Respekt und Gerechtigkeit muss die Scholz-SPD noch einlösen
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Olaf Scholz, Bundeskanzler, spricht im Rahmen eines SPD-Bundesparteitages.
© Quelle: picture alliance / photothek
Die SPD ist altehrwürdig. Sie ist – verwurzelt in der Arbeiterbewegung von Ferdinand Lasalle – mit 160 Jahren die älteste demokratische Partei Deutschlands. Zu ihren historischen Wegmarken zählt, dass sie als einzige Kraft 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz und damit gegen Adolf Hitler gestimmt hat. Ernst Reuter, Kurt Schumacher, Willy Brandt, Helmut Schmidt waren prägende Ausnahmeerscheinungen für das ganze Land. Berühmte Frauen hat die SPD weniger vorzuweisen. In Erinnerung bleibt das Wirken von Clara Zetkin, Annemarie Renger und Regine Hildebrandt.
Für die Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz ist schon fast Halbzeit und es drängt sich die Frage auf, ob die Sozialdemokratische Partei Deutschlands eine Volkspartei bleiben wird. Dabei ist es nur ein Problem von vielen, dass sie schon deshalb kaum noch als Partei der Arbeiter durchgehen kann, weil der Anteil der Arbeiterinnen und Arbeiter an den Erwerbstätigen nur noch knapp über 10 Prozent liegt.
Scholz hat Führung versprochen – liefert aber nicht
Im Moment hätte die Regierung Erhebungen zufolge keine Mehrheit mehr im Bund, die SPD läge knapp vor der AfD und weit hinter der Union. Auch wenn Parteien behaupten, sie schauten nicht auf Umfragen, muss ein solches Tief die Spitzenkräfte zutiefst beunruhigen. Scholz hat früh gesagt, dass er die rot-grün-gelbe Koalition gern über die nächste Wahl 2025 hinaus anführen würde. Doch die dafür nötige Führung lässt er vermissen.
Es fällt ihm schwer, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die beide keine Erfahrung als Bundeskabinettsmitglieder hatten, im Sinne einer erfolgreichen Zusammenarbeit zu steuern. Es ist ein Fehler, dass er Lindner den Verzicht auf Eckwerte für den Haushalt 2024 hat durchgehen lassen. Einzelkämpfe mit den Ressortchefinnen- und -chefs werden so befördert. Das Bild einer zerstrittenen Koalition in internationalen Krisenzeiten verunsichert Menschen zusätzlich. Sie haben mit der Sorge um eine Eskalation des russischen Kriegs gegen die Ukraine schon genug zu tun. Nicht nur die Regierungsparteien.
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Gerechtigkeit und Respekt oder nur hohle Phrasen?
Bürgerinnen und Bürgern wurde mit Habecks Gebäudeenergiegesetz derart große Angst um ihre finanzielle Zukunft eingejagt, dass ihr Verständnis für den nötigen Klimaschutz automatisch leidet. Und je länger eine klare und sozial gerechte Umsetzung auf sich warten lässt, desto mehr Irritation wird auch an Scholz kleben bleiben. Wenn der Eindruck entsteht, dass sich auch Klimaschutz nur die Reichen leisten können, werden die Versprechen der SPD zu mehr Gerechtigkeit und Respekt wie hohle Phrasen klingen. Das ist für den ohnehin schwierigen gesellschaftlichen Zusammenhalt und mit einer manipulativen, aggressiven AfD eine echte Gefahr.
Die SPD ist wahrlich nicht für alle Miseren alleinverantwortlich. Digitalisierung, Pflege, Klimaschutz, Bahn, Brücken, Schulen, Krankenhäuser sind schon lange vernachlässigt worden. Aber die SPD ist seit 1998 mit einer kurzen Unterbrechung von 2009 bis 2013 an der Regierung. Und auch unter Scholz gibt es keinen großen Wurf in der Pflege, es herrscht Lehrermangel, und die Bahn fährt auch nicht besser.
Ein großes Pfund hat die Partei aber. Saskia Esken war anfangs als Konkurrentin von Scholz um den Parteivorsitz belächelt worden. Sie hat es in einer Doppelspitze maßgeblich geschafft, die streitsüchtige SPD zur Ruhe zu bringen. Ihr Co-Chef Lars Klingbeil lässt auch andere glänzen und wirkt in die Partei hinein. Und Rolf Mützenich als Fraktionsvorsitzender und Katja Mast als Parlamentarische Geschäftsführerin halten ebenso uneitel die SPD-Bundestagsabgeordneten zusammen. Mit Scholz bilden sie alle ein Team. Das ist neu in der SPD. Und das ist vielleicht ihre größte Chance für Erfolg auch nach 160 Jahren.