Nach holprigem Start: Chrupalla und Weidel übernehmen AfD-Fraktionsvorsitz

Alice Weidel, AfD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, kommt neben Alexander Gauland, scheidender Fraktionsvorsitzender der AfD, zur Fraktionssitzung der Partei in den Bundestag. In der Sitzung soll die neue Fraktionsspitze gewählt werden.

Alice Weidel, AfD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, kommt neben Alexander Gauland, scheidender Fraktionsvorsitzender der AfD, zur Fraktionssitzung der Partei in den Bundestag. In der Sitzung soll die neue Fraktionsspitze gewählt werden.

Berlin. Kay Gottschalk ist unzufrieden. Mit dem Ergebnis der Bundestagswahl und mit der Performance der Spitzenkandidatin Alice Weidel. „Wir dürfen nicht im Stimmenghetto von 10, 11 Prozent bleiben“, fordert er. „Wir müssen auch im Westen mit unseren Themen durchdringen.“ Der AfD-Mitbegründer aus Nordrhein-Westfalen ist zurück im Bundestag, in der auf 82 Abgeordnete geschrumpften Fraktion. Er sprach sich dagegen aus, die Spitzenkandidaten Weidel und Tino Chrupalla gemeinsam zu neuen Fraktionsvorsitzenden zu wählen.

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Am Ende konnte er sich nicht durchsetzen. Relativ knapp wird festgelegt, wieder eine Doppelspitze zu wählen. Noch knapper, mit einem Patt von 37 zu 37 Stimmen, die beiden Vorsitzenden doch gemeinsam zu wählen. Eine Einzelwahl bevorzugten vor allem diejenigen, die Weidel eine Quittung erteilen wollen, für ihre „Performance im Wahlkampf“ und bei der bisherigen Fraktionsführung.

Weidel und Chrupalla wurden dann ohne Gegenkandidaten gewählt. Sie erhielten nach Angaben von Teilnehmern der Fraktionssitzung 50 Ja-Stimmen. 25 Abgeordnete stimmten gegen das Duo, bei zwei Enthaltungen. Gottschalk scheiterte mit seiner Bewerbung um einen Vizeposten. Erneut als Stellvertreter bestimmt wurden Beatrix von Storch, Sebastian Münzenmaier und Leif-Erik Holm. Zwei weitere Fraktionsvize - Corinna Miazga und Norbert Kleinwächter - wurden erstmalig in den Vorstand gewählt.

Als Weidel aus dem Aufzug steigt, legt der scheidende Fraktionschef Alexander Gauland den Arm um sie, Halb beschützt er sie, halb lehnt sich der 80-Jährige an sie an. Er habe mit Weidel als Co-Fraktionschefin sehr gut zusammengearbeitet, wirbt Gauland. Er wird zum Ehren-Fraktionsvorsitzenden ohne Stimmrecht gewählt.

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Äußerst holprig startet die geschrumpfte Fraktion in ihre zweite Legislaturperiode. Die Verunsicherung, wie die AfD neben dem voraussichtlichen großen Oppositionsblock von CDU und CSU durchdringen kann, sitzt tief. Hierfür eine Strategie zu finden, sei die „vordringliche Aufgabe“ der neuen Fraktionsspitze, sagte Weidel. Man wolle „bis 2025 koalitionsfähig“ werden, gibt Chrupalla vor.

Der innerparteiliche Richtungskampf, der auf dem Parteitag im Dezember entschieden werden soll, überlagert ohnehin alles. Parteichef Jörg Meuthen sparte nicht mit Kritik am Spitzenduo. Ob er für weitere zwei Jahre an der Spitze bleiben möchte, lässt er bislang offen.

25 neue Abgeordnete sind in den Bundestag eingezogen. Einer stand gleich zu Beginn in der Kritik. Matthias Helferich aus Dortmund verzichtete auf den Fraktionsbeitritt. Er hatte sich in internen Chats unter anderem als „freundliches Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnet. Dieser Begriff sei jedoch lediglich eine Fremdzuschreibung von linken Bloggern gewesen, die er „persifliert“ habe, führte er aus.

Gegen ihn wurde eine Ämtersperre verhängt, auf der Landesliste blieb er trotzdem und sitzt nun im Bundestag. Nachdem am Mittwoch einige Abgeordnete Einwände gegen seine Aufnahme in die Fraktion geäußert hatten, hatte er auf eine Aufnahme verzichtet. Ob er künftig zumindest als Gast an den Sitzungen teilnehmen will und darf, muss noch entschieden werden.

Höcke fordert Neuaufstellung

Direkt in die erste Fraktionssitzung hinein meldete sich am Mittwoch der rechtsradikale Thüringer Landeschef Björn Höcke in den sozialen Medien zu Wort. „Wir müssen besser werden“, forderte Höcke. Ohne den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen namentlich zu nennen, griff er ihn erneut massiv an.

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Der Stimmenrückgang sei darauf zurückzuführen, dass „wir uns zerstritten präsentieren, uneins über den Weg unserer Partei; es liegt daran, dass wir unseren Gegnern nicht entschlossen und geschlossen entgegentreten; und es liegt daran, dass wir unter anderem einen Spitzenfunktionär haben, der mit der eigenen Partei nicht nur fremdelt, sondern sogar darum bemüht ist, nicht mit ihr verwechselt zu werden.“

Weiter schreibt Höcke: „In unserer Partei ist es so: Die einen sind erfolgreich, die anderen wissen es besser, und nicht selten muss mein Name dafür herhalten, wenn irgendwo im Westen die AfD bei Wahlen fast an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert.“

Mehr Geld für das neurechte „Vorfeld“?

Auch das neurechte ideologische Vorfeld ist mit der Arbeit der AfD-Bundestagsfraktion bisher unzufrieden – in der Zeitschrift „Sezession“ des von Götz Kubitschek geleiteten „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda fordert Erik Lehnert, „den Rahmen des Parlamentarismus durch intelligente Schachzüge auszuweiten“ und mit den staatlichen Fraktionsgeldern stärker die rechte außerparlamentarische Landschaft zu pflegen.

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Die Fraktion bekomme schließlich „jährlich 17 Millionen Euro vom Steuerzahler, ohne dass es hier zu einem nennenswerten Abfluss ins Vorfeld gekommen wäre“. Lehnert arbeitet nach einer Kurzzeitbeschäftigung für einen Bundestagsabgeordneten heute für die AfD-Fraktion Brandenburg. In Potsdam werden stärker als anderswo Vertreter neurechter und rechtsextremer Netzwerke von der Fraktion alimentiert.

In Berlin ist auch der Arbeitsmarkt der Fraktion wieder geöffnet: Einige der 25 Neu-AfDler haben angekündigt, auf erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrer Vorgänger zurückzugreifen. Andere werden „patriotischen“ Bewerbern aus der „Jungen Alternative“ und dem Schnellroda-Umfeld zu Jobs verhelfen wollen.

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