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Trotz Heizungsstreit und Trauzeugen-Affäre

Warum Robert Habeck ein guter Politiker ist

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Samstagabend in Leipzig.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Samstagabend in Leipzig.

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Für Wirtschaftsminister Robert Habeck gilt derzeit der alte Spruch des Fußball-Nationalspielers Andreas Brehme: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.“ Der Plan, alte Öl- und Gasheizungen ab 2024 durch Heizungen mit erneuerbaren Energien zu ersetzen, bietet ebenso viel Angriffsfläche wie die Tatsache, dass Habecks Staatssekretär Patrick Graichen seinen Trauzeugen Michael Schäfer zum Chef der Deutschen Energie-Agentur machen wollte. Die Gegner des grünen Ministers zielen auf dessen Heizungsplan wie auf seinen Staatssekretär und meinen eigentlich in beiden Fällen: ihn. Das ist eine gefährliche Melange.

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Tatsächlich treffen die Angriffe mit Habeck im Grundsatz den Falschen. Denn er ist ein guter Politiker – so wie Verteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD ein guter Politiker ist oder Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther von der CDU.

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Die drei Politikertypen

Wir haben in Deutschland ja unterschiedliche Politikertypen. Wir haben Wolfgang Kubicki von der FDP oder die einstige Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die weniger durch Gestaltungswillen auffallen als dadurch, andere am Gestalten zu hindern. Sie inszenieren Konflikte als Kulturkampf.

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Wir haben eine zweite Kategorie: die Vorsichtigen. Ihre prominentesten Vertreter sind Altkanzlerin Angela Merkel und deren Nachfolger Olaf Scholz. Sie peilen im Großen wie im Kleinen eine Richtung an, wägen ihr Handeln aber stetig mit den Risiken ab – und rudern bei Bedarf zurück. Das ist nicht verwerflich und für Menschen an der Spitze von Koalitionsregierungen womöglich unerlässlich. Entsteht der Eindruck, sie könnten sich nicht durchsetzen, ist die Macht allerdings schnell futsch.

Habeck verkörpert ein drittes Modell – was seine Anziehungskraft ebenso erklärt wie die Schwierigkeiten, in denen er sich jetzt befindet. Er hat ein Ziel – den Umbau des Landes zur Klimaneutralität – und verficht es. Dabei ist er rhetorisch zwar stark genug, um das Ziel, seine Notwendigkeit und den Weg überzeugend zu beschreiben, sieht sich bei der Umsetzung indes notgedrungen Hindernissen gegenüber. Die Aufgabe ist nämlich schon für sich genommen riesig, in Zeiten von Energiekrise und Inflation ist sie es erst recht.

Schließlich ist Habeck bisweilen zu empfindlich. Nur: Dass er schon mal aus der Haut fährt wie bei der Grünen-Fraktionsklausur in Weimar, ist durchaus eine Qualität. Der Mann ist nicht kalt und abgezockt. Er reagiert auf Widerspruch und ist diskussionsfähig.

Nachweisbar hat er seine Karriere nicht darauf gegründet, Konkurrenten madig zu machen, von denen sich manche ihrerseits im Vierwochentakt entschuldigen müssten. Für Habeck, Pistorius oder Günther gilt: Sie wollen nicht bloß das Amt.

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Im Publikum denken viele, dass sie Habecks Job wegen der Verantwortung lieber nicht haben möchten. Unterdessen schauen sie auf ihn wie auf einen Artisten am Trapez, der mit Klimazielen, Versorgungssicherheit und niedrigen Preisen gleichzeitig jonglieren muss und dabei doch bitte schön noch eine gute Figur machen sollte. Einen Absturz möchten sie auf keinen Fall verpassen.

Artist am Trapez

Nun steht es Kritikerinnen und Kritikern frei, politische Ziele für falsch zu halten, ebenso die eingesetzten Mittel – oder die Qualitäten derer, die sie anwenden. Da bietet Habeck durchaus Ansatzpunkte. Unstrittig sollte sein, dass wir möglichst viele Politiker brauchen, die sich mit offenem Visier in Auseinandersetzungen mit auch mal ungewissem Ausgang begeben. Zerstörer braucht es keine – und Taktierer nicht zu viele.

Es kann sein, dass Robert Habeck irgendwann gehen muss – oder resigniert, weil die Gegenkräfte zu stark sind. Damit würde freilich nicht er allein scheitern. Scheitern würde eine Form des Politikmachens, die unverzichtbar ist.

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