Koalitionskrach zwischen FDP und Grünen: Bringt der Donnerstag den Durchbruch?
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Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen und Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP sind sich unter anderem beim Thema Planungsbeschleunigung von Verkehrsprojekten uneinig.
© Quelle: picture alliance / Geisler-Fotopress
In der Kabinettsplanung standen die Gesetzesentwürfe zur Planungsbeschleunigung schon einige Male. Dann verschwanden sie immer wieder von der Tagesordnung. Nun soll der Koalitionsausschuss am Donnerstag die Klärung bringen. Worum geht es?
Die Bundesregierung hatte sich vorgenommen die schnellere Planung, Genehmigung und Realisierung von Bauprojekten gesetzlich zu ermöglichen. Beim Bau von LNG-Terminals hat die Ampel das bereits vorgemacht. Sie wurden in Windeseile errichtet, unter anderem, weil auf Umweltprüfungen verzichtet worden ist. Das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium will dieses Vorgehen nun auch für Projekte aller Verkehrsträger. „Wir Liberale wollen, dass Planungsbeschleunigung für alle Infrastrukturprojekte gleichermaßen angewendet wird“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bernd Reuther, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Man kann es den Menschen doch nicht vermitteln, dass Schienenprojekte priorisiert werden sollen, während Straßenprojekte ewig lange dauern.“
Dass wir beim Autobahnneubau sagen, Klima- und Umweltschutz ist unwichtig, Straßenbau ist wichtiger, das kann nicht sein.
Steffi Lemke (Grüne),
Bundesumweltministerin
Das ist mit den Grünen aber nicht zu machen. Das Bundesumweltministerium unter der Leitung von Ministerin Steffi Lemke (Grüne) will verhindern, dass mit dem Gesetz der Neubau von Autobahnen profitiert und der Natur- und Artenschutz unter die Räder kommt. Lemke sagte jüngst im Deutschlandfunk: „Dass wir beim Autobahnneubau sagen, Klima- und Umweltschutz ist unwichtig, Straßenbau ist wichtiger, das kann nicht sein.“
Seit Monaten zoffen sich beide Parteien über das Thema. Nach RND-Informationen hat es mehrere Gespräche beider Häuser gegeben, auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – jedoch ohne Ergebnisse. Einig sind sich die Koalitionäre lediglich, dass Brücken, Schienenprojekte und Wasserwege profitieren sollen. In den vergangenen Tagen haben sich beide Parteien gleichwohl rhetorisch ein wenig angenähert. So betonte Lemke diese Woche, man könne manche Autobahnprojekte gar nicht mehr stoppen. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck hält es für sinnvoll, Lücken von Autobahnen zu schließen. Ein anderer Ton als vor einigen Wochen.
Die Koalition könnte sich bei den Verhandlungen grundsätzlich auf Engpassbeseitigungen einigen: Im Bundesverkehrswege-Plan sind 144 Engpassprojekte aufgeführt, auf die man sich bei den Verhandlungen womöglich konzentrieren wird. Nach RND-Informationen hat das Verkehrsministerium tatsächlich eine Liste mit prioritären Vorhaben erarbeitet. Dabei geht es dem Vernehmen nach vor allem um Ausbauten und nicht um Neubauten – etwa jeweils eine zusätzliche Fahrspur für jede Richtung auf der A 5 in Höhe Frankfurt am Main. Zur Erinnerung: Bei Neubauten gehen die Grünen nicht mit, bei Ausbauten wohl schon eher. In der Ampel wird zudem immer wieder darauf hingewiesen, dass man sowieso nicht alle Projekte gleichzeitig realisieren könne. Nach dieser Logik müsste man sich also auf die drängendsten Projekte einigen.
Kerstin Haarmann, Vorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs VCD, lehnt eine Beschleunigung von Autobahnprojekten ab: „Wenn die Bundesregierung ihre eigenen Ziele ernst nähme, müsste sie die Infrastruktur für nachhaltige Mobilität ausbauen. Dies hieße, Erhalt und Ausbau des klimafreundlichen Bahnsystems müssten Priorität bekommen bei Investitionen in die Bundesverkehrswege.“ Antje von Broock, Geschäftsführerin der Umweltorganisation BUND, betonte: „Mit dem absurden Vorschlag, den Ausbau von Autobahnen zu beschleunigen, startet die FDP einen weiteren Großangriff auf den Klimaschutz.“
Damit der Standort Deutschland auch zukünftig wettbewerbsfähig bleibt, müssen wir beim Leitungs- und Pipelinebau, bei der Verkehrsinfrastruktur, bei Genehmigungen für Unternehmen besser und schneller werden.
Hendrik Wüst (CDU),
Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen
Ein Kompromiss ist also durchaus eine Option, vor allem, weil alle Koalitionspartner schnelleres Bauen wollen: Immerhin würde mit Verkehrsminister Wissing die Kritik nach Hause gehen, wenn die marode Infrastruktur nicht rasch saniert wird. Und langsames Bauen könnte auch den Ausbau des Schienennetzes, den die Grünen unbedingt wollen, gefährden. Man müsse jetzt „in die Pötte kommen“, sagt ein Abgeordneter.
Mehr Tempo vs. Klimaschutz?
Druck kommt aus den Ländern: Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), forderte die Bundesregierung zu einer schnellen Einigung auf. „Die Ampel hat hier bereits viel Zeit durch internen Streit verschwendet. Nachdem der Bund bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember die Beratungen zu den Vorschlägen der Länder verweigert hat, muss er nun endlich seine Hausaufgaben machen“, sagt Wüst dem RND. „Damit der Standort Deutschland auch zukünftig wettbewerbsfähig bleibt, müssen wir beim Leitungs- und Pipelinebau, bei der Verkehrsinfrastruktur, bei Genehmigungen für Unternehmen besser und schneller werden.“ Das Wind-an-Land-Gesetz des Bundes und der schnelle Start der LNG-Terminals seien gute Vorbilder und hätten gezeigt, wie kluge Planungsbeschleunigung aussieht. „Nicht nur bei LNG-Terminals an der Küste, sondern bei vielen anderen wichtigen Projekten muss gelten: Die Wirtschaftsnation Deutschland braucht deutlich mehr Tempo“, betonte Wüst.
Wie bei früheren Koalitionsausschüssen ist es möglich, dass weitere Streitthemen in die Verhandlungen aufgenommen werden. Dazu zählt etwa der Bundesverkehrswege-Plan, ein Planungsinstrument des Bundes, in dem Bauprojekte für die Straße verankert sind. Die Grünen wollen den aktuellen Plan neu aufschnüren und priorisieren. Die FDP ist davon nicht so begeistert. Auch beim Thema Biosprit befindet sich die Koalition in einer Sackgasse. Das Umweltministerium hat einen Gesetzesentwurf in die Ressortabstimmung gegeben, der die Beimischung von Getreide zu Benzin reduziert. Damit will Lemke die Ernährungssicherheit gewährleisten. Die Liberalen wollen Biosprit aber zur Erreichung der Klimaziele im Verkehr nutzen.
Und dann gibt es da noch das Klimaschutzgesetz, bei dem die FDP eine Anpassung zugunsten des Verkehrssektors erreichen will. Die Liberalen dringen darauf, die Sektorvorgaben, die jeder Bereich von Bau über Verkehr erreichen muss, aufzuweichen mit dem Ziel, eingesparte Emissionen miteinander zu verrechnen. Das könnte es Verkehrsminister Wissing einfacher machen, die Klimaziele zu erreichen. Doch die Grünen stehen auf der Bremse.
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Ein Kuhhandel ist denkbar: Geben die Grünen bei einer Sache nach, fordern sie von der FDP etwas anderes ein. Oder eben andersherum. Ampelkoalitionäre sehen das als Chance. Man könne den Koalitionsausschuss ja dazu nutzen, sich in anderen strittigen Punkten mal anzunähern, heißt es.
Und die SPD? Die guckt bislang vor allem dabei zu, wie sich FDP und Grüne bei diesen Themen beharken. „Wir müssen insgesamt zu einer Beschleunigung kommen“, hielt sich Kanzler Scholz am Mittwoch im Bundestag bedeckt. Zwar forderte die SPD kürzlich eine „Deutschland-Geschwindigkeit“, doch in der SPD-Fraktion gibt es Vorbehalte gegenüber Straßenneubau. Die Grünen glauben, dass die Sozialdemokraten auf ihrer Seite sind. Die FDP ebenfalls.