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Russlands Krieg in der Ukraine

Vom Journalisten zum Soldaten – Andrii Bashtovyi postet von der Front

Ukrainische Soldaten bewegen sich auf einer Straße im befreiten Gebiet in der Region Charkiw (Symbolbild).

Ukrainische Soldaten bewegen sich auf einer Straße im befreiten Gebiet in der Region Charkiw (Symbolbild).

Kiew. Die Ukraine ist seit mehr als einem halben Jahr im Krieg. Der russische Überfall hat viele Menschen dazu gezwungen, ihren Beruf aufzugeben und entweder zu fliehen oder zu kämpfen. Auch das Leben des Journalisten Andrii Bashtovyi wurde auf den Kopf gestellt. Bashtovyi ist Chefredakteur von „The Village“, einem ukrainischen Nachrichtenportal.

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Wer sich auf seinem Instagram-Profil umschaut, kann eine bemerkenswerte Geschichte sehen. Weit unten sieht die Seite relativ normal aus: Reels aus dem Urlaub, Bilder seines Hundes, Porträts und Fotos mit Freunden.

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„Frühling“ steht in der Beschreibung eines Posts vom 26. Februar 2021, ein Jahr vor Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine. Eine gelbe Straßenbahn in der westukrainischen Stadt Lwiw – kaum etwas könnte mehr aussehen wie eine typische Szene in dem sozialen Netzwerk.

So unverfänglich geht es zunächst weiter: Ein Selfie mit einem Freund, sommerliche Bilder und noch mehr Hundecontent. „Hipster-Instagram“, wie Bashtovyi am 7. April 2021 selbst schreibt. Dazu ein Selfie, auf dem er einen Kamm in seinen Bart gesteckt hat.

Ein Selfie zu Kriegsbeginn

Am 27. Februar, drei Tage nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, kommt schließlich der erste Hinweis auf den Krieg. Der Journalist postet ein Selfie, auf dem er seine Zunge zeigt. Dazu die Bildunterschrift: „Unsere Truppen schützen uns.“

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Am selben Tag schließlich eine weiße Kachel mit nur zwei Wörtern: „Wir leben.“

Es ist eine Hoffnung, wie aus der Bildbeschreibung deutlich wird. „Jetzt erwarte ich in jedem Chat am meisten diese beiden Worte“, heißt es dort.

Zeugnisse eines Krieges

Bashtovyi macht mit seiner journalistischen Arbeit weiter – unter anderen Umständen. Er fotografiert etwa eine 75-jährige Frau vor einem zerstörten Wohnhaus für die britische Zeitung „Guardian“. Er postet auch Porträts von Geflüchteten, wie von der 82 Jahre alten Albina Abramivna, die im März aus Mariupol nach Dnipro floh. Auch Porträts von ukrainischen Soldaten sind dabei. Jede Bildbeschreibung erzählt eine kleine Geschichte. „Der Krieg wird bald vorbei sein“, heißt es in einem Post vom 31. März.

Am 4. April folgen Bilder von Kriegsverbrechen. Bashtovyi hat ein Massengrab im Ort Butscha fotografiert. Leichen liegen in schwarze Plastiksäcke eingehüllt auf einem Haufen. Am selben Tag ein Bild eines getöteten alten Mannes in Butscha. „Wir haben jetzt keine Wahl – entweder gewinnen wir oder wir werden nicht existieren“, schreibt Bashtovyi dazu.

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Ein Porträt reiht sich an das nächste. Immer wieder erzählt Bashtovyi die Geschichte der Menschen. Die Gräuel des von Russland begangenen Krieges werden spürbar. Die Bilder zeigen die Zerstörung und das menschliche Leid.

„Falls ihr vergessen habt, wie süß ich bin“

Am 24. Mai, zwei Monate nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, tauchen schließlich wieder Bilder von Bashtovyi selbst auf.

„Falls ihr vergessen habt, wie süß ich bin“, steht in der Beschreibung des Posts.

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Am 4. Juli schließlich der erste Hinweis, dass auch Bashtovyi selbst am Krieg teilnimmt. Er posiert erneut mit herausgestreckter Zunge und einem olivgrünen T‑Shirt in der Sonne. „Wie geht es euch, Kätzchen?“, schreibt er zu seinen Followern unter dem Bild. „Was gibt es Neues?“

„Frische Luft ist gut für die Gesundheit“, heißt es schließlich unter einem Video vom 16. Juli. Bashtovyi hat inzwischen eine ganze Kampfmontur an. Grüne Uniform, Flecktarn-Sonnenhut und ein grünes Halstuch, dass er sich über das Gesicht gezogen hat.

Selfievideo auf einem Panzer

Einen Monat später, am 18. August, postet Bashtovyi ein Video. Die Musik „Secrets of the American Gods“ von Blind Guardian dröhnt unter dem Video.

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„Das war der Moment, als ich ein Selfie aufnehmen wollte und das Fahrzeug sich begann zu bewegen“, steht in der Bildunterschrift. Bashtovyi sitzt, bewaffnet mit einem Gewehr und gekleidet in eine Soldaten-Uniform, auf einem gepanzerten Fahrzeug und fährt mit Kameraden über ein Feld. „Ich kann es immer noch nicht glauben, von so wunderbaren Menschen umgeben zu sein.“

„Dead Silence“ – mit Humor durch den Krieg

Das Foto eines Gewehres nach einem „langen Arbeitstag“, ein fröhliches Video auf einem fahrenden Panzer – Bashtovyi gibt Einblick in seinen Alltag als Soldat, der vorher Journalist war und es irgendwie geblieben ist. Am Montag postet Bashtovyi schließlich ein Video von zerstörtem Kriegsgerät, offenbar aus Russland.

Unter dem Video liegt die Musik „Dead Silence“ von Billy Talent. Aufgenommen offenbar im ukrainischen Ort Isjum, der jüngst von ukrainischen Truppen befreit wurde.

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In einer Großoffensive kämpft die Ukraine seit etwa einer Woche verstärkt gegen die russischen Truppen, vor allem im Osten des Landes. Dabei konnte die Ukraine viele Geländegewinne verzeichnen. Russland spricht von einer „strategischen Umgruppierung“, während die Ukraine meldet, dass sich die Truppen des Kremls inzwischen sogar aus der Region Luhansk zurückziehen.

Der Journalist und Neusoldat Andrii Bashtovyi wird wohl weiterhin die Tage des Krieges dokumentieren. Seinen Posts nach zu urteilen hat er seinen Humor bislang nicht verloren.

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