Maas in Ankara: War was?
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Heiko Maas gibt nach einem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen eine Pressekonferenz.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Ankara. Diese Frage ist nach dem Geschmack des türkischen Außenministers. Was er denn von der Idee der deutschen Verteidigungsministerin halte, eine international kontrollierte Sicherheitszone in Nordsyrien einzurichten, wird Mevlüt Cavusoglu gefragt, als er am Samstagmittag mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas vor die Presse tritt. „Wir sehen, dass sich Deutschland hier besser abstimmen sollte“, sagt Cavusoglu süffisant. Meinungsdifferenzen seien in Demokratien ja durchaus üblich. Er wolle sich aber nicht in die internen Angelegenheiten Deutschlands einmischen.
Deutschland, so viel steht spätestens nach dem Besuch von Außenminister Maas in Ankara fest, steht nach dem unabgestimmten Vorstoß von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer außenpolitisch blamiert da.
Maas distanziert sich von Kramp-Karrenbauer
Der Syrien-Plan Kramp-Karrenbauers hat keine Aussicht auf Erfolg. Russen und Amerikaner haben bereits abgewunken, Cavusoglu hält ihn für „unrealistisch“, die europäischen Nato-Partner reagierten mit höflicher Verwunderung. Mit ihrem Vorpreschen aber hat Kramp-Karrenbauer den Außenminister unter Zugzwang gesetzt.
Maas‘ Blitzbesuch in Ankara geht auf die Initiative des Saarländers zurück. Darum bestrebt, die Deutungshoheit über Deutschlands Außenpolitik zurückzuerlangen und das zuletzt konfuse Bild deutscher Diplomatie gerade zu rücken, schlug Maas Mitte der Woche seinem türkischen Amtskollegen ein Treffen vor – Cavusoglu willigte prompt ein.
In Ankara nutzt der SPD-Politiker die Gelegenheit, Kramp-Karrenbauers Idee in aller Deutlichkeit zu verwerfen. „Überall wird uns gesagt, das sei kein realistischer Vorschlag.“ Das Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen habe er für wichtigere Themen nutzen wollen. „Für Dinge, die eher theoretischen Charakter haben, hat uns die Zeit gefehlt, weil den Menschen in Syrien die Zeit für theoretische Fragen fehlt“, so Maas.
Im fernen Ankara geht Maas auf maximale Distanz zu seiner Kabinettskollegin Kramp-Karrenbauer. Die große Koalition trägt nun ihre parteipolitisch motivierten Scharmützel auf weltpolitischer Bühne aus.
Neue Sanktionen? Davon ist keine Rede
Oppositionspolitiker, aber auch Parteifreunde gaben Maas‘ mit auf den Weg, Ankara wegen des Einmarschs türkischer Truppen in Syrien stark unter Druck zu setzen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich stellte die Nato-Mitgliedschaft des Landes infrage, Grüne und FDP fordern Wirtschaftssanktionen, die Linke die Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei. Maas aber hat der Türkei mit nichts von alledem gedroht. Im Gegenteil: Der Ton war ausnehmend freundlich.
„Es gibt zwischen uns ernstzunehmende Differenzen, aber unter Partnern und Verbündeten sollte man gerade in einer solchen Situation miteinander sprechen und nicht übereinander“, sagt Maas. Man richte jetzt den Blick nach vorn. Ziel sei dabei, die Lage der syrischen Zivilbevölkerung zu verbessern – darin seien sich Berlin und Ankara einig.
Maas will die Konfrontation mit der Türkei nicht weiter anheizen. Er will Ankara zurück auf europäischen, auf westlichen Kurs bringen. Viel Grund für Optimismus gibt es da allerdings nicht.
Ankara fordert die Nato heraus
Mit der Missachtung rechtsstaatlicher und demokratischer Grundsätze entfernt sich die Türkei immer weiter von der EU. Von innen heraus untergräbt sie den Zusammenhalt in der Nato. Ankara wendet sich von seinen westlichen Partnern ab und setzt immer stärker auf Russland. So zeichneten zu Wochenbeginn Präsident Recep Tayyip Erdogan und Russlands Präsident Wladimir Putin im russischen Sotchi die Nachkriegsordnung für Syrien vor. Beide Staaten bauen ihre Rolle als Ordnungsmacht im Kriegsland aus – zulasten der Kurden, auf die der Westen im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ gesetzt hatte. Überdies verärgert die Türkei mit dem Kauf russischer Waffensysteme ihre Nato-Verbündeten: Nach dem Erwerb russischer S-400-Abwehrraketen steht nun ein Deal über drei Dutzend russischer Kampfjets kurz vor dem Abschluss.
Dennoch betont Maas in Ankara: „Die Türkei ist und bleibt ein wichtiger Nato-Verbündeter für Deutschland.“
Nach dem von US-Präsident Donald Trump angekündigten Rückzug aus Nordsyrien marschierte die Türkei am 9. Oktober in die überwiegend von Kurden bewohnte Region ein. Ankara begründete seine Invasion mit der Wahrung türkischer Sicherheitsinteressen an der Grenze zu Syrien. Zudem hat Präsident Erdogan mehrfach verkündet, „ein bis zwei Millionen“ geflüchteter Syrer, die zurzeit in der Türkei leben, nach Nordsyrien umzusiedeln – in Städte, die Erdogan noch bauen lassen will.
Der Zeigefinger bleibt unten
Nach Angaben der Vereinten Nationen sind im Zuge der türkischen "Operation Friedensquelle" fast 200.000 Menschen in der Region auf der Flucht. Der Vorwurf einer von türkischer Seite betriebenen Bevölkerungsumsiedlung steht im Raum. Maas betont allerdings, die Türkei habe zugesichert, ihre Präsenz in Nordsyrien sei nur vorübergehend. Auch habe Ankara bestätigt, dass die Rückkehr Geflüchteter nur auf freiwilliger Basis erfolgen werde.
Während Cavusoglu durchaus Kritik an Deutschland übt - etwa hinsichtlich einer in seinen Augen zu großen Milde deutscher Behörden gegenüber Kurden, die der Terrororganisation PKK nahestehen, ist Maas auffallend zurückhaltend. Vor dem Besuch des Deutschen hatte Cavusoglu Maas via Twitter ermahnt, er möge nicht mit erhobenem Zeigefinger nach Ankara reisen. Maas tat ihm den Gefallen.