Kontrolle der Lieferketten: Neues EU-Gesetz will gegen Menschenrechtsverstöße vorgehen
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Bangladesch, Tongi: Mitarbeiter der Textilfabrik Viyellatex in einem Vorort von Dhaka arbeiten in der Produktion und nähen T-Shirts.
© Quelle: picture alliance / dpa
Brüssel. Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten müssen in Deutschland seit Jahresbeginn darauf achten, dass ihre Lieferanten nicht gegen die Menschenrechte und den Umweltschutz verstoßen. Im kommenden Jahr wird die Zahl der Firmen steigen, weil die Schwelle auf 1000 Beschäftigte sinkt. Der EU reicht das allerdings nicht aus. Im Laufe der nächsten Jahre sollen alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in die Pflicht genommen werden. So will es zumindest der Rechtsausschuss des Europaparlaments, der am Dienstag eine verschärfte Lieferkettenrichtlinie auf den Weg brachte.
Die Abstimmung in Brüssel fiel mit dem zehnten Jahrestag der Katastrophe in der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch zusammen. Beim Einsturz des Gebäudes kamen im April 2013 mehr als 1100 Menschen ums Leben. Das sei ein schrecklicher Weckruf für mehr Verantwortung der Unternehmen in Europa gewesen, sagte Bundesentwicklungsminister Svenja Schulze (SPD) am Wochenende: „Dass wir heute in Deutschland ein Lieferkettengesetz haben, ist auch eine Konsequenz aus den Ereignissen von vor zehn Jahren.“ Der nächste Schritt müsse nun ein starkes europäisches Lieferkettengesetz sein, so Schulze.
Umfassende Kontrolle
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat dazu jetzt den ersten Schritt getan. Die Unternehmen in der EU sollen künftig nicht nur überwachen, ob ihre Lieferanten im Ausland die Menschenrechte achten und die Umwelt schützen. Auch Partnerunternehmen, die Produkte transportieren oder entsorgen, müssten kontrolliert werden. Diese Pflicht soll für Firmen in der EU mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro gelten. Das wäre eine deutliche Verschärfung der Regeln im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz.
Bei Verstößen sollen Strafen von bis zu 5 Prozent des globalen Umsatzes eines Unternehmens möglich sein. Auch sollen betroffene Beschäftigte das Recht bekommen, die Unternehmen vor Gerichten in der EU auf Schadensersatz zu verklagen. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen sollen Sammelklagen einreichen können.
Noch ist unklar, wie das europäische Lieferkettengesetz genau aussehen wird. Erst muss das Plenum des Europaparlaments den Vorschlag billigen. Dann beginnen die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedsstaaten. Dort regt sich bereits Kritik. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) nannte den Kompromissvorschlag des Rechtsausschusses „bürokratischen Irrsinn“ und „realitätsferne Überregulierung“. Von den Unternehmen werde „eine Kontrolle erwartet, die in der Regel jenseits ihrer tatsächlichen Einflussmöglichkeiten liegt“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Das werde vor allem dem Mittelstand schaden.
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Grüne verteidigen Vorschlag
Dagegen verteidigte Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Europaparlament, die Entscheidung. „Die gemeinsamen europäischen Regeln schaffen gleiche Wettbewerbsbedingungen nicht nur für alle Unternehmen im Binnenmarkt, sondern auch für alle Unternehmen aus Drittländern, die ihre Produkte einführen wollen“, sagte Cavazzini dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). So müssten etwa Unternehmen aus China ab einer bestimmten Größe ebenfalls die Sorgfaltspflichten erfüllen.
Sie erwarte keine Klagewelle gegen Unternehmen, sagte die Grünen-Europaabgeordnete: „Die Haftung greift nur, wenn die Unternehmen fahrlässig handeln und ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen.“ Dennoch sei die Haftung ein wichtiges Element des neuen Gesetzes, „weil so Opfer von Menschenrechtsverletzungen endlich einen garantierten Zugang zum Rechtsweg in Europa erhalten“.