Sozialverband: Staat sollte Stromkosten für Hartz‑IV-Empfänger übernehmen
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Die hohen Energiepreise treiben bundesweit Menschen auf die Straße: Hier am Wochenende in Düsseldorf.
© Quelle: IMAGO/Michael Gstettenbauer
Berlin. In der Debatte um Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger von den hohen Energiepreisen drängt der Paritätische Wohlfahrtsverband auf eine Übernahme der Stromkosten für Hartz-IV-Empfänger durch den Staat: „Es ist dringend geboten, dass die Stromkosten von Grundsicherungsbeziehern dauerhaft als Teil der Wohnkosten vom Amt übernommen werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Die tatsächlichen Stromkosten bei einem Singlehaushalt liegen mittlerweile bei mehr als 70 Euro im Monat, während im Regelsatz nur etwa 35 Euro veranschlagt sind“, mahnte er. „Das ist für viele Leistungsbezieher ein Riesenproblem.“
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© Quelle: dpa
Für Diskussionen sorgte auch der Vorstoß der FDP, Sparanreize zu setzen, indem die Heizkostenübernahme beim künftigen Bürgergeld in den ersten zwei Jahren begrenzt wird. Man müsse „klarstellen, dass die Heizkosten angemessen sein müssen“, hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Johannes Vogel, der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt: „Es muss ausgeschlossen werden, dass jemand während der Energiekrise heizt, ohne aufs Sparen zu achten.“
Die anderen Ampelfraktionen wollten den Vorstoß auf RND-Anfrage am Montag unter Verweis auf laufende Gespräche nicht kommentieren.
Hintergrund der Forderung ist, dass beim Bürgergeld zwei Jahre lang die Wohnungsgröße nicht geprüft wird. In der Theorie könnte jemand mit einer großen Wohnung und hohem Energieverbrauch die Heizkosten komplett bezahlt bekommen. Im aktuellen Hartz-IV-System werden die Heizkosten, die „angemessen“ sind, übernommen.
Deckelung der Heizkostenübernahme
Der Paritätische Wohlfahrtsverband lehnte die Forderung von Vogel ab: „Die im Bürgergeld vorgesehene Aussetzung der Prüfung der Wohnung halte ich für richtig“, sagte Schneider dem RND. „Die Bundesregierung sollte diese Zweijahresfrist umsetzen: Das bedeutet auch, dass die Heizkosten unabhängig von der Größe der Wohnung übernommen werden müssen.“
Zur Frage, wann die Preisdeckel wirksam werden, hatte sich am Montag abgezeichnet, dass zumindest die Gaspreisbremse trotz aller Bemühungen wohl nicht auf Januar vorgezogen werden kann.
Zwar betonten Politik, Fachleute und Energieversorgungsunternehmen, auf Hochtouren daran zu arbeiten, den Gaspreis für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen möglichst schnell zu begrenzen – und konnten allein dadurch erste Erfolge aufweisen: An den Preisbörsen sank der Preis für europäisches Erdgas an diesem Montag auf den tiefsten Stand seit Juni. Neben den derzeit milden Temperaturen nannten die Händler als Grund auch die politischen Bemühungen für eine Gaspreisbremse.
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Doch die schlechte Nachricht bleibt: Trotz der jüngsten Entspannung bleiben die europäischen Gaspreise stattlich, nämlich etwa fünfmal so hoch wie vor zwei Jahren. Entsprechend groß ist der Druck auf die Bundesregierung und die Versorgungsunternehmen, die Preisbremse scharfzustellen. Am Montag betonte auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit noch einmal, dass der Bundeskanzler vom „Wunsch, eine sehr schnell wirksame Gaspreisbremse zu installieren“, getrieben sei.
Das von der Regierungskommission erstellte Modell sieht vor, dann für ein Grundkontingent des Gasverbrauchs einen Preisdeckel für Verbraucherinnen und Verbraucher zu garantieren. Wird es teurer, übernimmt für dieses Kontingent der Staat die Differenz. Klares zeitliches Ziel der Bundesregierung: „So schnell wie möglich“, so Hebestreit. Am Wochenende hatte Olaf Scholz sich deshalb offen für ein Vorziehen der Bremse vom derzeit geplanten Start im März auf Januar gezeigt.
So hatten es zuletzt neben der Opposition auch die Ministerpräsidenten der Länder gefordert. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach am Wochenende von seinem Ziel, „die Entlastung beim Strompreis in jedem Fall spätestens im Januar einsetzen“ zu lassen. Und weil derzeit die Expertinnen und Experten von Kanzleramt, Finanzministerium und Wirtschaftsministerium ja daran arbeiten, die Strom- und Gaspreisbremse in einem Aufwasch umzusetzen, keimte da die Hoffnung auf, auch die Gaspreise könnten schon nach Silvester gedeckelt werden.
Allein: Es sieht derzeit nicht danach aus. Die technische, organisatorische und juristische Umsetzung sei zu schwierig, betonen alle Beteiligten. „Viele Versorgungsunternehmen haben gesagt, so schnell kriegen sie das nicht hin“, erklärte Hebestreit am Montag.
Gaspreiskommission sieht Vorziehen skeptisch
Habeck hatte noch Spielraum für die Versorger gesehen: „Ich bin sicher, dass sie mit Hochdruck prüfen, ob da noch was geht.“ Auch Hebestreit räumte ein, dass einzelne der Firmen inzwischen erklärten, sie könnten ihr Abrechnungswesen schneller als bis zum März umstellen. Man sei aber dagegen, die Kundinnen und Kunden einzelner Unternehmen vorzuziehen: „Sonst würde es doch sehr große Ungerechtigkeiten geben.“
Vor einer erneuten Befassung der Gaskommission mit dem Problem hatte deren Mitglied Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BCE, bereits im Deutschlandfunk bezweifelt, dass die Gaspreisbremse für Privatkundinnen und -kunden vorgezogen werden könne. Gerade deshalb sei ja zur schnellen Entlastung die Übernahme der Dezemberrechnung für Privathaushalte durch den Staat vorgesehen.