Mutmaßlich Journalisten und Politiker ausgepäht: Ungarische Opposition verlangt Aufklärung
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Ein Smartphone wird gehalten. (Symbolbild)
© Quelle: Sebastian Gollnow/dpa
Budapest/Paris. Ungarische Oppositionspolitiker haben eine Untersuchung des mutmaßlichen Einsatzes einer Spionagesoftware gegen Journalisten und Regierungskritiker gefordert. Drei Mitglieder des Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit beantragten am Montag eine Sondersitzung, um Regierungsbehörden zu ihrer möglichen Verwicklung in die Überwachungstätigkeiten zu befragen.
Ein Journalistenkonsortium hatte zuvor Recherchen veröffentlicht, wonach auf Smartphones von ungarischen Journalisten und Oppositionspolitikern eine Software der israelischen Firma NSO entdeckt wurde.
Der Vorsitzende des Ausschusses, János Stummer, ein Abgeordneter der rechtsgerichteten Oppositionspartei Jobbik, erklärte, eine Überwachung, wie von den Journalisten aufgedeckt, sei in einem Rechtsstaat nicht legal. Der Ausschuss wolle Sicherheitsbehörden und Geheimdienste zu den Vorwürfen befragen.
Stummer verwies jedoch darauf, dass eine Mehrheit der Ausschussmitglieder Abgeordnete der Regierungspartei seien, die mit einem Boykott eine Untersuchung verhindern könnten. „Unsere Sichtweise ist, dass ein Schweigen im Wesentlichen ein Eingeständnis wäre, dass die Regierung tatsächlich in diese Sache verwickelt ist“, sagte Stummer.
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto hat einem Medienbericht zufolge die Vorwürfe zurückgewiesen.. Der Direktor des Geheimdienstes IH habe auf Anfrage bestritten, dass der Dienst die Software einsetze, sagte Szijjarto nach einem Bericht des Nachrichtenportals „Telex.hu“ am Montag im nordungarischen Komarom. Der seinem Ministerium unterstellte Dienst sei bereit, dem Sicherheitsausschuss des ungarischen Parlaments darüber Auskunft zu geben.
Mehr als 1000 Personen für Überwachung ausgewählt
Von der Überwachung mit der Software Pegasus waren in Ungarn den Recherchen zufolge mindestens zehn Anwälte, fünf Journalisten und ein Politiker der Opposition betroffen. Insgesamt werteten die Journalisten gemeinsam mit der Organisation Forbidden Stories und Amnesty International mehr als 50.000 Telefonnummern aus. Mehr als 1000 Personen in 50 Ländern sollen von NSO-Klienten für eine potenzielle Überwachung ausgewählt worden sein.
Die Software Pegasus infiltriert Smartphones, späht persönliche Daten aus und kann auch Kamera und Mikrofon des Handys aktivieren. Im Fall von Journalisten können Hacker so die Kommunikationen mit Quellen verfolgen. In Ungarn waren davon nach einem Bericht der „Guardian“ zwei Journalisten der Investigativplattform Direkt36 betroffen.
NSO weist Vorwürfe zurück
Peter Ungar, ebenfalls Mitglied des Ausschusses für nationale Sicherheit und Abgeordneter der oppositionellen Partei LMP, sagte der Nachrichtenagentur AP, man werde versuchen festzustellen, ob die identifizierten Personen tatsächlich überwacht worden seien. Es werde auch der Frage nachgegangen, wer die Überwachung autorisiert habe und aus welchen Gründen, und was mit den gesammelten Daten geschehen sei. „Wenn irgendein Teil davon wahr ist, selbst nur die Hälfte, ist das einer der schwersten nationalen Sicherheitsskandale, die ich je gesehen habe“, sagte Ungar.
Entrüstet reagiert auch Frankreichs Regierungssprecher Gabriel Attal. „Das ist natürlich ein äußerst schockierender Sachverhalt“, sagte Attal am Montag dem Sender Franceinfo. Er kündigte - nicht näher detaillierte - Untersuchungen an. „Wir hängen sehr an der Pressefreiheit“, fügte er hinzu.
Das Unternehmen NSO wies alle Vorwürfe zurück. Es erklärte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AP, es habe niemals eine Liste von potenziellen oder tatsächlichen Zielen geführt. Der Bericht von Forbidden Stories sei voll falscher Annahmen und unbewiesener Theorien. Ein Sprecher der ungarischen Regierung erklärte, über solche Datensammlungen sei nichts bekannt.
RND/AP/dpa