Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit: Europaparlament erhöht Druck auf EU-Kommission
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Das Europaparlament mahnt die EU-Kommission zu mehr Tempo bei der Bestrafung von Rechtsstaatlichkeitsverstößen durch Polen und Ungarn. Der Rechtsausschuss des Parlaments will eine Untätigkeitsklage gegen die EU-Kommission auf den Weg bringen, sollte diese nicht bald reagieren.
© Quelle: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa
Brüssel. Das Europaparlament erhöht den Druck auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ungarn und Polen wegen ihrer Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit zu bestrafen. Am Donnerstagabend brachte der Rechtsausschuss des Parlaments eine Untätigkeitsklage gegen die EU-Kommission auf den Weg. Die Klage könnte Anfang November eingereicht werden, wenn die Kommission bis dahin nicht reagiert.
„Die Kommission hat sich zu lange Zeit gelassen. Doch diese Zeit haben wir nicht, denn die Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit ist zugleich eine existenzielle Bedrohung für die EU“, sagte der Rechtsexperte der Europa-Grünen, Sergey Lagodinsky, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Das Parlament habe „die Kommission dreimal vergeblich zum Handeln aufgefordert“, sagte Lagodinsky. „Als Hüterin der Verträge muss sie nun endlich das scharfe und gefürchtete Schwert des Konditionalitätsmechanismus auspacken.“ Nur so bestehe die Chance, autoritären Tendenzen in einigen Mitgliedsstaaten Einhalt zu gebieten.
Von der Leyen droht erstmals mit Strafen
Die EU-Staaten haben Ende vergangenen Jahres erstmals in der Geschichte der EU einen Rechtsstaatsmechanismus verabschiedet. Demnach riskieren Staaten, die gegen die unabhängige Justiz vorgehen oder die Medien gängeln, den Entzug von EU-Fördergeldern. Die EU-Kommission muss den Mechanismus in Gang setzen.
Polen könnte finanziell sanktioniert werden
Nach dem umstrittenen polnischen Verfassungsgerichtsurteil zum Verhältnis des nationalen Rechts zum EU-Recht habe von der Leyen während einer Kommissionssitzung von „sehr ernsthaften Problemen“ gesprochen, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Sollten diese Bedenken durch eine tiefergehende Analyse bestätigt werden, gebe es mehrere Optionen.
Die EU-Kommission könnte ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen einleiten. Das könnte zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen und schließlich mit finanziellen Sanktionen gegen Warschau enden.
Stimmentzugsverfahren gegen Polen läuft schleppend
Auch der neue EU-Rechtsstaatsmechanismus könne gebraucht werden, sagte Simson. Dieser sieht bei bestimmten Rechtsstaatsverstößen vor, dass EU-Ländern Mittel aus dem Gemeinschaftsbudget gekürzt werden können. Auch das bereits laufende Artikel-7-Verfahren gegen Polen, mit dem Warschau das Stimmrecht in der EU entzogen werden könnte, könne ausgeweitet werden. Das Verfahren kommt allerdings seit Jahren kaum voran.
Das polnische Verfassungsgericht hatte Anfang Oktober entschieden, dass Teile des EU-Rechts nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar seien. Das stellt einen Eckpfeiler der europäischen Rechtsgemeinschaft infrage. Die EU-Kommission ist der Ansicht, dass EU-Recht grundsätzlich Vorrang vor nationalem Recht hat.