Streit um Regierungsneubauten – Union schlägt preiswertere Lösung für Kanzleramt vor
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Bagger bereiten die Baustelle für den Erweiterungsbau des Bundeskanzleramts vor. Auf der gegenüberliegenden Spreeseite des bisherigen Bundeskanzleramtes sollen neue Büroräume entstehen.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Christian Lindner ist niemand, der gern etwas auf sich sitzen lässt. Im Gegenteil: Fühlt sich der Bundesfinanzminister angegriffen, dann schlägt er zurück – und zwar gern auch spitz und zuweilen etwas hinterhältig. Jüngstes Beispiel: Der Streit um den 800 Millionen Euro teuren Erweiterungsbau für das Kanzleramt. Am Dienstag läutete der FDP-Chef eine neue Runde in der Auseinandersetzung ein, die man eine Posse nennen könnte, würde es nicht um Steuergelder und den Zustand der Ampelkoalition gehen
Was ist passiert? In der vergangenen Woche hatte Lindner in einer TV-Talksendung, bei der es um den andauernden Haushaltsstreit in der Ampel ging, den schon seit Jahren geplanten Ausbau der Regierungszentrale in Berlins Mitte als entbehrlich bezeichnet. In Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten könne man darauf doch wohl verzichten, forderte er und fügte mit Blick auf den Hausherrn, Kanzler Olaf Scholz (SPD), süffisant hinzu: „Ich glaube, der wird missvergnügt sein, dass ich das jetzt hier vorgeschlagen habe.“
Scholz: Stopp würde 100 Millionen Euro kosten
So kam es dann auch. Scholz ließ umgehend erklären, wegen der „speziellen Arbeitsabläufe in einer Regierungszentrale und aufgrund von Geheimhaltungsvorschriften“ sei vielfach Arbeit in Präsenz erforderlich, weshalb der Neubau erforderlich sei. Im Übrigen würde ein Stopp etwa 100 Millionen Euro kosten. Zugleich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass nicht mit Steinen werfen solle, wer selbst im Glashaus sitze: Denn auch für das Bundesfinanzministerium ist ein Erweiterungsbau geplant. Kostenpunkt: 500 Millionen Euro.
Das wiederum konterte Lindner: Am Dienstag verkündete er, diese Neubaupläne „infrage zu stellen“. Und er verband das mit einem Seitenhieb auf die bisher in Sachen Wohnungsbau nicht sonderlich erfolgreiche Bundesbauministerin Klara Geywitz von der SPD. Denn Lindner kündigte an, stattdessen zu prüfen, „ob hier nicht Wohnraum geschaffen werden kann.“
Dass Lindner damit und mit einem Verzicht auf das Kanzleramts-Projekt nicht seine akuten Haushaltsprobleme lösen kann, weiß der Minister selbst. Schließlich sind die Baukosten gemessen an der für 2024 noch bestehenden Etatlücke von bis zu 18 Milliarden Euro überschaubar, wobei sie ohnehin erst scheibchenweise in den kommenden Jahren anfallen. Ihm geht es darum, sich – in Abgrenzung insbesondere zu den Grünen – öffentlichkeitswirksam als Hüter solider Staatsfinanzen zu präsentieren. Warum er dabei allerdings den Streit ausgerechnet mit Scholz sucht, der ihn bei Haushalts- und Steuerfragen bisher stets unterstützt hat, darüber wird in der Koalition nun gerätselt.
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Opposition spricht von Protzbauten
Die Opposition freut sich jedenfalls über die Steilvorlagen. „Wir brauchen einen sofortigen Stopp aller geplanten Protzbauten der Bundesregierung“, forderte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und lobte Lindners „späte Kehrtwende“ ausdrücklich. „Wir brauchen bezahlbare Wohnungen für Normalbürger und nicht immer mehr teure Stellen und Büros in den Bundesministerien“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Alternativlos ist in diesen schwierigen Zeiten ein Wort, das man nicht mehr in den Mund nehmen darf“
Christian Haase, CDU
Die Union reagierte vorsichtiger, immerhin wurden die Erweiterungspläne unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel begonnen. Der Haushaltspolitiker Christian Haase (CDU) forderte eine umfassende Überprüfung des Projektes. „Angesichts der schwierigen Haushaltslage ist ein Abbruch der Planungen für die Erweiterung des Bundeskanzleramtes eine Option, die überlegt werden muss“, sagte er dem RND. Er schlug zugleich eine Alternative vor: So werde für die Unterbringung des Bundespräsidialamtes während der geplanten Sanierung von Schloss Bellevue ein neues Bürogebäude in unmittelbarer Nähe zum Kanzleramt gebaut. Das könne nach der Zwischennutzung durch den Bundespräsidenten für das Kanzleramt zur Verfügung stehen. „Alternativlos ist in diesen schwierigen Zeiten ein Wort, das man nicht mehr in den Mund nehmen darf“, so der CDU-Politiker.