jene blickt, die viel haben. US-Milliardäre sind um ganze 70 Prozent reicher geworden. Trotz Pandemie – manche auch wegen der Pandemie.
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Hat gut lachen: Der Tesla-Chef und Weltraumunternehmer Elon Musk ist vom amerikanischen „Time Magazine“ zur Person des Jahres gekürt worden.
© Quelle: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dp
Daten der Federal Reserve zufolge kontrolliert das reichste Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner – wie Tesla-Chef Elon Musk und Amazon-Gründer Jeff Bezos – ein Drittel des gesamten Haushaltsvermögens in den USA, während es in den 1990er-Jahren nur etwa ein Viertel war.
So verwundert es nicht, dass in Zeiten großer Unsicherheit viele US-Amerikanerinnen und Amerikaner auf das schnelle Geld hoffen. 2021 erlebten Kryptowährungen einen wahren Boom, der anhalten dürfte.
Mehr als einer von zehn Amerikanerinnern und Amerikanern hat einer Umfrage der Sozialforschungsorganisation NORC zufolge in Kryptowährungen investiert. Die Mehrheit der Investoren ist jünger als 40 Jahre und hat keinen Collegeabschluss. Ihr Mut wurde häufig belohnt. Wer zu Jahresbeginn in Bitcoin investierte, durfte sich bis Mitte Dezember über einen Kurszuwachs von 68 Prozent freuen. Der Dogecoin, der nicht annähernd so viel wert ist, stieg um fast 3700 Prozent.
Kryptowährungen sind notorisch volatil und reagieren auf alles: von Gerüchten über staatliche Regulierung bis hin zu einem Tweet von Elon Musk. Der Weg von der Reichtumsgeschichte bis hin zum großen persönlichen Finanzcrash ist daher ein kurzer.
2. Bidens Neinsager
Während angehobene Mindestlöhne, Kindergeld und allgemeine Krankenversicherungen in anderen entwickelten Ländern Standard sind, fallen diese Dinge in den USA unter die Kategorie „wait and see“. Und die Wartezeit hat einen Namen: Joe Manchin.
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Der demokratische Senator Joe Manchin spricht mit Reportern während einer Pressekonferenz auf dem Capitol Hill.
© Quelle: Alex Brandon/AP/dpa
Ausgerechnet ein US-Senator aus Bidens demokratischem Lager ließ den „Build Back Better“-Plan des Präsidenten scheitern – eines der wichtigsten Wahlversprechen Bidens. Das Gesetzespaket sollte den sozialen Sektor, das Gesundheits- und Bildungssystem sowie den Klimaschutz mit zuletzt noch 1,75 Billionen Dollar ausbauen. Ursprünglich sollte doppelt so viel investiert werden.
Manchin erteilte dem Vorhaben selbst in abgespeckter Form eine Absage.
Doch warum kann ein Mann über das Leben von Millionen Bürgerinnen und Bürgern entscheiden und den Präsidenten derart untergraben?
Die Ergebnisse der vergangenen Wahlen haben zu einer besonderen Konstellation geführt. Im US-Senat sitzen aktuell je 50 Republikaner und 50 Demokraten. Mit der zusätzlichen Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris haben die Demokraten also eine hauchdünne Mehrheit. Einzelnen Politikerinnen und Politikern kommt somit eine enorme Rolle zu, wenn sie von ihrer Parteilinie abweichen.
Manchin hat nach eigenen Aussagen Zweifel an der Finanzierbarkeit des Pakets. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der 74-Jährige Jachtbesitzer auf den Spendenlisten von Pharmakonzernen steht. Der US-Senator, dessen Bundesstaat der zweitwichtigste Kohlestandort im Land ist, hält US-Medien zufolge zudem Anteile an einer Kohlehandelgesellschaft.
3. Alternative Fakten haben Hochkonjunktur
2021 wurde deutlich, dass die USA mit der Abwahl Trumps keineswegs den Trumpismus überwunden haben. Im Gegenteil. Alternative und rechte Medien sind gefragt wie nie. Das Misstrauen in die Biden-Regierung ist groß und die Zustimmungswerte der aktuellen Administration sind schlecht. Die USA befinden sich in einem Teufelskreis aus Desinformation, der wiederum Stillstand bewirkt. Politiker verbreiten – trotz besseren Wissens – frei erfundene Erzählungen der „gestohlenen Wahl“ (auch bekannt als „Big Lie“), weil es ihre Wählerschaft stimuliert und Punkte in Umfragen bringt.
Diese Narrative werden oft von reichweitenstarken Influencern wie Dan Bongino aufgenommen. Der ehemalige Secret-Service-Mitarbeiter wettert gegen die Corona-Vakzine, den „Kommunisten“ Biden und spricht bei Schutzmasken von „Gesichtswindeln“. Was nach dem amerikanischen Äquivalent zu Michael Wendler klingt, ist ein echtes Problem. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht das.
Bongino hat einen Podcast, der immer wieder auf Platz 1 der iTunes-Charts landet. Er darf Samstagabend in einer „Nachrichtensendung“ bei Fox News auftreten. Alleine mit seiner Radioshow erreicht er acht Millionen US-Bürgerinnen und Bürger wöchentlich und seine Facebookseite sorgte in den vergangenen Monaten dem US-Magazin „New Yorker“ zufolge für mehr Engagement als die der „Times“, der „Washington Post“ und des „Wall Street Journals“ zusammen. Dass ihn das nur zur Nummer 4 unter rechten Talk-Radio-Hosts macht, sagt vieles über den Zustand der USA aus.
Joe Biden steht angesichts dessen vor einer schier unlösbaren Aufgabe, obwohl er wichtige Vorhaben, wie das Infrastrukturpaket, durchboxen konnte. Denn die beschriebenen Probleme sind nur die Spitze des Eisbergs. Außenpolitisch muss sich der 79-Jährige gegen aufstrebende autokratische Regime wie China und Russland behaupten.
Doch so lange alternative Fakten in den USA lukrativer als Wahrheiten sind, steht der „Brückenbauer“ ziemlich alleine da.
Popping up: Omikron erreicht New York
Und dann ist da nach wie vor das Coronavirus. Unser Korrespondent Karl Doemens berichtet, wie die neue Omikron-Variante das Leben in der Welthauptstadt New York bestimmt. Aus Personalnot müssen Theater geschlossen, Flüge abgesagt und der Busverkehr ausgedünnt werden. Selbst vor dem Weißen Haus macht das Virus nicht halt.
Deep Dive: Historisches Jahr für die Raumfahrt?
Das Jahr 2021 könnte als Wendepunkt in die Geschichte der Raumfahrt eingehen, als ein Moment, in dem normale Bürgerinnen und Bürger die Erde regelmäßig verlassen. Mehrere Besatzungen hoben mit verschiedenen Raumfahrzeugen ab, und für einen kurzen Moment im Dezember befanden sich 19 Menschen gleichzeitig in der Schwerelosigkeit des Weltraums. Davon waren acht keine Astronauten. Warum das Jahr 2022 noch größer für die Raumfahrt werden könnte, erklärt Christian Davenport von der „Washington Post“.
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Start einer SpaceX-Falcon-9-Rakete in Cape Canaveral, Florida.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Facts and Figures: Spider-Man lässt die Kinokassen klingeln
Ein Superheld in „Spanx“ lässt die Kinokassen wieder klingeln: Die Comicverfilmung „Spider-Man: No Way Home“ hat als erster Film seit Beginn der Corona-Pandemie weltweit mehr als eine Milliarde US-Dollar (884 Millionen Euro) in den Kinos eingespielt. Das Abenteuer ist damit der einzige Film seit „Star Wars: The Rise of Skywalker“ aus dem Jahr 2019, der international diese Marke überschritten hat, wie das Branchenmagazin „Variety“ berichtete.
Der Marvel-Film knackte die Milliardenmarke laut „Variety“ in zwölf Tagen, was demnach nur zwei Superheldenfilme aus Nichtcoronazeiten schafften: Die beiden „Avengers“- Teile „Infinity War“ (2018) und „Endgame“ (2019) erreichten dieses Ergebnis nach elf beziehungsweise fünf Tagen.
Happy New Year! Wir lesen uns im neuen Jahr wieder,
Ihr Alexander Krenn
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