E-Paper
In Echtzeit in virtuellen verschlüsselten Chatrooms

Ukraine erhält zunehmend High-Tech-Waffen – Fernwartung für Soldaten

Ukrainische Soldaten bereiten eine von den USA gelieferte Haubitze des Typs M777 für den Beschuss russischer Stellungen in der Region Cherson vor.

Ukrainische Soldaten bereiten eine von den USA gelieferte Haubitze des Typs M777 für den Beschuss russischer Stellungen in der Region Cherson vor.

Artikel anhören • 6 Minuten

Eine Militärbasis in Südostpolen. An der Frontlinie in der Ukraine hat ein Soldat Probleme beim Abfeuern seiner 155mm-Haubitze. So sucht er Rat bei einem US-Militärteam – via einer Helpline. „Was tun?“ fragt der Ukrainer den Amerikaner auf der anderen Seite des Drahtes, weit entfernt auf einem Militärstützpunkt im südöstlichen Polen. „Was sind meine Optionen?“ Die Antwort kommt schnell. Der Ukrainer folgt ihr – und es funktioniert.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Kommunikationen solcher Art sind keineswegs selten. Die USA und andere Nato-Länder unterstützen das ukrainische Militär im Kampf gegen die russischen Invasoren mit zunehmend komplizierten High-Tech-Waffen, und damit steigt die Nachfrage nach Wartungs- und Reparaturratschlägen. So steht denn eine rapide wachsende Zahl von amerikanischen und verbündeten Soldaten sowie Vertragsnehmern bereit, ihnen unter die Arme zu greifen – in Echtzeit in virtuellen verschlüsselten Chatrooms, mit Hilfe von Telefonen, Tablets und zumeist Dolmetschern.

+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

Anders geht es nicht, da die USA und andere Nato-Staaten keine Soldaten in die Ukraine schicken wollen, auch nicht zu Ausbildungszwecken – aus Sorge, dass sie damit in einen direkten Konflikt mit Russland gezogen werden könnten.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Der US-Soldat und andere Teammitglieder im Stützpunkt in Polen sprachen in der vergangenen Woche mit zwei Journalisten, die US-Generalstabschef Mark Milley bei einem Besuch auf dem Stützpunkt begleiteten. Im Einklang mit Sicherheitsregeln äußerten sich die Soldaten unter der Bedingung, anonym zu bleiben, und die Reporter verpflichteten sich, Ort und Namen der Basis nicht zu nennen und keine Fotos zu machen.

Ukraine will Waffen nicht zur Reparatur aus dem Land schicken

Wie man ein Problem mit einer Haubitze behebt, ist dem sogenannten Fernwartungs-Instandhaltungsteam zufolge eine häufige Frage ukrainischer Soldaten an den Frontlinien – eine häufige von vielen. Hatte das vor ein paar Monaten nur etwas mehr als 50 Leute, wird sie in den nächsten Wochen auf 150 Mitglieder wachsen. Die Zahl der verschlüsselten Chatverbindungen hat sich mehr als verdreifacht – von ungefähr 15 im vergangenen Herbst auf jetzt 38.

Ukrainische Soldaten beginnen Panzerausbildung

Es muss schnell gehen: In nur rund acht Wochen dauernden Ausbildungen sollen Ukrainer den Kampf mit dem Schützenpanzer Marder erlernen.

Das Team schließt derzeit etwa 20 Soldaten ein, ergänzt von Zivilisten und Vertragsnehmern, aber die Zahl der Militärangehörigen könnte etwas sinken, da mehr Zivilisten hinzukommen. Die Zusammensetzung hängt auch von den neuen hochmodernen Waffen ab, die Verbündete künftig noch der Ukraine liefern werden – und die neue Chatrooms erfordern, um mit ihnen umzugehen.

„Wir bekommen oft Anrufe direkt von der Schützenlinie, das heißt, es gibt Feuer, das herausgeht und das hereinkommt, zur selben Zeit, in der du versuchst, den Instandhaltern draußen vor Ort zu helfen, Probleme zu beheben so gut sie es können“, sagt ein US-Soldat, der dem Team angehört. Manchmal müsse der Chat etwas warten, damit Soldaten an einen sichereren Ort gelangen könnten.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Ein Schlüsselproblem, so schildert ein anderes Teammitglied, liegt darin, dass die Ukrainer die Waffen bis an deren Grenzen einsetzen, außergewöhnlich häufig und auch noch lange, nachdem US-Militärangehörige solche Systeme in der Regel abgäben, um repariert oder ausgemustert zu werden. Der US-Soldat zeigt auf seinem Tablet Fotos vom Schussrohr einer Haubitze, dessen innere Ränder fast ganz abgewetzt sind. „Sie nutzen diese Systeme auf eine Weise, die wir vielleicht nicht unbedingt vorhergesehen haben“, sagt er. „Tatsächlich lernen wir von ihnen, wie viel Misshandlung diese Waffensysteme aushalten können und wo die Grenze der Belastbarkeit ist.“

Hauptstadt-Radar

Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Berliner Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Die ukrainischen Soldaten sind oft abgeneigt, die Waffen zur Reparatur aus dem Land schicken. Sie machen es lieber selbst – nach amerikanischen Schätzungen in 99 Prozent aller Fälle. Einem Teammitglied zufolge haben die Ukrainer selbst viel dazu gelernt, etwa die bemerkenswerte Fähigkeit, teilweise zersprengte Waffen wieder zusammenzusetzen. „Sie konnten vorher kein Titan verschweißen, jetzt können sie es“, sagt der US-Soldat.

Aber es kommen neue Herausforderungen, nicht nur für die Soldaten an den Frontlinien, sondern auch für das Instandhaltungsteam. Mitglieder sagen, dass das Patriot-Raketenabwehrsystem, das die USA an die Ukrainer liefern werden, mehr Erfahrung erfordern wird, Probleme zu diagnostizieren und zu beheben.

Das Team in Polen ist Teil eines sich stets erweiternden logistischen Netzwerkes, das sich über Europa erstreckt. Mehr Länder schicken der Ukraine ihre eigenen Versionen von Waffensystemen, und parallel dazu werden Teams an verschiedenen Orten aufgebaut, um für Unterstützung bei anfallenden Instandsetzungen zu sorgen. Die Länder und Herstellerfirmen stellen rasch Bedienungsanleitungen und technische Daten zur Verfügung, die übersetzt an die Ukrainer gehen. Dann werden Vorräte an Ersatzteilen zusammengestellt und an Orte nahe der ukrainischen gebracht – zum weiterem Transport an die Frontlinien.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Der Knotenpunkt der wachsenden logistischen Operationen befindet sich auf dem US-Heeresstützpunkt in Wiesbaden. Dort, in einem großen Raum in der Lucius-D.-Clay-Kaserne, koordiniert die internationale Koalition die Anstrengungen, weit verstreute Ausrüstung, Waffen und Ersatzteile in anderen Ländern, die in der Ukraine benötigt werden, zu lokalisieren und identifizieren. Dann arbeitet sie Pläne zur Lieferung – per Schiff, Flugzeug oder auf Landrouten – an Grenzorte aus, wo alles auf Lastwagen und Züge geladen und in die Kriegszone befördert wird.

Mindestens 17 Staaten haben Vertreter in dem, was – übersetzt – Internationales Spender-Koordinationszentrum genannt wird. Mit der Lieferung von mehr zusätzlicher fortgeschrittener Ausrüstung an die Ukraine müssten natürlich auch die Aktivitäten zur Instandhaltung zunehmen“, sagt Douglas Bush, Abteilungsleiter für Beschaffungsmaßnahmen im US-Heeresministerium. Das sei eine Herausfordeurng, aber „ich denke, die Army weiß, wie man es macht.“

RND/AP

Laden Sie sich jetzt hier kostenfrei unsere RND-App für Android und iOS herunter

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken