„Wer von der ‚Klima-RAF‘ spricht, will friedliche Demonstranten wegsperren“
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Ein Klimaaktivist der „Letzten Generation“ hat sich in München auf die Fahrbahn geklebt.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
Berlin. Dietmar Till ist Professor für Allgemeine Rhetorik in Tübingen und Propagandaforscher. Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) hat mit Till darüber gesprochen, wie er die Debatte um die „Klima-RAF“ einschätzt.
Herr Till, mit Blick auf die Klimaproteste der „Letzten Generation“ ist der Begriff der „Klima-RAF“ aufgetaucht. Viele halten den für maßlos übertrieben, einige weisen aber darauf hin, dass auch die „Rote Armee Fraktion“ in den 1970er-Jahren ihren Terror nicht mit Entführungen und Morden begonnen hat. Wie ordnen Sie als Rhetorikforscher diese ganze Debatte ein?
Mich interessiert: Wer bringt den Begriff in Umlauf und warum? Das waren vor allem konservative Politiker von CDU und CSU. Ich denke, es geht ihnen darum, politische Handlungen zu legitimieren.
Wie meinen Sie das?
Es funktioniert nach dem Modell „wehret den Anfängen“. Es wird eine historische Parallele konstruiert, um letztlich dafür zu argumentieren, Klimaaktivisten ins Gefängnis zu stecken. Das sehen wir in Bayern, aber es wurde von dem CDU-Politiker Christoph Ploß auch schon für die ganze Republik ins Gespräch gebracht.
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Dietmar Till ist Professor für Allgemeine Rhetorik in Tübingen. Er ist Experte für Theorie und Geschichte der Rhetorik. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Propagandaforschung, das Verhältnis von Ästhetik und Poetik sowie Erzählforschung.
© Quelle: Valentin Marquardt
Es geht also darum, mit Rhetorik eine restriktive Politik vorzubereiten?
Ja, das Verbreiten solcher Begriffe bereitet staatliches Handeln vor, wie wir es in Bayern sehen. Wer von der „Klima-RAF“ spricht, will friedliche Demonstranten wegsperren. Im Bund spielt es sicher eine Rolle, dass die Opposition die Regierung vor sich her treiben möchte. Dabei ist es ja eine kühne Parallele, die Klimaaktivisten sind alles andere als gewalttätig.
Wer von der ‚Klima-RAF‘ spricht, will friedliche Demonstranten wegsperren. Im Bund spielt es sicher eine Rolle, dass die Opposition die Regierung vor sich her treiben möchte. Dabei ist es ja eine kühne Parallele, die Klimaaktivisten sind alles andere als gewalttätig.
Dietmar Till, Rhetorik-Professor aus Tübingen
Warum verfängt das gerade jetzt? Auch in der Vergangenheit wurden Parallelen zwischen der RAF und den Klimaaktivisten gezogen.
Das hängt mit der aktuellen Dichte der Aktionen zusammen. Hinzu kommt der Fall der Berliner Radfahrerin, die unter den Lkw geraten ist und bei deren Rettung ein Hilfsfahrzeug möglicherweise als Folge der Proteste nicht rechtzeitig am Unfallort angekommen ist.
Es geht also darum, die viele Aufmerksamkeit, die die Proteste erzeugen, gegen die Aktivisten zu drehen?
Ja, auf jeden Fall. Mich erinnert das an die frühen 80er-Jahre. Da war ich Teenager. Ich habe die Bilder im Fernsehen noch vor Augen, wie in Wackersdorf mit Wasserwerfern gegen Anti-AKW-Demonstranten vorgegangen wurde. Das war Gewalt gegen friedliche Leute. Ähnliches sehen wir jetzt: Es ist das gleiche Schema. Es geht den Konservativen darum, hart durchzugreifen und die Artikulation von Protest zu verhindern. Dafür braucht man eine Begründung – gerne auch eine hoch spekulative Zukunftsvision von der „Klima-RAF“. Das halte ich für problematisch und letztlich auch undemokratisch.
Till: „Klima-RAF“ ist eine populistische Zuspitzung, die die Wirklichkeit verzerrt
Ist es schon Propaganda, von der „Klima-RAF“ zu sprechen?
Ich bin da vorsichtig. Es hat Nähe zur Propaganda, aber ich würde es eigentlich nicht so nennen. Ich würde eher Sachen Propaganda nennen, die in totalitären Staaten passieren. Aber es ist auf jeden Fall eine populistische Zuspitzung, die die Wirklichkeit verzerrt.
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Klima-Check
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Wie kann man sich gegen solchen Populismus wehren?
Die Klimabewegung sollte viel stärker die Friedlichkeit der Proteste betonen. Es gibt ja bei den meisten Protesten unglaublich viele Sicherheitsmaßnahmen in Absprache mit der Polizei. Das ist groß vorbereitet, meistens auch, dass sich der Verkehr nicht staut. Aber dieser Aspekt wird nicht ausreichend kommuniziert.
Was würden Sie den Demonstranten raten?
Es gibt noch ein viel grundsätzlicheres Problem. Die Leute fragen sich doch: Warum kleben die sich ausgerechnet an die Straße oder an ein Kunstwerk? Es gibt keine starke symbolische Verbindung zwischen dem Protest und dem Klimawandel. Das hat Greenpeace zum Beispiel besser gemacht: Die haben auf hoher See vor Walfangschiffen gegen Walfang protestiert. Da ist die Botschaft klar, damit kann man sich identifizieren. Beim Klimawandel ist das schwieriger und die Klimabewegung hat da noch keine passende Protestform gefunden.