Umstrittener Gas-Lieferant: Emir von Katar unterzeichnet in Deutschland Energiepartnerschaft
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Emir von Katar, Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani (l), trägt sich vor seinem Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue in das Gästebuch ein.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani ist derzeit ein gefragter Mann in Deutschland. Denn der Emir regiert mit Katar ein Land, das über eine in Zeiten des russischen Angriff-Kriegs wichtige Ressource verfügt: Flüssiggas (LNG). Katar ist einer der weltweit größten LNG-Exporteure, liefert bislang jedoch vor allem nach Asien. Die Bundesregierung schloss am Freitag eine Energiepartnerschaft mit dem Golfstaat, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Der Emir traf bei seinem Deutschland-Besuch auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz treffen.
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz im Anschluss erklärte der Emir: „Ich freue mich, über das wachsende Handelsvolumen zwischen Deutschland und Katar.“ Es gebe herausragende bilaterale Beziehungen zwischen Deutschland und Katar, so der Emir. Scholz sagte: „Katar hat ein enormes Potenzial bei den erneuerbaren Energien, insbesondere bei der Produktion von grünem Wasserstoff.“ Die will Scholz und die Ampelkoalition künftig nutzen.
Energiepartnerschaft mit Katar beschlossen
So unterzeichnete der Emir und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim Staatsbesuch eine Absichtserklärung für eine tiefere Zusammenarbeit, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag in Berlin mitteilte. Die Energiepartnerschaft werde Deutschland durch den Bezug von Flüssiggas-Importen (LNG) aus Katar bei der Diversifizierung seiner Gasversorgung helfen und zugleich der Zusammenarbeit bei „grünem Wasserstoff“ einen Schub verleihen.
Flüssiggas will Katar dabei schon ab dem Jahr 2024 liefern. „Wir wollen unsere US-Flüssiggasanlage Golden Pass in Texas, an dem Qatar Energy 70 Prozent hält, bereits 2024 so weit haben, dass wir nach Deutschland liefern können“, sagte der Vizepremier des Golfstaats, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, dem „Handelsblatt“. Zusätzliche Gasmengen kämen dann etwas später hinzu, sagte der Vizepremier: „Die Erweiterung der Förderung in unserem Gasfeld North Dome wird 2026 abgeschlossen sein, vielleicht sogar schon 2025.“ North Dome ist das weltgrößte Gasfeld, das sich Katar und der Iran unter dem Persischen Golf teilen. Bis spätestens 2026 soll die katarische Gasförderung daraus von derzeit 77 auf 126 Millionen Tonnen LNG gesteigert werden.
Arbeitsgruppen für Wasserstoff und LNG
Das Wirtschaftsministerium kündigte außerdem zwei Arbeitsgruppen an. Die Arbeitsgruppe LNG und Wasserstoff werde die Handelsbeziehungen in dem Bereich fördern und ein Diskussionsforum zu Fragen der Infrastruktur und regulatorischen Maßnahmen schaffen. Die Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Lastmanagement werde sich ferner mit dem Ausbau von Kapazitäten bei erneuerbaren Energien sowie verbundenen Themen wie Infrastruktur und Strommärkte befassen. Auch Klimaschutz solle eine Rolle spielen: Das Gremium solle den Dialog zu Energieeffizienzlösungen voranbringen, „welche zur Dekarbonisierung der Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie beitragen können“.
Daneben kündigte Kanzler Scholz außerdem an, dass Außenministerin Annalena Baerbock und ihr katarischer Amtskollege künftig eng zusammen arbeiten werden. Außerdem lobte Scholz die Rolle des Emirs bei den Vermittlungen zwischen dem Westen und den Taliban.
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt Scheich Tamim bin Hamad bin Khalifa Al Thani im Schloss Bellevue Berlin Schloss Bellevue Berlin.
© Quelle: IMAGO/Bernd Elmenthaler
Emir keine unumstrittene Person
Der Emir ist trotz seines moderaten Auftretens allerdings keine unumstrittene Person. So werden ihm etwa Verbindungen zu den islamistischen Muslimbrüdern nachgesagt. Eine Reihe von Nachbarstaaten unter Führung Saudi-Arabiens verhängte sogar mehrere Jahre eine vollständige Blockade gegen Katar. Auch Ägypten schloss sich an. Die Staaten hatten dem Emirat unter anderem Terrorunterstützung und zu enge Beziehungen zum schiitischen Iran vorgeworfen. Erst im vergangenen Jahr wurde der Konflikt unter Vermittlung der USA beigelegt.
Katar wird zudem immer wieder wegen systematischer Menschenrechtsverstöße und Ausbeutung von Arbeitsmigranten, die etwa beim Aufbau der WM-Stadien helfen, kritisiert. Die Regierung in Doha weist die Vorwürfe zurück und verweist auf zahlreiche Reformen, die die Lage der ausländischen Arbeiter verbessert hätten. In dem Land leben nur etwa rund 300.000 Einheimische – aber fast zehnmal so viele Ausländer.
Vermittler zwischen Westen und Taliban
Der Scheich regiert den schwerreichen Golfstaat seit 2013. Als er die Führung übernahm, war er gerade einmal 33 Jahre alt. Seitdem hat er den Einfluss der kleinen Halbinsel stark ausgebaut. Der Sport-Fan holte etwa die Fußball-WM ins Land. Gerade der Umgang mit Homosexuellen im Land sorgte im Vorfeld der WM erneut für Kritik. Beim gemeinsamen Pressestatement mit Kanzler Scholz sagte der Scheich: „Wir begrüßen alle Menschen und unterschiedlichen Kulturen in unserem Land. Wir erwarten allerdings auch, dass die Gäste unsere Kultur respektieren.“ Kanzler Scholz lehnte einen Boykott der WM durch die Nationalmannschaft ab und vermied klare Kritik an Katar. „Es wird Teil unserer Gespräche miteinander sein, über Menschen- und Bürgerrechte zu sprechen“, sage Scholz. Es habe darüberhinaus bereits Verbesserungen etwa bei den Arbeitsbedingungen gegeben.
Scheich Tamim wurde in Großbritannien erzogen und besuchte unter anderem die berühmte Militärakademie Sandhurst. Danach hatte er verschiedene Aufgaben im Emirat: Unter anderem war er Präsident des Nationalen Olympischen Komitees und stellvertretender Armeechef. Der sich fromm gebende Emir, der stets einen Schnurrbart trägt, knüpfte an den Führungsstil seines Vaters und Vorgängers, Scheich Hamad, an.
RND/dpa/dre