Brüssel und Washington sind sich wieder grün
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News Bilder des Tages USA, Joe Biden empfängt Ursula von der Leyen in Washington President Joe Biden meets with President of the European Commission Ursula von der Leyen in the Oval Office of the White House in Washington, DC on Friday, March 10, 2023. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY WAP20230310324 BONNIExCASH
© Quelle: IMAGO/UPI Photo
Washington. Diplomatie ist das beharrliche Bohren dicker Bretter, und am Freitagnachmittag kann man das in Washington gut beobachten. Da steht EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem anderthalbstündigen Gespräch mit US-Präsident Joe Biden buchstäblich im Nieselregen vor dem Weißen Haus und sagt: „Wir beginnen nun, daran zu arbeiten, mit dem klaren Ziel einer Vereinbarung.“ Das klingt nicht sonderlich substantiell. Und doch ist es ein wichtiger Schritt im europäisch-amerikanischen Subventionsstreit.
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Die Materie, um die es geht, ist einigermaßen sperrig. Das beginnt beim Titel: Der „Inflation Reduction Act“, den der US-Kongress im vorigen Sommer auf Drängen von Biden beschlossen hat, hat mit der Inflation allenfalls am Rande zu tun. Tatsächlich geht es um den Klimaschutz bei gleichzeitiger Sicherung der Industriearbeitsplätze in Amerika. Dazu werden 369 Milliarden Dollar Subventionen für klimafreundliche Produkte bereitgestellt – aber nur, wenn diese aus den USA stammen oder überwiegend dort gefertigt wurden.
Macron erhielt eine Abfuhr von Biden
Aus europäischer Sicht ist das eine schwere Wettbewerbsverzerrung, weshalb sich Politikerinnen und Politiker vom alten Kontinent seit Monaten in Washington die Klinke in die Hand geben: Der grollende französische Staatspräsident Emmanuel Macron wurde Anfang Dezember mit einem pompösen Empfang besänftigt, bekam auf seinen Protest von Biden aber die Antwort: „Ich entschuldige mich nicht.“ Allenfalls „kleine Macken“ bei seinem Vorzeigegesetz mochte der US-Präsident einräumen. Hinter den Kulissen wurde derweil verhandelt. Ende Januar schlug EU-Industriekommissar Thierry Breton in der US-Hauptstadt auf, der für eine robuste europäische Antwort warb. Kurz darauf folgte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck und gab sich vage zuversichtlich. In der vorigen Woche kam Bundeskanzler Olaf Scholz.
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Über die Inhalte der Gespräche kann man nur spekulieren. Eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem US-Präsidenten blieb von der Leyen wie zuvor schon Scholz verwehrt. Doch nach dem Besuch der EU-Politikerin, den diese als „sehr konstruktiv“ bezeichnete, zeichnet sich ab, wie ein drohender Handelskonflikt abgewendet werden soll: Das eigentliche Klimagesetz, so viel ist klar, wird dafür nicht verändert. Das wäre wegen der inzwischen republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus auch gar nicht möglich. Die Nachbesserungen sollen im Kleingedruckten der Ausführungsbestimmungen erfolgen, die der Präsident per Dekret erlassen kann.
Keine Barrieren für Lithium und Nickel aus Europa
Die nun in Angriff genommene Vereinbarung ziele darauf ab, dass kritische Rohstoffe wie Lithium und Nickel, die in Europa gefördert oder beschafft werden, „denselben Zugang zum amerikanischen Markt erhalten, als wären sie in den USA gefördert worden“, erläuterte von der Leyen. Damit würde die EU faktisch den US-Nachbarländern Kanada und Mexiko gleichgestellt, die ein Freihandelsabkommen mit Washington haben. Wichtig sind diese Rohstoffe vor allem bei der Fertigung von Autobatterien. In der Praxis beziehen sowohl die USA als auch Europa den Großteil dieser Materialien bislang aus China. Diese Abhängigkeit soll verringert werden. Am Ende des Prozesses könnte bestenfalls so etwas wie eine transatlantische Einkaufsgemeinschaft stehen, hoffen optimistische Stimmen.
Die Beschwerden vor allem der deutschen Autobauer über eine massive Benachteiligung in den USA waren schon zuvor durch einen anderen Kompromiss teilweise befriedet worden. Demnach gelten die Vorschriften für den Anteil der lokalen Produktion nicht für geleaste Elektrofahrzeuge, die nach Schätzungen mehr als die Hälfte der deutschen E‑Auto-Ausfuhren in die USA ausmachen. Deren amerikanische Kundschaft erhält also denselben Zuschuss wie beim Kauf eines US-Modells.
Die Gefahr eines transatlantischen Subventionswettlaufs ist damit freilich noch nicht gebannt. Immerhin hat die EU das amerikanische Paket gerade mit einem „Green Deal“ gekontert. Damit die beiden Wirtschaftsräume von großen Konzernen nicht gegeneinander ausgespielt werden können, wollen sie künftig zumindest mit offenen Karten spielen. Biden und von der Leyen verständigten sich auf einen „Transparenzdialog“, bei dem die finanziellen Anreize für grüne Technologien offengelegt werden sollen.
Chinas neuer Außenminister Qin Gang warnt die USA
China hat die USA angesichts der zunehmenden Spannungen in den Beziehungen vor der Gefahr eines Konfrontationskurses gewarnt.
© Quelle: Reuters
„Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um die sauberen Technologien voranzubringen“, forderte von der Leyen in Washington. Man ahnt: Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Doch mit der nun erzielten gemeinsamen Grundsatzvereinbarung, die Anreizprogramme für klimafreundliche Technologien „so zu koordinieren, dass sie einander stärken“, scheinen zumindest die Weichen richtig gestellt zu sein.