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Nach „Partygate“-Gutachten: Johnson entschuldigt sich für Umgang mit Vorwürfen

Ein Polizeibeamter geht vor der 10 Downing Street

Ein Polizeibeamter geht vor der 10 Downing Street

London. Der britische Premier Boris Johnson hat sich für seinen Umgang mit den Vorwürfen über Partys im Lockdown in der Downing Street entschuldigt. „Ich möchte Entschuldigung sagen“, sagte ein betretener Johnson am Montag im Londoner Unterhaus nach der Veröffentlichung eines Untersuchungsberichts zu den Lockdown-Partys. Das sei aber nicht genug, da etliche Menschen in der Pandemie große Opfer gebracht hätten und sich an die Regeln gehalten hätten, sagte Johnson.

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Der Premier kündigte weitreichende Umstrukturierungen und Reformen in seinem Amtssitz an. „Ich verstehe es und ich werde es in Ordnung bringen“, sagte Johnson. Ein Rücktritt, wie ihn die Opposition und einige Abgeordnete seiner eigenen Partei gefordert hatten, gehört für Johnson jedoch aus freien Stücken nicht dazu.

„Partygate“-Gutachten wirft Verantwortlichen schwere Versäumnisse vor

Ein interner Untersuchungsbericht zur „Partygate“-Affäre hat den Verantwortlichen im britischen Regierungssitz schwere Versäumnisse bei der Einhaltung von Regeln vorgeworfen. Die Verantwortlichen hätten es versäumt, sich an Standards zu halten, die zur Zeit des Corona-Lockdowns nicht nur von der Regierung, sondern von der gesamten Bevölkerung verlangt worden seien, hieß es in dem am Montag veröffentlichten Bericht.

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„Zumindest einige der fraglichen Versammlungen stellen ein schwerwiegendes Versäumnis dar, nicht nur die hohen Standards einzuhalten, die von denjenigen erwartet werden, die im Herzen der Regierung arbeiten, sondern auch die Standards, die von der gesamten britischen Bevölkerung zu dieser Zeit erwartet wurden“, stellte die Spitzenbeamtin Sue Gray fest.

Einige der Treffen hätten nicht stattfinden dürfen oder sich nicht in der Weise entwickeln dürfen, wie es letztlich geschah, betonte Gray. Sie forderte: „Aus diesen Ereignissen müssen wichtige Erkenntnisse gezogen werden, die sofort regierungsweit angegangen werden müssen.“ Damit müsse nicht auf das Ende der Polizeiermittlungen gewartet werden.

Gray prüfte Vorwürfe, wonach Regierungsmitarbeiter sich 2020 und 2021 zu feuchtfröhlichen Feiern und „Wein-Freitagen“ getroffen hätten, während in England strenge Kontaktbeschränkungen galten. Monatelang waren Treffen mit Angehörigen und Freunden wenn überhaupt nur mit wenigen Teilnehmern erlaubt, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. Zehntausende Menschen mussten Geldbußen zahlen, weil sie die Regeln nicht eingehalten hatten.

Die Anschuldigungen, der Premierminister und seine Mitarbeiter hätten sich über Corona-Maßnahmen hinweggesetzt, lösten große Empörung in der britischen Öffentlichkeit aus. Einige konservative Abgeordnete forderten bereits den Rücktritt ihres Parteifreundes vom Amt des Regierungschefs. Johnson hat persönliches Fehlverhalten bestritten und einen Rücktritt ausgeschlossen. Er forderte seine Kritiker auf, zunächst die Schlussfolgerungen Grays abzuwarten und erst dann ein Urteil über ihn zu sprechen.

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Allerdings könnten einige Erkenntnisse der Spitzenbeamtin wegen separaten Ermittlungen der Londoner Polizei zu möglichen Verstößen gegen Pandemieregeln bei Zusammenkünften in der Downing Street zurückgehalten werden. Denn die Londoner Polizei bat Gray jüngst, in ihrem Bericht möglichst wenig Bezug zu nehmen auf Ereignisse, die noch von Ermittlern untersucht würden. So solle eine Beeinträchtigung der Polizeiarbeit vermieden werden. Aus der Opposition kamen prompt Vertuschungsvorwürfe.

Den zweiten Jahrestag des formalen Austritt Großbritanniens aus der EU versuchte der bedrängte Premier unterdessen zu nutzen, um andere politische Akzente zu setzen. Bei einem Besuch des östlich von London gelegenen Hafens Tilbury versprach er am Montag, das Potenzial auszuschöpfen, das der Brexit berge.

Johnson stellte bei dieser Gelegenheit das „Brexit-Freiheiten“-Gesetz vor, das nach Regierungsangaben zugunsten heimischer Unternehmen die Bürokratie abbauen solle, indem Gesetze aus der Zeit der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens geändert würden.

Boris Johnson bei seinem Besuch des Hafens Tilbury

Boris Johnson bei seinem Besuch des Hafens Tilbury

„In allen Gebieten, in denen das Vereinigte Königreich stark ist - Cyber, künstliche Intelligenz, all die innovativen Technologien der Zukunft - werden wir sicherstellen, dass wir Dinge anders und besser machen, wo es angemessen ist“, versprach er. Großbritannien solle „der Ort Nummer eins sein, an dem Geschäfte gemacht würden und investiert werde „wegen der Freiheiten, die wir haben“. Kritiker wenden indes ein, dass das Gesetzesvorhaben es der Regierung erleichtern werde, Gesetze ohne Billigung des Parlaments zu ändern.

RND/AP/dpa

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