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Verfassung liefert überraschende Antwort

Könnte Trump auch im Gefängnis Präsident werden?

Von der Dokumenten­affäre bis zum Umsturz­versuch: Donald Trump ist der erste Ex-Präsident, der sich vor Gericht verantworten muss.

Ex-US-Präsident Donald Trump ist in nunmehr drei Fällen angeklagt, und in allen drohen ihm mehrjährige Haftstrafen. Die erste Anklage gegen ihn wurde Anfang April in New York erhoben. Grund dafür sind Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, die Trump falsch deklariert haben soll. Im Juni erhob dann ein Bundesgericht in Miami in 37 Punkten Anklage gegen Trump: wegen der unrechtmäßigen Aufbewahrung geheimer Dokumente in seinem Privatwohnsitz in Florida.

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Und nun wird Trump im bislang wohl schwerwiegendsten Fall vor Gericht gestellt: Ein Bundesgericht in Washington wirft ihm versuchte Wahlbeeinflussung vor: Die Anklageschrift bezieht sich auf die Kongresssitzung vom 6. Januar 2021, als die Stimmen der Wahlleute ausgezählt wurden, um Joe Biden als Wahlsieger zu bestätigen. Trump behauptet bis heute, die Wahl sei ihm „gestohlen“ worden, er sei der eigentliche Wahlsieger.

Laut Anklage gab es eine über mehrere Wochen angelegte Verschwörung, die Bestätigung von Bidens Wahlsieg im Kongress zu verhindern. Trump habe bewusst die Lüge vom angeblichen Wahlbetrug verbreitet, um „eine intensive nationale Atmosphäre des Misstrauens und der Wut“ zu schaffen und das öffentliche Vertrauen in die Wahlorganisation zu untergraben – ein Angriff auf die amerikanische Demokratie.

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Sollte es in diesem jüngsten Fall zu einer Verurteilung kommen, könnte das Trump für viele Jahre ins Gefängnis bringen. Wie das Verfahren ausgeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen. Doch selbst wenn am Ende eine Haftstrafe stünde: Trumps Kampagne wäre damit keineswegs beendet.

Diese Voraussetzungen müssen Präsidentschaftskandidaten erfüllen

Denn weder eine Anklage noch eine Verurteilung und nicht einmal eine Haftstrafe stünde Trumps weiterer Kandidatur im Weg. Könnte er also – rein theoretisch – sogar aus dem Gefängnis heraus kandidieren? „Nichts im Gesetz würde das verhindern“, erklärt Michael W. McConnell, Direktor des Zentrums für Verfassungsrecht an der Stanford Law School in Kalifornien, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Nichts im Gesetz würde das verhindern.

Michael W. McConnell,

US-Verfassungsexperte, über einen verurteilten Straftäter als Präsidentschaftskandidat

Artikel 2 der US-Verfassung listet nur drei Voraussetzungen auf, die erfüllt sein müssen, damit jemand zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden kann: Die Person muss in den USA geboren sein, sie muss mindestens 35 Jahre alt sein und sie muss ihren Wohnsitz seit 14 Jahren in den USA gehabt haben. Von einer aktuellen Haftstrafe oder einer kriminellen Karriere in der Vergangenheit ist dabei nicht die Rede.

Tatsächlich gibt es sogar historische Präzedenzfälle. Bei der Präsidentschaftswahl 1992 kandidierte der Verschwörungstheoretiker Lyndon LaRouche, während er wegen Steuerhinterziehung und Betrug im Gefängnis saß. Er war bereits der zweite inhaftierte Präsidentschaftsanwärter nach Eugene V. Debs, der 1920 als Chef der Sozialistischen Partei aus einer Zelle heraus antrat. Debs saß damals ein, weil er gegen den Ersten Weltkrieg protestiert hatte. Die Haftstrafe nutzte Debs als Wahlkampf-PR. Seine Anhänger verteilten etwa Anstecker mit Debs’ Porträt und dem Schriftzug „Zum Präsidenten – Häftling Nr. 9653″. Immerhin gewann Debs knapp eine Million Stimmen.

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Zwei Einschränkungen: Aufstand oder Amtsenthebung

Ganz egal ist es aber nicht, für welches Verbrechen Trump zur Rechenschaft gezogen würde. Die Verfassung kennt einen einzigen Straftatbestand, der definitiv das Ende für Trumps Ambitionen auf die Präsidentschaft bedeuten könnte. „In der Mehrzahl der Fälle macht es keinen Unterschied, für welchen Anklagepunkt er verurteilt würde“, erläutert Verfassungsrechtler McConnell gegenüber dem RND. „Es sei denn, er würde wegen eines Aufstands verurteilt.“

McConnell verweist dazu auf den 14. Zusatz zur US-Verfassung, wo es heißt, dass niemand ein öffentliches Amt bekleiden darf, der „an einem Aufstand oder Aufruhr“ gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten „teilgenommen oder ihre Feinde unterstützt oder begünstigt hat“.

Natürlich kommt hier sofort der Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 in den Sinn. Allerdings findet sich in der aktuellen Anklage zur Wahlbeeinflussung nichts zu einem „Aufstand“ (insurrection), wie ihn der 14. Verfassungszusatz aufführt. Die Anklagepunkte lauten auf „Verschwörung“ zum Betrug an den Vereinigten Staaten und zur Behinderung eines offiziellen Verfahrens sowie um andere an der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte zu hindern – aber eben nicht auf „Aufstand“.

Würde der 14. Verfassungszusatz damit also nicht zum Tragen kommen? „Wahrscheinlich nicht“, glaubt Rechtsprofessor McConnell, „auch wenn manche sicher in die andere Richtung argumentieren werden.“

Wegen Wahlbeeinflussung und Kapitolsturm: Trump zum dritten Mal angeklagt

Erneut juristischer Ärger für Donald Trump: Zum dritten Mal wird der ehemalige Präsident in den USA angeklagt.

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Und noch in einem zweiten Kontext knüpft die US-Verfassung mögliche Verbrechen eines Präsidenten an ein Amtsverbot, nämlich in den Regelungen zum „Impeachment“, der Amtsenthebung. Dort heißt es, dass der Präsident seines Amtes enthoben wird, wenn er „wegen Verrats, Bestechung oder anderer Verbrechen und Vergehen unter Amtsanklage gestellt und für schuldig befunden worden“ ist. Damit verbunden wäre auch eine lebenslange Ämtersperre.

Für Amtsanklagen gegen den Präsidenten sind aber keine Gerichte zuständig, sondern die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im US-Kongress – es handelt sich also um eine politische Entscheidung, keine rechtliche. Gegen Trump haben die Demokraten im Kongress bereits zweimal eine Amtsanklage eingeleitet, und beide Male ist sie am Widerstand der Republikaner im Senat gescheitert. Resultat: keine Ämtersperre für Trump.

Könnte der Kongress einen Ausschluss verurteilter Straftäter vom Präsidentenamt beschließen?

Könnte aber der Kongress die geltende Gesetzeslage kurzfristig noch ändern? Ein Beschluss der Kammer alleine genügt dazu nach herrschender Ansicht unter amerikanischen Juristen nicht. Die einzige saubere Lösung wäre eine entsprechende Verfassungsänderung.

Für Verfassungsänderungen aber gibt es in den USA sehr hohe Hürden. Notwendig wäre neben Zweidrittelmehrheiten im Senat und im Repräsentantenhaus auch noch eine Dreiviertelmehrheit bei der Ratifikation durch die Bundesstaaten (38 von 50). So etwas hinzubekommen ist politisch – zumal in einem Wahlkampfjahr – ein Ding der Unmöglichkeit.

Könnte Trump auch im Gefängnis regieren?

Wenn Trump als verurteilter Straftäter oder gar als Häftling weiterkandidieren sollte, wäre es denkbar, dass er die Wahl gewinnt. Bis dato ist er der aussichtsreichste republikanische Bewerber um das höchste Amt im Staat. Sein größter parteiinterner Rivale Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, liegt in den Umfragen inzwischen weit abgeschlagen hinter Trump. Und im Vergleich zu Biden steht Trump auch nicht schlecht da. Nach – natürlich noch sehr frühen – Wahlumfragen sind die beiden mehr oder weniger gleichauf.

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Die bisherigen Anklagen scheinen Trump politisch jedenfalls nicht geschadet zu haben. Seine Beliebtheitswerte sind zwar nicht gestiegen, haben aber bislang auch nicht messbar gelitten.

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Innerhalb der republikanischen Partei führen die Anklagen eher zu einer Sammlung hinter dem Ex-Präsidenten, dessen Opferstrategie dort offenbar verfängt. Republikanische Parteigrößen wettern mit Trump gegen eine angeblich „politisierte“ Justiz. Selbst Hauptrivale DeSantis kann sich dem Sog zur Solidarität mit Trump nicht entziehen: „Als Präsident werde ich beenden, dass die Regierungsmacht als Waffe eingesetzt wird“, schrieb er anlässlich der jüngsten Anklageschrift auf X, das bis vor Kurzem noch Twitter hieß.

Gut möglich also, dass Trump mit den Anklagen für das konservative Amerika zum politischen Märtyrer wird. Und in dieses Narrativ würde die Dramatik einer Gefängnisstrafe gar nicht schlecht passen.

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Wie sähe eine Amtseinführung im Gefängnis aus?

Das wirft die – natürlich wieder nur theoretische – Frage auf, ob Trump sogar als Häftling zum Präsidenten gewählt und vereidigt werden könnte. Tatsächlich stünde ihm auch dabei das Gesetz nicht im Weg. „Es gibt keine formalen Hindernisse für einen Straftäter, als Präsident zu amtieren“, erklärt Michael C. Dorf, Verfassungsrechtler und Professor an der Cornell Law School in Ithaca, New York, gegenüber dem RND. In der Praxis würde das natürlich allerlei Probleme mit sich bringen. Wie sähe die Amtseinführung mit Abnahme des Amtseides aus? Bekäme Trump dafür Hafturlaub? Oder würde die Zeremonie in seiner Zelle stattfinden?

Noch weit schwieriger dürfte sich die Erledigung der Regierungsgeschäfte aus dem Gefängnis heraus gestalten, von Auslandsreisen und diplomatischen Terminen ganz zu schweigen. Hier könnte laut Rechtsprofessor Dorf der 25. Zusatz zur US-Verfassung ins Spiel kommen. Dort geht es um die Situation, dass „der Präsident unfähig ist, die Befugnisse und Obliegenheiten seines Amtes wahrzunehmen“. Nur: „Diese Vorschrift führt sich nicht selbst aus“, erläutert Dorf. „Trumps eigenes Kabinett müsste ihn für untauglich erklären, was höchst unwahrscheinlich ist.“

Könnte Trump sich als Präsident selbst begnadigen?

Viele Juristen halten eine Selbstbegnadigung für unvereinbar mit den Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. „Möglicherweise“, orakelt Verfassungsjurist Hasen, „muss sich dazu der Oberste Gerichtshof äußern.“

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Damit tut sich ein weiterer Abgrund auf. Trump hatte das höchste Gericht der USA durch Ernennung konservativer Richter auf Rechtskurs, etwa beim Thema Abtreibung, geschickt - und nebenbei eine Vertrauenskrise bewirkt. Jahrzehntelang waren rund zwei Drittel der Amerikanerinnen und Amerikaner mit dem Supreme Court zufrieden. Inzwischen aber sieht nach Angaben der renommierten Demoskopiefirma Gallup eine Mehrheit von 58 Prozent das Gericht kritisch. Würde der Supreme Court eine Selbstbegnadigung Trumps billigen, hätte dies aus Sicht rechtsstaatstreuer und liberaler Bürgerinnen und Bürger etwas Staatsstreichhaftes.

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