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Was gibt es im Krieg zu lachen?

Innenministerin Nancy Faeser, die deutsche Botschafterin in der Ukraine, Anke Feldhusen, Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, und Arbeitsminister Hubertus Heil (von links) auf dem Balkon der Residenz der deutschen Botschafterin in Kiew.

Innenministerin Nancy Faeser, die deutsche Botschafterin in der Ukraine, Anke Feldhusen, Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, und Arbeitsminister Hubertus Heil (von links) auf dem Balkon der Residenz der deutschen Botschafterin in Kiew.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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hatten Sie dieses Foto wahrgenommen? Darauf sind Innenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) mit dem Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, und der deutschen Botschafterin in der Ukraine, Anke Feldhusen, zu sehen. Die Deutsche Presse-Agentur verbreitete es am Montagabend, am Tag des Besuchs der deutschen Kabinettsabordnung in der ukrainischen Hauptstadt. Zu sehen sind die vier lachend, gestikulierend und mit gefüllten Sektgläsern in den Händen. Das Foto ist vor allem in den sozialen Netzwerken viel verbreitet und kommentiert worden.

Auf Twitter und Co. war die Empörung groß. Unter den Hashtags #Sekt, #Faeser und #Heil machte sich Kritik breit über „Kriegstourismus“. Manch einer erinnerte an den früheren CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, dessen Popularitätswerte im Wahlkampf 2021 in die Knie gingen, nachdem er lachend beim Besuch des Flutgebiets auf einem Foto eingefangen worden war.

Auch Armin Laschet lachte im unpassenden Moment – doch der Vergleich hinkt.

Auch Armin Laschet lachte im unpassenden Moment – doch der Vergleich hinkt.

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Das Foto aus Kiew zeigt die vier Personen auf dem Balkon der Residenz von Botschafterin Feldhusen. Die Sektgläser haben also die deutschen Gastgeber aufgefahren. Welches Getränk genau in den Gläsern war, dazu mochte hinterher niemand mehr Auskunft geben. Sollte es roter Krimsekt gewesen sein, wäre dies in gewisser Weise ein Statement gewesen.

Der Vergleich zu Laschet im Flutgebiet hinkt ein wenig. Dem CDU-Politiker wurde medial zum Verhängnis, dass er ausgerechnet in dem Moment lachte, als der Bundespräsident sich in einer Ansprache vor Kameras an die Flutopfer wandte. Die Ausgelassenheit, die das Foto in Kiew widerspiegelt, wirkt merkwürdig deplatziert inmitten einer Stadt, die vom Krieg gezeichnet ist und in deren Vororten vor wenigen Monaten grauenvolle Kriegsverbrechen stattfanden. Ein politischer Skandal ist sie aber nicht. Mit Klitschko steht auch ein Betroffener des Kriegs mit auf dem Balkon. Und wo monatelang Krieg geführt wird, muss es für die Menschen zwischendrin auch Momente des Vergessens und der Entspannung geben. Für den Kiewer Bürgermeister werden diese rar gesät sein.

Auch Vitali Klitschko trank Sekt auf dem Balkon – hier neben Arbeitsminister Hubertus Heil.

Auch Vitali Klitschko trank Sekt auf dem Balkon – hier neben Arbeitsminister Hubertus Heil.

Nun fragten sich in den sozialen Medien auch viele Nutzerinnen und Nutzer, was die Innenministerin und der Arbeitsminister überhaupt in Kiew wollen. Aus Sicht der Ukraine können eigentlich gar nicht genug Spitzenpolitiker das Land besuchen. Denn jeder, der die Schrecken des Krieges mit eigenen Augen gesehen hat und in Deutschland für Unterstützung der Ukraine und Waffenlieferungen dorthin wirbt, ist für die Regierung in Kiew hilfreich. Inhaltlich sind Faeser und Heil für die Aufnahme und Integration der aus der Ukraine geflüchteten Menschen zuständig. Auch dafür ist der Austausch sinnvoll.

Eine Lehre sollten die Politikerinnen und Politiker, die künftig nach Kiew reisen, dennoch aus dem Foto ziehen. Sie sollten jede Situation meiden, in der sie unnötig der AfD Wasser auf die Mühlen geben. Wenn die Rechtspopulisten die Gelegenheit bekommen, Sektchen im Kriegsgebiet und dramatisch steigende Energiepreise in Deutschland in einen Zusammenhang zu stellen, dann tun sie das. Und man muss davon ausgehen, dass solche Botschaften immer bei irgendwem verfangen.

 

Machtpoker

Die Bundesregierung muss sich jetzt um neue Brennstäbe bemühen.

Friedrich Merz,

Partei- und Fraktionschef der Union in der Funke-Mediengruppe

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Für Oppositionsführer Merz gibt es reichlich Gelegenheiten, die Ampelregierung vorzuführen und unter Druck zu setzen. Das innere Gefüge von SPD, Grüne und FDP ist labil. Die Herausforderungen sind gigantisch und die politischen Differenzen fast so groß wie die Probleme, die die Regierung lösen muss. Das Atomthema eignet sich besonders, die Regierung zu treiben. Für die Grünen ist es ohnehin schmerzhaft, sich nun auch bei ihrem Identifikationsthema Ausstieg aus der Atomenergie bewegen zu müssen. Da setzt Merz noch einen oben drauf und sagt, dass der inzwischen sehr wahrscheinlich gewordene Streckbetrieb für die drei noch laufenden Atommeiler nicht reiche. Vielmehr will er mit der Forderung nach neuen Brennstäben dem Erzeugen von Strom durch Atomenergie eine neue Perspektive in Deutschland geben.

Ihm reicht der mögliche Streckbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke nicht: Oppositionsführer Friedrich Merz.

Ihm reicht der mögliche Streckbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke nicht: Oppositionsführer Friedrich Merz.

 

Wie Demoskopen auf die Lage schauen

In außenpolitischen Einschätzungen gab es schon immer einen großen Unterschied zwischen Ost und West. Traditionell haben die Menschen im Osten einen positiveren Blick auf Russland als die Westdeutschen. Was die Unterstützung und Westbindung der Ukraine betrifft, gibt es auch in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen das Nachbarland unterschiedliche Beurteilungen. Der aktuellen Forsa-Umfrage zufolge sind 58 Prozent der Westdeutschen für die Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine. Wohingegen dies nur 32 Prozent der Ostdeutschen befürworten. Nach einer möglichen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine gefragt, sprechen sich 49 Prozent der Westdeutschen und 31 Prozent der Ostdeutschen dafür aus. Die Frage einer möglichen EU-Mitgliedschaft der Ukraine bewerten 56 Prozent der Westdeutschen und nur 40 Prozent der Ostdeutschen positiv.

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In der aktuellen Sonntagsfrage gibt es wenig Bewegung. Die SPD sinkt erneut unter die Marke von 20 Prozent.

 

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