Soll die Bundesregierung ihre Facebook-Seiten schließen? Nein, aber ...
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Facebook, Twitter, Instagram: Apps auf einem Smartphone.
© Quelle: Robert Günther/dpa-tmn
Berlin. Folgen Sie dem Bundesverkehrsministerium auf Facebook? Liken Sie Fotos auf dem Instagram-Account der Bundeskanzlerin? Informieren Sie sich auf der Tiktok-Seite des Bundesgesundheitsministeriums?
Wenn ja, dann könnte damit bald Schluss sein. Wenn deutsche Behörden und Ministerien nicht bis Ende des Jahres ihre Accounts abschalten, droht Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber, dann werde er es tun.
Schießt hier jemand übers Ziel hinaus?
Jahrelang wirkten die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern in den Auseinandersetzungen mit Internetgiganten wie Facebook oder Google häufig wie Don Quijote im Kampf gegen Windmühlen. Viele Nutzer halten ihre Arbeit zwar für verdienstvoll. Die meisten jedoch streuen nach dem Motto „Ich habe ja nichts zu verbergen“ ihre Daten weltweit – und Facebook und Co. verdienen damit Milliarden.
Keine Zettelwirtschaft mehr
Doch seit sich Europa 2018 eine strenge Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gegeben hat und etliche Gerichte den Klagen von Datenschützern recht geben, ist vom Spott aus den zumeist US-amerikanischen Firmenzentralen nicht mehr viel übrig. Wegen der angedrohten Strafen bei Verstößen kommen sie in Trippelschritten in ihren Geschäftsbedingungen den Europäern entgegen – wie störrische Esel, die vom Futtertrog weggezerrt werden müssen.
Doch der Informationsfluss ist stundenaktuell geworden.
Kelbers Intention, Behörden müssen aussteigen, wenn die Daten nicht sicher sind, ist richtig. Erstens geht es hier um Steuergelder, die unsicheren Kantonisten in den Rachen geschaufelt werden. Und zweitens sind öffentliche Stellen erst recht an Recht und Gesetz gebunden. Wer Datenschutz durchsetzen will, der muss auch Vorbild sein.
Das Dilemma ist dabei deutlich sichtbar: Die gute alte Öffentlichkeitsarbeit ist eben schon lange keine Zettelwirtschaft mehr, in der Pressemitteilungen gefaxt werden und Zeitungen daraus zitieren. Zwar zählen die Printmedien in den Augen vieler Bürger auch im digitalen Zeitalter noch zu den glaubwürdigsten Medien. Doch der Informationsfluss ist stundenaktuell geworden.
Zeitnah auf Kritik reagieren
In der Pandemie und dem föderalen Verordnungswirrwarr wurde es überdeutlich: Rasche, zielgruppengenaue und auf den Punkt exakte Informationen sind gefragt. Dafür gibt es soziale Medien. Und deren Erfolg hängt an den Daten, um Werbung auszuspielen und um weitere Plattformen zu befeuern. Wie beispielsweise der Messenger Whatsapp, der seit 2014 und die Plattform Instagram, die seit 2012 zu Facebook gehören.
Allein durch die Abschaltung von Facebook hätte die Bundesregierung ein Reichweitenproblem. Ihre zentrale Seite zählt immerhin 870.000 Fans und über eine Million Abonnenten. Die Kommunikation mit den Bürgern würde leiden, wenn Behörden nicht mehr zeitnah auf Kritik auf ihrer Plattform reagieren.
Kompromisslos Recht und Gesetz durchzusetzen ist die Pflicht aller Behörden in Europa, im Bund und in den Ländern.
Nein, ein Rückzug kann deshalb keine Lösung sein. Oder soll den Untergangsschwurblern, den extremen Einflüsterern und Fake-News-Verbreitern das digitale Feld überlassen werden? Es führt kein Weg daran vorbei, den Konzernen die politischen und juristischen Daumenschrauben anzuziehen. Kompromisslos Recht und Gesetz durchzusetzen ist die Pflicht aller Behörden in Europa, im Bund und in den Ländern.
Von Europäern inspirieren lassen
Bequem ist das nicht, klar. Die DSGVO ist jedoch ein globaler Standard, hinter den niemand mehr zurücksollte und den andere durchaus als Chance begreifen. In den USA hat bereits ein Umdenken eingesetzt, einzelne Bundesstaaten wie etwa Kalifornien lassen sich in Sachen Datenschutz sogar von den Europäern inspirieren.
Es ist auch nicht so, dass lediglich Konzerne miteinander kooperieren können – Regierungen können dies ebenfalls und tun es. Kelbers Brandbrief in Sachen Facebook und Co. sollte deshalb als ultimative Aufforderung verstanden werden, konsequent zu handeln.