Aufwind für Merz, Abwind für Lindner
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Der Spitzenkandidat der Berliner CDU, Kai Wegner (l.), und CDU-Bundesvorsitzender Friedrich Merz reichen sich bei der Wahlveranstaltung der CDU vor der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus die Hände.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa
Berlin. Für CDU-Generalsekretär Mario Czaja war das fraglos ein traumhafter Abend. Der Mann aus dem Osten Berlins musste die erste Hochrechnung am Sonntagabend gar nicht mehr abwarten. Schon nach der ersten Wahlprognose konnte er sagen: „Berlin kann feiern. Das ist ein guter Tag für Berlin. Wir sind seit einem Vierteljahrhundert wieder stärkste Kraft.“ Außerdem konnte er von einer Gemeinschaftsleistung sprechen, sich also auch selbst loben und seinen Chef, den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz.
So unklar ist und noch eine Weile bleiben wird, wer Berlin regiert: Eines steht fest – nämlich dass es bundespolitisch einen großen Gewinner gibt, die CDU, und einen großen Verlierer, die FDP. Die ebenfalls gebeutelte SPD könnte noch mit einem blauen Auge davonkommen.
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Wahlergebnis auch gut für Merz
Für die Bundes-CDU zählt das Wahlresultat doppelt. Denn die Berliner Christdemokraten hatten in den letzten Jahren ein bisweilen jämmerliches Bild abgegeben. Beispielhaft dafür stand 2001 der Berliner Teppichhändler Frank Steffel, der seinerzeit die Spitzenkandidatur an sich zog und dabei das CDU-Schwergewicht Wolfgang Schäuble verdrängte. Steffel nannte im Wahlkampf München „die schönste Stadt Deutschlands“ und lieferte auch sonst manche Peinlichkeit ab. Das Wahlergebnis war entsprechend. Nun ist die Partei, die mit Eberhard Diepgen den letzten Regierenden Bürgermeister stellte, plötzlich wieder da. Und das in einer Großstadt, einem für Christdemokraten eher schwierigen Terrain.
Dies ist auch für Parteichef Merz eine sehr gute Nachricht. Der Sauerländer war zuletzt parteiintern vermehrt in die Kritik geraten, unter anderem, weil er nach den Silvesterkrawallen mit Blick auf die Kinder von Menschen mit Migrationshintergrund von „kleinen Paschas“ gesprochen hatte. Das hat offenbar nicht geschadet. Merz hat jedenfalls keinen Grund, auf Abstand zum Berliner Spitzenkandidaten Kai Wegner zu gehen, wie er das mit dem kläglich gescheiterten saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans noch getan hatte. Im Gegenteil, Merz und Wegner dürften bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am Montag gleichermaßen stolz auftreten.
FDP unter Profilierungsdruck
Das lässt sich vom FDP-Vorsitzenden Christian Lindner und dem liberalen Berliner Spitzenkandidaten Sebastian Czaja nicht sagen. Erneut verpasst die FDP den Einzug in ein Landesparlament. Dies wird nicht allein Fragen und womöglich Kritik an Lindner nach sich ziehen. Es dürfte auch das ja ohnehin nicht besonders gedeihliche Miteinander in der Ampelkoalition weiter belasten. Die FDP steht stärker denn je unter Profilierungsdruck. Ihre Kompromissbereitschaft gegenüber SPD und Grünen wird das nicht erhöhen – etwa was die umstrittene Planungsbeschleunigung für Autobahnen betrifft.
Während sich die Grünen gegenüber dem letzten Urnengang in etwa behaupten konnten, sieht es für die Sozialdemokraten schlecht aus – wenngleich auch nicht aussichtslos. Die SPD hat zwar nur geringfügig verloren. Freilich liegt sie jetzt mit den Grünen gleichauf – und fast 10 Prozentpunkte hinter der CDU.
Schlechte Stimmung bei der SPD
Anders als sein CDU-Kollege Czaja war SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, ebenfalls ein Berliner, denn auch alles andere als gut gelaunt. „Wir möchten, dass Franziska Giffey weiterhin Regierende Bürgermeisterin sein kann“, sagte er am frühen Abend, als noch offen war, ob die SPD vor den Grünen liegen würde oder nicht. Die Betonung lag auf: sein kann. Auf die Frage nach einer möglichen Regierungsbildung gab Kühnert keine eindeutige Antwort. Stattdessen kritisierte er die CDU und sagte, diese habe „keinen Wahlkampf der ausgestreckten Hand geführt, sondern Türen zugemacht“. Das klang schon ziemlich defensiv.
Unabhängig davon, wer am Ende die Geschäfte im Roten Rathaus führt: Neben Kühnert dürften sich weder der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil noch Kanzler Olaf Scholz über das Wahlergebnis freuen. Dass Giffey sich als Regierende Bürgermeisterin behauptet, scheint zumindest zweifelhaft. Und für die nächsten Landtagswahlen in Bayern, Bremen und Hessen sind die Wahlen zum Abgeordnetenhaus in jedem Fall ein schlechtes Omen. Scholz steht überdies vor dem Problem, dass der Ampel noch unruhigere Zeiten bevorstehen – und dass Merz ihm als Unionsfraktionschef und Oppositionsführer noch offensiver begegnen wird als bisher. Alle Ampelparteien haben schließlich Stimmen eingebüßt. Von einem sozialdemokratischen Jahrzehnt, das Scholz prognostiziert hatte, ist nichts zu sehen.
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner: „Berlin hat den Wechsel gewählt“
Die Christdemokraten kommen auf rund 28 Prozent, nach 18,0 Prozent im September 2021.
© Quelle: Reuters
Linken-Fraktionschef zufrieden
Regelrecht entspannt wirkte derweil der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch. Angesichts der Querelen in der Bundespartei mit dem Flügel der einstigen Fraktionschefin Sahra Wagenknecht war befürchtet worden, dass die Linke jetzt auch in ihrer Hochburg Berlin in der Bedeutungslosigkeit verschwinden könnte. Das ist nicht geschehen. Sie liegt deutlich über 10 Prozent.
Deshalb klang Bartsch fast ein bisschen wie CDU-General Czaja. „Angesichts der Gesamtlage ist das für uns ein sehr gutes Ergebnis“, sagte der Fraktionsvorsitzende, der in der Spitze der Berliner Linken ziemlich unbeliebt ist, weil er für deren Geschmack stets zu lax gegenüber Wagenknecht auftritt. Bartsch fuhr ungeachtet dessen fort: „Das ist ein Zeichen in das Land: Die Linke ist wieder da.“