China und Russland – eine Partnerschaft auf brüchigem Fundament
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Russlands Präsident Wladimir Putin (links) und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping im September 2022 beim Gipfel in Samarkand.
© Quelle: Sergei Bobylev/Pool Sputnik Krem
Es sind zwei Staaten der Superlative: Der eine ist der größte Flächenstaat der Erde, der andere das Land mit den meisten Einwohnerinnen und Einwohnern. Gemein haben Russland und China noch, dass sie sich den Großteil der asiatischen Landmasse teilen, in ihrer jüngsten Geschichte jahrzehntelang durch eine marxistische Einparteiendiktatur regiert wurden (China bis heute) und zudem mit 4209 Kilometern durch eine der längsten Landgrenzen weltweit geteilt sind.
All das sind genug Voraussetzungen – zwischen Partnerschaft und Feindschaft – die zumindest ein intensives Miteinander bedingen.
+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++
Dass jetzt der chinesische Spitzendiplomat Wang Yi nach dem Besuch der Münchener Sicherheitskonferenz in Moskau mit warmen Worten eine Vertiefung der „sowohl politischen als auch strategischen Kooperation“ mit Moskau versprach, sogar von „neuen Meilensteinen“ war die Rede, nährt im Westen Befürchtungen vor einem Bündnis der beiden Großmächte.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow genoss es, die Spekulationen durch solch nebulöse Andeutungen anzuheizen, wie: Die Vertreter Chinas hätten „uns ihre Gedanken über die Grundursachen der Ukraine-Krise sowie ihre Ansätze für ihre politische Lösung“ mitgeteilt. Das kann alles bedeuten – von der Vorlage eines ominösen Friedensplans, von dem Wang Yi zuvor in München gesprochen hatte, bis zu den von den USA befürchteten Waffenlieferungen.
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Sowjetische Soldaten mit Waffen und einem Sprechfunkgerät auf Patrouille im März 1969 im Grenzgebiet zu China am Fluss Ussuri. Am 2. März 1969 kam es dort zu einem mehrtägigen Feuergefecht zwischen sowjetischen und chinesischen Truppen mit zahlreichen Toten und Verletzten.
© Quelle: picture-alliance / dpa
Der Blick zurück macht deutlich, dass China und Russland in den vergangenen 100 Jahren überwiegend Gegner, eine Zeit lang sogar Feinde waren. Auf dem Höhepunkt der Spannungen zwischen beiden kommunistischen Staaten kam es 1969 sogar zu bewaffneten Zusammenstößen am Grenzfluss Ussuri, um Haaresbreite schrammte die Welt damals an einem Krieg der Superlative vorbei. Dabei hatten die beiden kommunistischen Staaten noch im Korea-Krieg (1950 bis 1953) gemeinsam aktiv das kommunistische Nordkorea gegen das mit dem Westen verbündete Südkorea unterstützt. Mit Folgen, die die Welt noch heute in der Gestalt von Kim Jong-Uns „Raketendiktatur“ beschäftigen.
Verfeindete Ideologien
Doch die überwiegende Zeit waren die Ideologen in Moskau und Peking einander spinnefeind, was letztendlich auch 1972 zu einer Annäherung Chinas und der USA geführt hatte.
„Auch wenn das gegenwärtig nach außen nicht so scheint, so ist das russisch-chinesische Verhältnis kompliziert und gegenwärtig ausschließlich von strategischen Interessen geprägt“, erklärt Klaus Mühlhahn, Wissenschaftler am Lehrstuhl für moderne China-Studien und Präsident der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. „Grundlage ihrer Zusammenarbeit ist meiner Meinung nach in der aktuellen geopolitischen Situation ihre gemeinsame Gegnerschaft zum Westen, vor allem zu den USA“, so Mühlhahn zum Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
China hat vor allem kein Interesse an einer totalen Niederlage oder einer Destabilisierung Russlands.
Klaus Mühlhahn,
Sinologe
„Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat China vor allem kein Interesse an einer totalen Niederlage oder einer Destabilisierung Russlands“, so Mühlhahn. „Ein Regimewechsel, gar ein Sturz Putins und des autokratischen Systems, in dessen Folge eventuell andere Staaten an der langen Landgrenze Chinas zu Russland entstehen, wären ein Albtraum für China“, ist der Sinologe überzeugt.
„Im Falle eines Kollabierens Russlands muss China nicht nur befürchten, den Zugang zu wichtigen Energieressourcen zu verlieren. Ein gescheiterter Staat in unmittelbarer Nachbarschaft brächte auch enorme Unruhe, Unsicherheit und übergreifende Konflikte auch unter in China lebenden Minderheiten wie Kasachen, Mongolen und Kirgisen“, so Mühlhahn.
Die Friedensinitiative als Falle
Mühlhahn geht nicht davon aus, dass Xi Jinpings Friedensinitiative geeignet ist, das Blutvergießen in Osteuropa tatsächlich zu beenden: „Da lauert eine Falle, denn Präsident Xi Jinping denkt strategisch. Eine solche Initiative ist ein Ass in seinem Ärmel, mit der er vor allem auf die Länder in Lateinamerika, in Asien und Afrika zielt. Von ihnen erhofft er sich Zustimmung zu einem solchen Plan, den der Westen und die Ukraine nie annehmen würden, zumal wenn er territoriale Zugeständnisse beinhaltet“, ist Klaus Mühlhahn überzeugt.
Jahrestag des Kriegsbeginns: Selenskyj verspricht Sieg der Ukraine
Am 24. Februar 2022 ist Russland in die Ukraine einmarschiert. Genau ein Jahr danach gibt der ukrainische Präsident Selenskyj einen Ausblick auf 2023.
© Quelle: dpa
In einer Analyse auf dem Newsportal von CNN analysierte Stephen Collins, dass China ein Interesse daran habe, den Krieg in die Länge zu ziehen – auch durch Waffenlieferungen an Russland. Weil dieser Krieg einerseits die USA und ihre militärischen Ressourcen von Chinas Ambitionen in Asien (Taiwan) ablenkt – und weil andererseits langfristig die Möglichkeit einer Spaltung innerhalb des westlichen Lagers besteht.
Die fast schon zwangsläufige Zurückweisung einer solchen Initiative durch den Westen wäre dann für Peking eine Legitimation, Waffen an Russland zu liefern.
Klaus Mühlhahn,
Sinologe
Ganz grundsätzlich werde im Westen leichtfertig übersehen, dass China seine Aktivitäten derzeit jenseits des Ukraine-Konflikts ziemlich erfolgreich auf die Schwellenländer fokussiere, sagt Mühlhahn: „Eine chinesische Friedensinitiative würde dort Zustimmung finden und die Front der Russland-Kritiker schwächen. Die fast schon zwangsläufige Zurückweisung einer solchen Initiative durch den Westen wäre dann für Peking eine Legitimation, Waffen an Russland zu liefern.“
Eine rote Linie
Linda Thomas-Greenfield, US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, hatte am Sonntag gewarnt, ein solcher Schritt sei die rote Linie, die nicht überschritten werden dürfe – ohne zu präzisieren, welche Folgen das für Peking haben könnte. Auch der Sinologe Mühlhahn ist überzeugt, dass Peking das nicht offen machen würde, weil die Wirtschaftsbeziehungen zum Westen zu wichtig seien.
Jeder Versuch Chinas, Waffen an Russland zu liefern, würde das strategische Gleichgewicht auf dem Schlachtfeld kaum verändern.
Stephen Collins,
CNN-Analyst
„Jeder Versuch Chinas, Waffen an Russland zu liefern, würde das strategische Gleichgewicht auf dem Schlachtfeld kaum verändern – aber es würde eine ernsthafte und feindselige Front wischen den USA und China eröffnen“, schreibt Collins auf CNN.
Tatsächlich hat China viel zu verlieren – und sieht sich im ungleichen Schulterschluss mit Russland in einer viel stärkeren Position als der Kreml. Es will eine Implosion Russlands vermeiden, noch mehr fürchtet es aber, seine wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahrzehnte, die es maßgeblich dem freien Welthandel verdankt, aufs Spiel zu setzen. Sanktionen des Westens will Peking in jedem Fall vermeiden.