Von wegen sicher: Was taugen Sicherheitsgarantien wirklich?
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Rettungskräfte stehen in dem Ruinen eines Gebäudes in Charkiw, das nach Beschuss der russischen Armee zerstört wurde.
© Quelle: Diego Herrera/XinHua/dpa
Die Ukraine hat sich bereit gezeigt, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten. Im Gegenzug verlangt die ukrainische Regierung aber Sicherheitsgarantien. Sie sind Gegenstand der Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine, die derzeit stattfinden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erhoffe sich Sicherheitsgarantien von den USA, Großbritannien und der Türkei, weiß der Russland-Experte und Politikwissenschaftler Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck aus ukrainischen Kreisen. „Aber eine solche Sicherheitsgarantie, dass man die Ukraine im Falle einer erneuten russischen militärischen Aggression verteidigen würde, wäre eine Nato-Bündnisgarantie durch die Hintertür“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Konkret heißt das: Wenn Russland noch einmal die Ukraine angreift, müssten westliche Länder einschreiten.
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Mangott gab zu bedenken, dass weder die USA noch die meisten anderen Nato-Staaten der Ukraine diese Verteidigungszusage vor dem Krieg geben wollten. „Ob sie jetzt dazu bereit sind und damit einen bewaffneten Konflikt mit Russland riskieren wollen, da habe ich meine Zweifel.“
Skeptisch ist auch der Militärexperte Gustav Gressel, wie viel Sicherheit diese Garantien wirklich bringen würden. „Sicherheitsgarantien ersetzen niemals eine starke ukrainische Armee, sondern können nur ergänzend vereinbart werden“, sagte er dem RND. Bereits im Budapester Memorandum habe die Ukraine Sicherheitsgarantien von westlichen Staaten und von Russland erhalten. Wie der Krieg nun zeige, habe sich niemand an diese Garantien gehalten. Zudem wisse man nicht, ob die USA nach der nächsten Wahl noch an ihrer Verteidigungszusage festhalten würde.
Für den CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter ist daher entscheidend, wer diese Sicherheitsgarantien letztlich durchsetzt. „Wenn die Garantien nicht garantiert werden, sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie stehen“, sagte er im Gespräch mit dem RND. Kiesewetter sieht nur eine Chance durch den UN-Sicherheitsrat: „Für hieb- und stichfeste Sicherheitsgarantien müsste der UN-Sicherheitsrat eine Klausel formulieren, wonach das Vetorecht bei Verstoß gegen diese Garantien außer Kraft gesetzt wird.“ Sonst würden Vetoländer wie Russland, die selbst Angriffe unternehmen, durch ein Veto jede Hilfe blockieren können. „Wir brauchen sozusagen ein Überstimmungsrecht im UN-Sicherheitsrat, sonst sind die Garantien nichts wert.“ Er forderte, dass dabei auch der Verzicht auf Massenvernichtungswaffen ausdrücklich garantiert werden müsse.
Experten sind skeptisch, dass sich Putin darauf einlässt. „Eine Einschränkung des Vetorechts würde die Zustimmung Russlands benötigen, und das halte ich für ausgeschlossen“, sagte Mangott. „Außerdem würde diese Regelung für alle Sicherheitsratsmitglieder gelten und einige von ihnen haben in der Vergangenheit selbst immer wieder völkerrechtswidrige Kriege geführt.“
Eine solche Regelung durch die UN würde das eigentliche Problem auch gar nicht lösen. „Wer würde unter Autorisierung der Vereinten Nationen tatsächlich mit eigenen Truppen gegen Russland kämpfen, mit dem Risiko einer nuklearen Eskalation?“, gab der österreichische Professor für Internationale Beziehungen zu bedenken. Und warum sollten Staaten in Zukunft bereit sein, an der Seite der Ukraine gegen Russland zu kämpfen, aber jetzt nicht?
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© Quelle: Yehor Harmasch,Raphael Knipping,Iván Furlan Cano,Sitara Thalia Ambrosio/RND
In der Geschichte gab es aber bereits Fälle, in denen sich Sicherheitsgarantien bewährt haben. „Die USA haben bündnisfreie Staaten in der Vergangenheit bereits verteidigt, wie 1956 Österreich“, so Militärexperte Gressel. Damals hatte Russland in Ungarn den Volksaufstand niedergeschlagen. „Die USA haben zugesichert, einen sowjetischen Einmarsch nicht unbeantwortet zu lassen, und dementsprechend eigene Kräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt.“
Ob es bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland aber überhaupt zu einer Lösung kommt und welche Sicherheitsgarantien diese umfassen könnte, ist nach wie vor unklar.