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Marschflugkörper mit hoher Reichweite

Angriff auf besetzte Stadt Luhansk: Hat die Ukraine erstmals „Storm Shadows“ eingesetzt?

„Storm Shadow“ an einem Tornado (Symbolbild).

„Storm Shadow“ an einem Tornado (Symbolbild).

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Dunkler Rauch stieg am Freitagabend in der Stadt Luhansk über einem großen Fabrik­gebäude auf. In der seit 2015 besetzten Stadt kam es offenbar zu einem Luftangriff, bei dem ein Gebäude des Chemiekonzerns Polipack vollständig ausbrannte. Es könnte von den Russen als Werkstatt zur Reparatur von militärischer Ausrüstung genutzt worden sein.

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Insgesamt wurden zwei Einschläge gemeldet, laut der „Moscow Times“ wurde auch ein Öllager getroffen. Brisant daran ist, dass die Stadt Luhansk mehr als 90 Kilometer von der Frontlinie entfernt liegt – und damit für die Ukrainer eigentlich unerreichbar. Denn die normalen Himars-Raketen haben nur eine Reichweite von etwa 75 Kilometern.

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„Es ist tatsächlich möglich“

Doch am Donnerstag hatte Großbritannien offiziell bekannt gegeben, der Ukraine Marsch­flugkörper mit größerer Reichweite zu liefern: die „Storm Shadows“. Sie können Ziele auch in 250 Kilometern Entfernung noch erreichen. Hat die Ukraine beim Angriff auf die von Russland besetzte Stadt Luhansk nun erstmals diese neuen Marschflugkörper verwendet?

„Es ist in diesem Fall tatsächlich möglich, dass die Ukraine erstmals ‚Storm Shadows‘ eingesetzt hat“, sagt Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wir müssen aber zunächst die Bilder der Trümmerteile abwarten, um dies mit Sicherheit sagen zu können.“ Russische Militärblogger vermuteten einen ersten Testlauf der neuen Marschflugkörper. „In naher Zukunft werden die Streitkräfte der Ukraine versuchen, ähnliche Angriffe auf andere Einrichtungen zu verüben, wie russische Militärflugplätze“, so ein prominenter Militärblogger.

Eine ungeklärte Frage ist außerdem, auf welche Weise die „Storm Shadows“ abgefeuert wurden. „‚Storm Shadows‘ benötigen ein Trägerflugzeug, wie die Su‑24, das für die Marsch­flugkörper angepasst werden muss“, so Reisner. Denn sie sind eigentlich für westliche Kampfjets konzipiert, wie den Tornado und den Eurofighter, nicht aber für Kampfflugzeuge sowjetischer Bauart. In der Vergangenheit haben die Ukrainer aber bewiesen, dass sie ihr Gerät auf die Anforderungen westlicher Waffentechnik anpassen können. In Polen wurden bereits im vergangenen Jahr Tests durchgeführt, um die „Storm Shadows“ an die Su‑24 anzupassen.

Beim Angriff auf Luhansk wurde offenbar auch noch eine Täuschrakete vom Typ ADM‑160B als Köder eingesetzt, die die Aufmerksamkeit der Flugabwehr auf sich ziehen sollte. Oberst Reisner hält es für möglich, dass ein ukrainischer Kampfjet vom Typ Mig-29 zunächst die feindliche Flugabwehr abgelenkt hat, ehe die Mig‑24 mit dem „Storm Shadow“ angriff.

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Am Samstag erklärten auch die Besatzungsbehörden in Luhansk, dass eine britische Star Shadow sowie eine US-Rakete vom Typ ADM-160B bei dem Angriff eingesetzt worden sein sollen. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

Russische Truppen befürchten Einkesselung in Bachmut
03.05.2023, Ukraine, Bachmut: Ukrainische Soldaten feuern eine Kanone auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut, Region Donezk. Foto: LIBKOS/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Bei den russischen Truppen, die in Bachmut kämpfen, herrscht nach Darstellung eines Kriegskorrespondenten des russischen Staatsfernsehens höchste Alarmstufe.

In der Vergangenheit wurden immer wieder Waffen in der Ukraine eingesetzt, noch bevor ihre Lieferung offiziell verkündet wurde. Dies könnte demnach auch in diesem Fall sein. Reisner verweist auf die Trümmer der Luft-Boden-Rakete AGM‑88, die in der Ukraine aufgetaucht waren, bevor die USA die Lieferung dieser Raketen bestätigt hat. Mit weitreichenden Raketen hatte das ukrainische Militär vermutlich im vergangenen Jahr auch schon erfolgreich den russischen Luftwaffenstützpunkt Saky auf der Krim angegriffen.

Die „Storm Shadows“ wurden bereits im Irak im dritten Golfkrieg 2003 verwendet und sind für die Luftverteidigung nicht ganz einfach zu erkennen, da sie sehr tief fliegen. Die ukrainische Regierung hatte über Monate ihre westlichen Partner um weitreichende Munition gebeten, aber immer Absagen erhalten. Nun hat sich London zur Lieferung der Marschflugkörper durchgerungen, auch, weil es diese in größerer Stückzahl liefern kann.

Die reichweitenstarken Marschflugkörper können der Ukraine einige Vorteile verschaffen. Sie ist nun in der Lage, Militärstützpunkte, Kommandozentralen und Munitionsdepots der russischen Armee mit Präzisionsschlägen anzugreifen, die sich weit hinter der Frontlinie befinden. Ihre Sprengladungen können auch die Panzerungen unterirdischer Anlagen durchschlagen.

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