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Kein französischer Versicherungsschutz für deutsche Frauen mit schadhaften Brustimplantaten

Hunderttausende Frauen haben sich bis 2010 extrem reißanfällige Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) einsetzen lassen.

Hunderttausende Frauen haben sich bis 2010 extrem reißanfällige Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) einsetzen lassen.

Geklagt hatte eine Frau aus Hessen, die sich 2006 Silikonkissen des französischen Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP) einsetzen ließ. Vier Jahre später stellten französische Behörden fest, dass die Brustimplantate nur billiges Industriesilikon enthielten. Auf ärztlichen Rat ließ die Frau deshalb 2012 die Silikonkissen austauschen und verlangte Schadensersatz. Insgesamt waren in Deutschland rund 5000 bis 6000 Frauen vom PIP-Schwindel betroffen.

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Bisher gingen die Frauen leer aus. Der Hersteller PIP war längst pleite und der ehemalige Inhaber saß im Gefängnis. Ärzte hafteten nicht, weil sie von den Mängeln der Silikonkissen nichts wissen konnten.

Karlsruhe: TÜV hat seine Pflichten nicht verletzt

Lange konzentrierten sich daher die Hoffnungen auf den TÜV-Rheinland, der mehrfach das Qualitätssicherungssystem von PIP geprüft hatte. 2017 entschied der EuGH sogar, dass sich betroffene Frauen auch auf den Vertrag zwischen PIP und TÜV berufen können, die EU-Medizinprodukterichtlinie diene auch dem Schutz der Patienten. Einige Monate später schloss der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe jedoch eine Haftung des TÜV aus, dieser habe keine Pflichten verletzt. Er hätte nur dann unangemeldet prüfen müssen, wenn es bereits konkrete Indizien für Mängel gegeben hätte.

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Im konkreten Fall sah die Klägerin deshalb ihre letzte Chance bei der Versicherung von PIP. In Frankreich ist für die Hersteller von Medizinprodukten der Abschluss einer Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben. PIP hatte einen Haftpflichtvertrag mit dem Versicherer IARD, der inzwischen zum deutschen Allianz-Konzern gehört. Allerdings sah der Vertrag zwischen PIP und der Versicherung vor, dass diese nur für Schäden haften muss, die in Frankreich entstehen. Die Klägerin sah darin eine Diskriminierung von deutschen Frauen. Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main legte den Fall deshalb dem EuGH zur Klärung vor.

Politik hat aus dem PIP-Skandal wenig gelernt

Der EuGH entschied nun, dass das allgemeine EU-rechtliche Diskriminierungsverbot (Artikel 18 AEUV) hier nicht greift, denn auf den Fall sei Europarecht gar nicht anwendbar. So gebe es im EU-Recht keine Pflicht für Medizinprodukte-Hersteller, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Die Pflicht in Frankreich beruhe nur auf französischem Recht. Es bestehe auch kein Bezug zu EU-Grundfreiheiten. Denn die deutsche Klägerin ließ sich die Silikonkissen in Deutschland implantieren, nicht in Frankreich (Az.: C-581/18).

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Die Politik hat aus dem PIP-Skandal wenig gelernt. Auch heute gibt es in Deutschland immer noch keine obligatorische Haftpflicht für die Hersteller und Importeure von Medizinprodukten. Weder sieht die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung von 2017 Derartiges vor noch das deutsche Medizinproduktegesetz, für das Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) federführend zuständig ist.

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