Jörg Meuthen wirft hin: Zum dritten Mal scheitert ein AfD-Chef an seiner Partei

Jörg Meuthen verlässt die AfD, deren Parteivorsitzender er sechs Jahre lang war.

Jörg Meuthen verlässt die AfD, deren Parteivorsitzender er sechs Jahre lang war.

Berlin. Der Zeitpunkt des Austritts war eine letzte Provokation gegenüber den ungeliebten Parteikollegen: Am Freitag teilte Jörg Meuthen der AfD-Bundesgeschäftsstelle mit, dass er sein Amt als Parteivorsitzender niederlegen und die AfD verlassen werde. Die „Tagesschau“ brachte die Meldung als Erste, Minuten bevor der Bundesvorstand zu seiner regulären Sitzung zusammentrat. Meuthen nahm schon nicht mehr teil.

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Sechs Jahre lang war der heute 60‑Jährige einer von zwei Parteivorsitzenden der AfD. Im Oktober hatte er bereits angekündigt, nicht mehr für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Doch der für Dezember geplante Parteitag wurde coronabedingt auf unbestimmte Zeit vertagt. Meuthen war ein Vorsitzender auf Abruf, ein Chef in der Nachspielzeit. Die Partei folgte ihm immer seltener.

Meuthen stuft Teile der AfD als totalitär ein

Teile der Partei stünden seiner Meinung nach nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sagte er zur Begründung des Austritts – „ich sehe da ganz klar totalitäre Anklänge“. Das Herz der Partei schlage „heute sehr weit rechts, und es schlägt eigentlich permanent sehr hoch“, fügte er hinzu. Allenfalls als ostdeutsche Regionalpartei sehe er noch eine Zukunft für die AfD.

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Ein Anlass war der letzte Tropfen für die Austrittsentscheidung: Am Dienstag präsentierten seine innerparteilichen Rivalen, Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla und Fraktionschefin Alice Weidel, den Ökonomen Max Otte als AfD-Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl. Meuthen hatte zuvor intern und öffentlich vor Otte gewarnt. Doch 14 der 16 Landeschefs und auch eine knappe Mehrheit des Bundesvorstands befürworteten die Provokation, die mit der Kür des damaligen Chefs der CDU‑Splittergruppe Werteunion einherging.

Es war eine Provokation gegen die CDU, aber auch gegen Meuthen. Otte hatte Meuthen als „vom Lucke-Petry-Virus befallenen“ Spalter bezeichnet. Chrupalla, unterstützt von der extremen Rechten in der Partei, setzte den CDU‑Außenseiter dennoch durch.

Der Malermeister aus der Lausitz bekam seinen Willen, wie auch beim Machtkampf um die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl 2021. Die Gewichte haben sich verschoben. Der Mann, den der Wirtschaftsprofessor Meuthen als politisches und intellektuelles Leichtgewicht geringschätzt, weiß die Mehrheit der AfD hinter sich.

Der rechte Rand setzt sich immer wieder durch

Mit Meuthens Abgang scheitert zum dritten Mal nach Bernd Lucke 2015 und Frauke Petry 2017 ein AfD‑Chef daran, die Partei an der politischen Eskalation am extrem rechten Rand zu hindern. Immer ging es auch um Egos, aber vor allem um den Versuch, eine Bewegung zu kanalisieren, die sich nicht eindämmen lassen will. Meuthen nahm an all diesen Machtkämpfen teil: Erst drängte er mit Petry Lucke aus der AfD, dann setzte er sich mit Unterstützung des extrem rechten „Flügels“ um den Thüringer Björn Höcke gegen Petry durch.

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Seit gut zwei Jahren attackiert Meuthen aber selbst den „Flügel“. Er gefiel sich dabei, intern als der „Antifaschist in der AfD“ wahrgenommen zu werden. Doch um Inhalte, gar um einen „gemäßigten Kurs“ ging es ihm nicht. Ziel war allein, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz so weit zu verhindern, dass die Partei einen Rest von bürgerlicher Attitüde behaupten konnte.

Sein erfolgreichster Coup war der Rauswurf des „Flügel“-Strategen Andreas Kalbitz aus der Partei, mit dem er vorher vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte. Kalbitz war zu mächtig geworden und wegen seiner rechtsextremen Biografie zur Gefahr für die Partei. Doch die Strömungen im Osten, die den Verfassungsschutz als Teil des ohnehin zu bekämpfenden Establishments wahrnehmen, waren zu stark.

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Höcke schrieb auf Twitter, er wünsche Meuthen nun „privat und beruflich die Zufriedenheit, die er in der Partei nicht finden konnte“.

Der Hauptkampf mit den Höcke-Getreuen führte Meuthen aber um den Kurs der Partei in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Auch hier setzten sich die ostdeutschen Vertreter eines stärker staatsgesteuerten sozialen Nationalismus gegen den Wirtschaftsliberalen Meuthen immer stärker durch.

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Weidel vermutet Zusammenhang mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Sein Mandat als Europaabgeordneter will Meuthen behalten. Der Rechtsausschuss des Europaparlaments empfahl jetzt die Aufhebung seiner Immunität. Es geht um Ermittlungen wegen der Spendenaffäre im Landtagswahlkampf 2016. Meuthen sieht dem gelassen entgegen, teilte er mit.

Weidel vermutet indes einen Zusammenhang zwischen dem Austritt und der Aufhebung von Meuthens Immunität für ein Ermittlungsverfahren durch den zuständigen Ausschuss im EU‑Parlament am Vortag. Das Verfahren steht dem Vernehmen nach in Zusammenhang mit der AfD-Spendenaffäre.

Weidel sagt: „Es fällt auf, dass der Parteiaustritt mit der Aufhebung der Immunität von Jörg Meuthen im Europäischen Parlament in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang steht.“ In jedem Fall zeuge es von schlechtem Stil, „nun mit Schmutz auf die Partei zu werfen, deren Vorsitzender er so viele Jahre war“.

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