Versöhnung mit Israel: Deutschland hat zu lange zu wenig gelernt
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Ansprache des israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog im Bundestag.
© Quelle: IMAGO/Fotostand
Heute ist unvorstellbar, woran Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zum 70. Jahrestag des deutsch-israelischen Übereinkommens zur Wiedergutmachung an den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus erinnerte: dass Bundeskanzler Konrad Adenauer den israelischen Außenminister Mosche Scharett bei der Unterzeichnung seinerzeit bat, auf seine vorbereitete Ansprache zu verzichten.
Scharett hätte betont, dass keine Sühne denkbar sei für dieses Massenmorden. Adenauer, der das Abkommen gegen viele Widerstände in der Bundesrepublik und im Bundestag durchsetzen musste, hielt die Deutschen noch nicht für bereit für diese Wahrheit.
Die Deutschen sind nicht die Vergangenheitsbewältigungsweltmeister
Das klingt nach 70 Jahren unvorstellbar, weil seitdem nicht nur die Schuld der Täter, sondern auch die Verantwortung ihrer Nachfahren zum Grundkonsens der Bundesrepublik geworden ist. Das bewies an diesem Dienstag die Rede des israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog im Bundestag, der die Abgeordneten aller Fraktionen zum gemeinsamen Gebet für die sechs Millionen ermordeten Juden bewegte.
Israels Staatspräsident Herzog am Brandenburger Tor
Herzog und seine Frau wurden am Wahrzeichen Berlins von der regierenden Bürgermeisterin Giffey empfangen.
© Quelle: Reuters
In Wahrheit hatten sich die Deutschen allzu schnell allzu gemütlich eingerichtet in ihrer Rolle als Vergangenheitsbewältigungsweltmeister. Wie falsch sie liegen, zeigte Herzogs Besuch ebenfalls: Der Präsident war auch zum Gedenken an das Attentat auf die israelische Olympiamannschaft in München von 1972 gekommen. Die Gedenkfeier hätte an diesem Montag jedoch beinahe ohne ihn und die Hinterbliebenen stattgefunden: weil die Bundesrepublik sich 50 Jahre lang geweigert hatte, ihre Mitschuld am Tod der elf Israeli einzuräumen und die Vorgänge offen aufzuarbeiten.
Noch im Juli versuchte Deutschland, um die Entschädigungssumme für die Hinterbliebenen von 1972 zu feilschen
Die Opfer wurden noch obduziert, da sprach sich die Bundesrepublik schon von jeder Mitschuld frei; die Akten hielten alle Bundesregierungen bis zur heutigen verschlossen – vor allem aus Angst vor Entschädigungen, die zum Präzedenzfall werden könnten. Noch im Juli versuchte Deutschland, um die Entschädigungssumme zu feilschen; erst in letzter Minute wurde eine historische Aufarbeitung vereinbart. Erst in seiner zweiten Amtszeit entschuldigte sich Bundespräsident Steinmeier für den unwürdigen Umgang mit den Hinterbliebenen.
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Olympiaattentat 1972: Wie die Segler der Spiele in Kiel heute darauf zurückblicken
Als Terroristen bei den Olympischen Spielen 1972 in München einen Anschlag verüben, dreht sich auch bei den dazugehörigen Segelwettkämpfen in Kiel die Stimmung. In München ist die Polizei nicht gut organisiert, es sterben 17 Menschen. Doch wie sicher war es damals eigentlich in Kiel? Ein Polizist, ein Arzt und ein Segler berichten von damals.
Das zeigt, dass Deutschland aus der Aufarbeitung des Holocaust zu lange nicht die Lehre zog, dass nur Offenheit, Reue und schonungslose Aufklärung den Weg zur Vergebung ebnen. Die Angst vor Entschädigungszahlungen dagegen, die die Nachkriegspolitiker umtrieb, sei es beim Umgang mit jüdischen Zwangsarbeitern, bei der Aufklärung von „München 1972″ oder bei der Entschuldigung für deutsche Kolonialverbrechen, war stets der schlechteste Ratgeber: Sie hat weder Zahlungen verhindert, noch die Schuld gemildert, geschweige denn Versöhnung ermöglicht.