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Überraschende Klimabilanz: Wir können noch Schlimmstes verhindern

Hochspannungsleitung im Grünen.

Hochspannungsleitung im Grünen.

In diesem Jahr kommt die frohe Botschaft nach den Feiertagen. Hatte sich 2019 regelrecht zu einem „Themenjahr Klimawandel“ ausgewachsen und sich etliche Wähler und Leser schon genervt vom Klimastreit abgewendet, verkünden nun die Experten vom Institut „Agora Energiewende“ Überraschendes: Der Ausstoß von klimaschädlichem Treibhausgas ist im vergangenen Jahr stärker gesunken als gedacht.

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Gegenüber 1990 sind die CO₂-Emissionen um 35 Prozent gesunken – womit sogar das eigentlich schon abgeschriebene 40-Prozent-Ziel für 2020 doch wieder erreichbar sei. Also alles wieder gut? Danke Groko – für das Klimapaket? Und „Fridays For Future“-Demonstranten jetzt bitte wieder abregen?

So gut sind die Nachrichten auch wieder nicht. Denn zu verdanken hat Deutschland die CO₂-Ersparnis ausschließlich seiner Energiewende und dem gesunkenen Industriestrombedarf im Zuge der lahmenden Weltkonjunktur. Die aktuelle Regierung kann sich dagegen keine Lorbeeren aufsetzen.

Staatlich herbeigeführte Umstiege funktionieren

Allerdings heißt das zugleich, dass der staatlich herbeigeführte Umstieg vom Kohlestrom zur Versorgung aus Wind- und Sonnenenergie – den jeder Verbraucher mit seiner Stromrechnung mitfinanziert – eben doch wirkt. Peinlich dagegen die Bilanz in den anderen wichtigen Bereichen Gebäude und Verkehr: Da sind die Emissionen sogar gestiegen.

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Daraus lässt sich einiges ableiten: Der Aufstieg der Öko-Energien zu den größten Stromlieferanten brauchte rund 20 Jahre. Denn das Gesetz, das das Fundament legte, stammt von 2000 und noch von Rot-Grün. Das Groko-Klimapaket muss sich erst noch bewähren.

Eine Verschnaufpause verschafft die Bilanz nicht: Das Plus an Ökostrom rührt aus dem Zubau von Solaranlagen und reichlich Wind. Neue Windräder werden seit zwei Jahren kaum noch errichtet. Wenn die Groko jetzt nicht schnell und beherzt gegensteuert, fallen die Nachrichten nächstes Jahr wieder schlecht aus.

Doch es gibt auch Grund zum Optimismus: Hauptursache des Emissionsrückgangs beim Strom sind höheren Preise für CO₂-Verschmutzungsrechte in der EU. So wurde Kohlestrom teurer und gegenüber der wachsenden Ökostromproduktion nicht mehr wettbewerbsfähig.

Man kann tatsächlich manches dem Markt überlassen

Das zeigt, dass CO₂-Bepreisung wirken kann. Und auch, dass man manches tatsächlich dem Markt überlassen kann – wenn der Staat den richtigen Rahmen schafft. Auf Innovationen zu hoffen, ohne Druck auszuüben, wie es der Verkehrsminister empfiehlt, ist dagegen naiv.

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So liegt der CO₂-Anstieg im Verkehr vor allem am Zuwachs schwerer Fahrzeuge mit großen Motoren – Stichwort: SUV. Mal ehrlich: Muss das sein? Natürlich muss nicht jeder Deutsche Vegetarier werden. Aber sind in deutschen Städten tatsächlich SUV nötig? Und wer kann sie sich eigentlich leisten, oder auch mehrere Kreuzfahrten und Auslandsflüge pro Jahr?

Neben die Freiheits- gehört auch beim Klima die Gerechtigkeitsdebatte: Wenn jeder Geringverdiener den Ökostrom-Ausbau mitfinanziert – wer ruiniert diesen Beitrag zum Klimaschutz dann mit unnötig dicken Autos? Wie fair ist es, wenn wir heute Einschränkungen ablehnen und damit unseren Enkeln viel größere zumuten? Warum darf Deutschland pro Kopf zu den größten Klimasündern der Welt zu zählen?

Man kann nun schmollend bestreiten, dass australische Waldbrände, neue Wärmerekorde und schneefreie Weihnachten die dauerhafte Erderwärmung belegen oder dass die Industriestaaten beim Umbau vorangehen müssen. Oder man nimmt die überraschende Expertenberechnung als Mutmacher: Die Anstrengung lohnt. Die Opfer, die man bringt, sind nicht vergeblich.

Wenn wir jetzt nicht nachlassen, können wir künftigen Generationen das Schlimmste ersparen.

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