Warum Kinder und Jugendliche trotz der Stiko-Bedenken schnell geimpft werden sollten
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Sollen Kinder und Jugendliche mit den für Erwachsene bereits zugelassenen Impfstoffen gegen das Coronavirus geimpft werden? Experten sind sich darüber noch nicht einig.
© Quelle: picture alliance / dpa Themendienst
Berlin. Es ist kein Einzelfall: Die Großeltern, die ihre Enkel lieben und sich rührend um sie kümmern, lehnen die Einladung für eine Impfung mit dem Vakzin von Astrazeneca ab. Sie sorgen sich um ihre Gesundheit und wollen lieber warten, bis ihnen der Impfstoff von Biontech/Pfizer angeboten wird. Dabei gibt es keine Hinweise dafür, dass Astrazeneca bei über 60-Jährigen irgendwelche Schäden anrichtet.
Die Enkel, schulpflichtige Kinder, verstehen ihre Großeltern nicht – zu Recht. Der mRNA-Impfstoff von Biontech ist für Heranwachsende ohne Alternative. Er ist in den kommenden Monaten das einzige Vakzin, das für diese Altersgruppe zugelassen sein wird.
Fairness zwischen den Generationen
Zu Beginn der Pandemie leuchtete es der Mehrheit der jüngeren Bevölkerung umgehend ein, dass der Schutz der Älteren Bürgerpflicht ist und daher Opfer gebracht werden müssen.
Jetzt geht es nicht einmal mehr um Opfer, sondern nur um Einsicht in die wissenschaftlichen Fakten. Aber selbst dazu scheinen einige nicht bereit zu sein. Ihr Verhalten bremst nicht nur das Impftempo insgesamt, es widerspricht auch der gebotenen Fairness zwischen den Generationen.
Wie stark sich Jugendliche nach ihrem gewohnten, unbeschwerten Alltag sehnen, zeigen Berichte von niedergelassenen Ärzten. Sie erleben einen Ansturm von jungen Leuten, die sich entgegen der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) mit Astrazeneca impfen lassen wollen, weil hier die Chance auf eine schnelle Immunisierung am höchsten ist. Sie nehmen also gefährliche Thrombosen in Kauf. Das kann man jugendlichen Leichtsinn nennen – oder auch Verzweiflung.
Ersatzlose Aufhebung der Priorisierung war Fehler
Jetzt zeigt sich, wie fahrlässig es von Bund und Ländern ist, die Impfpriorisierung ersatzlos zu streichen. Dabei macht es natürlich keinen Sinn, das Biontech-Vakzin zu horten, bis es für die Zwölf- bis 15-Jährigen zugelassen ist. Aber es hätte schon längst eine Vorgabe geben müssen, den Impfstoff bevorzugt an junge Menschen abzugeben.
Zumindest Jens Spahn scheint zu dämmern, dass erneut staatliche Eingriffe notwendig sind. Der Bundesgesundheitsminister nimmt das Wort Priorisierung zwar nicht in den Mund, spricht aber von einer Reservierung von Impfstoffen für Kinder und Jugendliche.
Wie er es nennt, ist aber egal: Es muss gewährleistet sein, dass jedes Schulkind über zwölf im Sommer ein Impfangebot bekommt. Das neue Schuljahr beginnt allerdings nicht erst Ende August, wie die Bundesregierung bei ihrer Planung unterstellt, sondern in einigen Ländern bereits Anfang August.
Ratlose Eltern
Eine kontrollierte Impfstrategie für die Jugendlichen ist auch aus einem anderen Grund notwendig. Denn es muss befürchtet werden, dass die Stiko keine generelle Impfempfehlung abgeben wird mit dem Argument, Kinder und Jugendliche würden nur selten an Covid-19 erkranken.
Nein, das sind sie ganz sicher nicht. Die Folgen der sozialen Isolation in der jungen Generation sind unübersehbar. So berichten Kinderpsychologen von langen Wartelisten. Es geht bei einer Impfung eben nicht nur um eine Verhinderung einer Corona-Infektion beim Impfling selbst, sondern um die Wiederherstellung des Alltags, ohne Beschränkungen, ohne Masken, ohne Angst. Voraussetzung dafür ist das Erreichen einer Herdenimmunität.
Eine Stiko, die sich diesen Argumenten verschließt, wird viele Jugendliche und deren Eltern ratlos zurücklassen und damit die Impfbereitschaft untergraben. Das ist fatal. Spätestens dann ist eine umfassende Informationskampagne der Regierung nötig, um die Betroffenen über die Vorteile einer Impfung aufzuklären.