Heiko Maas: Krisendiplomat in eigener Sache
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Außenminister Heiko Maas (SPD) in Libyen.
© Quelle: imago images/photothek
Kairo. Heiko Maas hat den Dienstagvormittag bei Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi verbracht. Bei einem Herrscher, dessen Militärregime Kritiker zu Tausenden wegsperrt. „Ein wichtiger Partner“ sei Ägypten, sagt Maas, als er von seinem Gespräch mit al-Sisi berichtet. „Die Stabilität dieses Landes ist ganz entscheidend für die Stabilität in der Region.“ Zur Stabilität trage aber auch die Wahrung von Bürgerrechten bei, schiebt der frühere Justizminister hinterher. Die politische Gratwanderung wird zur Kerndisziplin des Triathleten Maas.
Türkei, Libyen, Tunesien, Ägypten: Binnen vier Tagen legt Maas 12.400 Flugkilometer zurück. In Ankara mahnt der SPD-Politiker die Türkei zur Zurückhaltung in Syrien; in Nordafrika lotet er die Chancen für eine deutsche Mittlerrolle im libyschen Bürgerkrieg aus. Maas eilt von einem Großkonflikt zum nächsten. Der Außenminister ist aber auch Krisendiplomat in eigener Sache. Maas fliegt an gegen seinen Ruf als passiver Außenminister.
Zweifel an seiner Eignung begleiten Maas seit seinem ersten Tag im Auswärtigen Amt. Der „Spiegel“ überschrieb im Sommer ein Porträt über Maas mit dem Titel „Mann ohne Leidenschaften“. Von einem „politischen Leichtgewicht“ war die Rede. Der Text traf einen Nerv: bei Opposition und Beobachtern, aber auch im Auswärtigen Amt und in Maas' Partei, der SPD.
Maas unter Druck
Seitdem steht der 53-Jährige unter großem Bewährungsdruck. Der Druck wuchs, als Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Idee von einem UN-geführten Syrien-Einsatz vorbrachte. Der Vorstoß der CDU-Chefin mochte naiv sein. Aber Kramp-Karrenbauer nahm damit Maas aus dem Spiel – aus seinem Spiel, der Außenpolitik. Hektik brach im Außenministerium aus, Maas musste sich seine außenpolitische Autorität zurück erkämpfen. Als Schauplatz wählte er ausgerechnet Ankara.
„Überall wird uns gesagt, das sei kein realistischer Vorschlag“, sagt Maas im türkischen Außenministerium. Er erwähnt Kramp-Karrenbauer kein einziges Mal, und doch ist der Revanche-Charakter dieses hastig anberaumten Kurzbesuchs unverkennbar. Zu seiner Linken lächelt der türkische Außenminister still in sich hinein.
Es sollte ein Befreiungsschlag sein, eine Machtdemonstration auf weltpolitischer Bühne. Das Echo aber ist verheerend.
„Das ist ein peinlicher Moment deutscher Außenpolitik“, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wirft Maas vor, ein Tabu gebrochen zu haben: „Es ist in der Tat seit Jahrzehnten für jeden Politiker klar, dass man vom Ausland aus weder Politiker der Opposition noch der eigenen Regierung kritisiert.“ Der Grünen-Politiker Cem Özdemir twittert: „Nie war der Bedeutungsverlust deutscher Außenpolitik deutlicher.“
Maas steht nun im Verdacht, zu Profilierungszwecken den Schulterschluss mit türkischen Rechtsstaatsverächtern gesucht zu haben – die Katastrophe des Syrien-Krieges als Kulisse. Ein Chefdiplomat, der das Ansehen seines Staates beschädigt: Einem herberen Vorwurf kann ein Außenminister kaum ausgesetzt sein. Maas' Zweifler sehen sich bestätigt.
Die Macht der Bilder
Erfolg und Misserfolg eines Außenministers sind schwer messbar. Die Lösung internationaler Konflikte lässt sich nur selten einzelnen Politikern zuschreiben. Dafür sind sie zu komplex – zumal jetzt, da sich die in Jahrzehnten errichtete internationale Ordnung in Auflösung befindet.
Oft sind es Worte, die haften bleiben. Etwa Joschka Fischers „I’m not convinced“, das er am Vorabend des Irak-Krieges den Amerikanern entgegenrief. Vor allem aber sind es Bilder, die eine Amtszeit prägen – wie jenes von Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft.
Heiko Maas weiß um die Macht der Bilder. Wie kein anderer seiner Vorgänger ist er darum bemüht, sich ihre Erzählkraft zunutze zu machen. Sein sorgsam kuratierter Instagram-Kanal gibt präzise Auskunft darüber, wie der Minister gesehen werden möchte: meist locker und lässig, mitunter entschlossen, stets perfekt ausgeleuchtet. Es sind Fotos wie von einem Filmset. In der Hauptrolle: Heiko Maas.
In Nordafrika ist der Saarländer auf großer Mission. Maas will ausländische Mächte, die die verfeindeten Parteien in Libyen völkerrechtswidrig mit Waffen und Geld beliefern, zur Einigung bewegen: Während Italien, Großbritannien und die USA die offiziell anerkannte Regierung in Tripolis unterstützen, halten Frankreich, Russland und Ägypten zum rivalisierenden General Chalifa Haftar.
Spektakuläre Bilder bringt der Nordafrika-Besuch allemal. Die Abendnachrichten zeigen Maas, wie er verzweifelte Flüchtlinge in einem libyschen Elendslager trifft. Wie er von einem Sicherheitsmann in Sicherheit gebracht wird, als ein feindliches Flugzeug am Himmel aufgetaucht sein soll. Die Botschaft ist klar: Soll sich doch das politische Berlin im großkoalitionären Kleinklein beharken, Maas nimmt sich der wirklich wichtigen Fragen an.
Frieden für Libyen?
Endlich scheint ein Projekt gefunden, das sein Bild in der Öffentlichkeit wenden, das die Amtszeit von Heiko Maas prägen könnte. In Tunesien und Ägypten ersucht Maas Unterstützung für seinen Libyen-Plan. Er nennt ihn den „Berliner Prozess“. „Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass es hier endlich Frieden gibt“, sagt Maas im libyschen Küstenort Suara. Dutzende schwer bewaffnete Männer stehen da im Raum; sie tragen Uniformen in allerlei Farben. Im zerfallenen Libyen die Staatlichkeit wiederherzustellen ist eine Herkulesaufgabe. Wer sich ihrer annimmt, muss mutig sein. Oder verzweifelt.
Doch die Wucht der Bilder aus Nordafrika steht in scharfem Kontrast zur überschaubaren Bilanz dieser Reise. Mehr als Absichtsbekundungen gibt es nicht. Das Gefälle zwischen Inhalt und Inszenierung ist groß. Aus diesem Gefälle speist sich Enttäuschung über Maas.