Könnte Trump auch im Gefängnis Präsident werden?
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Er will wieder Präsident werden: Donald Trump, hier beim Wahlkampfauftritt am 25. März in Waco.
© Quelle: IMAGO/USA TODAY Network
Zum ersten Mal in der Geschichte ist ein Ex-US-Präsident angeklagt worden. Donald Trump plädierte in New York in allen Punkten auf „nicht schuldig“. Grund für das Verfahren sind Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, genau genommen um deren falsche Deklarierung. Rechtsexperten der „New York Times“ halten im Maximalfall gar eine Haftstrafe von vier Jahren für möglich. Ob es tatsächlich so weit kommt, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen. Doch selbst wenn: Trumps Kampagne wäre damit keineswegs beendet.
Denn weder eine Anklage noch eine Verurteilung und nicht einmal eine Haftstrafe stünde Trumps weiterer Kandidatur im Weg. Könnte er also – rein theoretisch – sogar aus dem Gefängnis heraus kandidieren? „Nichts im Gesetz würde das verhindern“, erklärt Michael W. McConnell, Direktor des Zentrums für Verfassungsrecht an der Stanford Law School in Kalifornien, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Artikel 2 der US-Verfassung listet nur drei Voraussetzungen auf, die erfüllt sein müssen, damit jemand zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden kann: Die Person muss in den USA geboren sein, sie muss mindestens 35 Jahre alt sein und sie muss ihren Wohnsitz seit 14 Jahren in den USA gehabt haben. Von einer aktuellen Haftstrafe oder einer kriminellen Karriere in der Vergangenheit ist dabei nicht die Rede.
Tatsächlich gibt es sogar historische Präzedenzfälle. Bei der Präsidentschaftswahl 1992 kandidierte der Verschwörungstheoretiker Lyndon LaRouche, während er wegen Steuerhinterziehung und Betrug im Gefängnis saß. Er war bereits der zweite inhaftierte Präsidentschaftsanwärter nach Eugene V. Debs, der 1920 als Chef der Sozialistischen Partei aus einer Zelle heraus antrat. Debs saß damals ein, weil er gegen den Ersten Weltkrieg protestiert hatte. Die Haftstrafe nutzte Debs als Wahlkampf-PR. Seine Anhänger verteilten etwa Anstecker mit Debs‘ Porträt und dem Schriftzug „Zum Präsidenten – Häftling Nr. 9653″. Immerhin gewann Debs knapp eine Million Stimmen.
Zwei Einschränkungen: Aufstand oder Amtsenthebung
Ganz egal ist es aber nicht, für welches Verbrechen Trump zur Rechenschaft gezogen würde. Die Verfassung kennt einen einzigen Straftatbestand, der definitiv das Ende für Trumps Ambitionen auf die Präsidentschaft bedeuten könnte. „In der Mehrzahl der Fälle macht es keinen Unterscheid, für welchen Anklagepunkt er verurteilt würde“, erläutert Verfassungsrechtler McConnell gegenüber dem RND. „Es sei denn, er würde wegen eines Aufstands verurteilt.“ McConnell verweist dazu auf den 14. Zusatz zur US-Verfassung, wo es heißt, dass niemand ein öffentliches Amt bekleiden darf, der „an einem Aufstand oder Aufruhr“ gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten „teilgenommen oder ihre Feinde unterstützt oder begünstigt hat“. Natürlich kommt hier sofort der Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 in den Sinn. Im Justizministerium laufen umfangreiche Ermittlungen zu den Vorgängen.
Inwieweit dabei Trump selbst im Visier steht, dringt nicht an die Öffentlichkeit. Allerdings haben die Ermittler mehrere enge Trump-Vertraute unter Eid vorgeladen – darunter auch Mike Pence, den ehemaligen Vizepräsidenten, den Trump intensiv unter Druck gesetzt hatte, das Wahlergebnis zu kippen. Die Ermittlungen zu dem komplexen Fall liegen jedoch weitgehend unter dem Schleier der Geheimhaltung. Ob Trump auch hier eine Anklage droht, ist offen.
Und noch in einem zweiten Kontext knüpft die US-Verfassung mögliche Verbrechen eines Präsidenten an ein Amtsverbot, nämlich in den Regelungen zum „Impeachment“, der Amtsenthebung. Dort heißt es, dass der Präsident seines Amtes enthoben wird, wenn er „wegen Verrats, Bestechung oder anderer Verbrechen und Vergehen unter Amtsanklage gestellt und für schuldig befunden worden“ ist. Damit verbunden wäre auch eine lebenslange Ämtersperre. Für Amtsanklagen gegen den Präsidenten sind aber keine Gerichte zuständig, sondern die Parlamentarier im US-Kongress – es handelt sich also um eine politische Entscheidung, keine rechtliche. Gegen Trump haben die Demokraten im Kongress bereits zweimal eine Amtsanklage eingeleitet, und beide Male ist sie am Widerstand der Republikaner im Senat gescheitert. Resultat: keine Ämtersperre für Trump.
Könnte Trump auch im Gefängnis regieren?
Selbst wenn Trump als verurteilter Straftäter oder gar als Häftling weiterkandidieren sollte, wäre es denkbar, dass er die Wahl gewinnt. Nach der Schlappe bei den letzten Kongresswahlen hat er zwar durchaus Schaden genommen. Trotzdem ist er bis dato der aussichtsreichste republikanische Bewerber um das höchste Amt im Staat. Sein mutmaßlicher Rivale Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, kann ihm zwar gefährlich werden, liegt aber in den meisten Umfragen – noch – hinter Trump. Inwieweit Trump eine Anklage schaden würde, ist schwer abzusehen. Seine Basis hat ihm jedenfalls schon weit Schlimmeres verziehen. Der Fall ums Schweigegeld an Stormy Daniels hat auch nicht das Zeug, für große Empörung bei moderaten Konservativen zu sorgen, es geht ja letztlich „nur“ um falsch deklarierte Zahlungen.
Schon jetzt versammeln sich republikanische Parteigrößen hinter Trump gegen eine angeblich „politisierte“ Justiz. Selbst DeSantis konnte sich dem Sog zur Solidarität mit Trump nicht entziehen. Nach längerem Schweigen wetterte DeSantis gegen Trumps möglichen Ankläger, den New Yorker Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg, der ein „politisches Spektakel“ und einen „fabrizierten Zirkus“ veranstalte. Gut möglich also, dass Trump mit der Anklage für das konservative Amerika zum politischen Märtyrer wird. Und in dieses Narrativ würde die Dramatik einer Gefängnisstrafe gar nicht schlecht passen.
Wie sähe eine Amtseinführung im Gefängnis aus?
Das wirft die – natürlich wieder nur theoretische – Frage auf, ob Trump sogar als Häftling zum Präsidenten gewählt und vereidigt werden könnte. Tatsächlich stünde ihm auch dabei das Gesetz nicht im Weg. „Es gibt keine formalen Hindernisse für einen Straftäter, als Präsident zu amtieren“, erklärt Michael C. Dorf, Verfassungsrechtler und Professor an der Cornell Law School in Ithaca, New York, gegenüber dem RND. In der Praxis würde das natürlich allerlei Probleme mit sich bringen. Wie sähe die Amtseinführung mit Abnahme des Amtseides aus? Bekäme Trump dafür Hafturlaub? Oder würde die Zeremonie in seiner Zelle stattfinden?
Noch weit schwieriger dürfte sich die Erledigung der Regierungsgeschäfte aus dem Gefängnis heraus gestalten, von Auslandsreisen und diplomatischen Terminen ganz zu schweigen. Hier könnte laut Rechtsprofessor Dorf der 25. Zusatz zur US-Verfassung ins Spiel kommen. Dort geht es um die Situation, dass „der Präsident unfähig ist, die Befugnisse und Obliegenheiten seines Amtes wahrzunehmen“. Nur: „Diese Vorschrift führt sich nicht selbst aus“, erläutert Dorf. „Trumps eigenes Kabinett müsste ihn für untauglich erklären, was höchst unwahrscheinlich ist.“