Ex-DDR-Ministerpräsident Modrow war 55 Jahre lang im Visier westlicher Dienste

Hans Modrow (91), früherer SED-Bezirkschef in Dresden, von November 1989 bis März 1990 Ministerpräsident der DDR, heute Vorsitzender des Ältestenrats der Partei Die Linke.

Hans Modrow (91), früherer SED-Bezirkschef in Dresden, von November 1989 bis März 1990 Ministerpräsident der DDR, heute Vorsitzender des Ältestenrats der Partei Die Linke.

Berlin. Der einstige DDR-Ministerpräsident Hans Modrow ist nach eigenen Angaben von 1958 bis 1990 vom Bundesnachrichtendienst (BND) und von 1965 bis 2013 vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet worden. Das berichtete der 93-Jährige unter Berufung auf ihm vorliegende BND-Dokumente in einem Interview mit der „Berliner Zeitung”. Die Akteneinsicht hatte er 2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgesetzt.

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„Der BND war vom Juli 1958 bis April 1990 an mir dran”, sagte Modrow. Der Verfassungsschutz wiederum habe von 1965 bis zum März 2013 „Informationen im Zusammenhang mit linksextremistischen Bestrebungen” über ihn gesammelt. „Das Ungeheuerliche dabei ist, dass man mich selbst noch als sogenannten frei gewählten Abgeordneten bespitzelt hat.”

Überrascht hätten ihn die vom BND gesammelten Informationen zu Vorgängen innerhalb der SED. Offenbar habe dieser bis hinein ins Politbüro Quellen gehabt.

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Quellen im Politbüro?

Modrow gehörte 31 Jahre lang der DDR-Volkskammer an und war bis zur Wiedervereinigung zudem 22 Jahre lang Mitglied des Zentralkomitees, dem höchsten Gremium der SED. Im November 1989 wurde er Regierungschef der DDR und stellvertretender Parteivorsitzender. Nach der Wiedervereinigung saß Modrow für die PDS im Bundestag und im Europaparlament. 1995 wurde er für seine Beteiligung an Wahlfälschungen in der DDR zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Auch der langjährige Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, verlangt Akteneinsicht – in Teilen mit Erfolg. Mitte Juni hatte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) gesagt, das Ministerium für Staatssicherheit der DDR habe „ja ein Gegenüber” gehabt, „also den Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz”.

Gysi betonte: „Ich setze das nicht gleich. Die Bundesrepublik war ein demokratischer Staat, die DDR nicht. Trotzdem ist es auch hier an der Zeit, die Akten zu öffnen. Deshalb habe ich kürzlich an beide Präsidenten geschrieben und darum gebeten, zumindest die Akten einsehen zu dürfen, die älter als 30 Jahre sind.”

Auch Gysi bekommt Einsicht

Am Freitag sagte der 73-Jährige dem RND: „Der BND hat mir erste Unterlagen gesandt und prüft weiter. Der Verfassungsschutz teilte mir mit, dass sie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Bodo Ramelow alle Akten zu mir vernichtet hätten. Überprüfen können wir es beide nicht.”

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Ramelow hatte gegen seine Überwachung als Bundestagsabgeordneter geklagt und gewonnen. 2013 erklärte das Bundesverfassungsgericht, die Überwachung des Linken-Politikers und von Mitgliedern seiner Fraktion sei grundgesetzwidrig.

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Der Vorsitzende der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), Dieter Dombrowski, der zu DDR-Zeiten in Haft saß, sagte dem RND unterdessen: „Geheimdienste haben in der Bundesrepublik die Aufgabe, Nachrichten zu sammeln. Das MfS hat hingegen sogar Leute ermorden lassen. Und ich selbst bin noch in West-Berlin zwölf Jahre lang von 15 inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi überwacht worden.” Er sehe deshalb in der Beobachtung Modrows „keinen Grund zur Aufregung”.

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