Der neue Sozialismus in den Niederlanden

Wie reich dürfen Menschen sein?

Wachsendes Vermögen ohne Grenze? Damit soll bald Schluss sein, wenn es nach einigen Niederländern geht.

Wachsendes Vermögen ohne Grenze? Damit soll bald Schluss sein, wenn es nach einigen Niederländern geht.

Amsterdam. In den Niederlanden wird über eine neue Form der sozialen Umverteilung diskutiert. Die Folgen der Corona-Pandemie und die hohe, zweistellige Inflation heizen die Debatte an. Die zentrale Frage dabei lautet: Wie reich darf ein Mensch sein? Und weiter: Dürfen Menschen so viel Geld haben, das sie nie im Leben ausgeben können, während andere nicht genügend haben, um sich auch nur die nötigen Nahrungsmittel kaufen zu können?

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Asha ten Broeke, Kolumnistin der linksliberalen Zeitung „de Volkskrant“, formuliert die Idee des neuen Sozialismus, der sich Limitarismus nennt, so: „Es ist ganz einfach. Man kann armen Menschen helfen, indem man ihnen Geld gibt, damit sie nicht mehr arm sind. Genauso könnte man reiche Menschen weniger reich machen, indem man sie von ihrem überflüssigen Reichtum befreit. So wie es ein Existenzminimum gibt, sollte es auch ein Existenzmaximum geben.“ Ten Broeke führt weiter aus: „Die Reichen können so viel Geld behalten, damit sie ein Leben in Luxus führen können. Aber all das, was sie darüber hinaus nicht mehr brauchen, diese Finanzmittel sollten vom Staat abgeschöpft werden.“

Das ist ein Plädoyer für eine knallharte Vermögenssteuer. Doch wo liegt die Grenze dessen, was man braucht, um luxuriös leben zu können? Und was ist ein Existenzmaximum? Oder anders formuliert: Wo liegt die Reichtumsgrenze? Wie viel Geld braucht man, um im Luxus leben zu können?

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In den Niederlanden ist das Existenzminimum, also die Armutsgrenze, gesetzlich definiert. Wer als Alleinstehender monatlich weniger als 1195,66 Euro zur Verfügung hat, der fällt unter die Armutsgrenze. Für Verheiratete liegt diese Armutsgrenze bei einem Einkommen von minimal 1708,08 Euro monatlich.

Auch die Reichtumsgrenze, die die Limitaristen nun fordern, wurde bereits definiert – allerdings noch nicht gesetzlich festgeschrieben. Aus einer aktuellen Umfrage unter 2500 Niederländerinnen und Niederländern geht hervor, dass diese Grenze nach deren Meinung bei einem Vermögen von 2,2 Millionen Euro liegt. Wer eine Villa mit Schwimmbad, ein zweites Haus und zwei Autos besitzt sowie auf der Bank ein Vermögen von mindestens einer halben Million Euro hat, der gilt der Umfrage zufolge in den Niederlanden als ex­trem reich.

Marktplatz für Reiche: Die "Masters of LXRY"-Messe in Amsterdam dreht sich um Luxusgüter.

Marktplatz für Reiche: Die „Masters of LXRY“-Messe in Amsterdam dreht sich um Luxusgüter.

Das „überflüssige“ Vermögen dieser „extrem Reichen“ sollte vom Staat abgeschöpft werden, fordern die Limitaristen in ihrer Umverteilungstheorie. Einer von ihnen ist Dick Timmer. Der Politologe und Philosoph ist einer der Wortführer der neuen Bewegung. An der Universität Utrecht promovierte der 29-Jährige zum Thema „Gerechtigkeit und Umverteilung“.

„Wer bis zu einer Million Vermögen hat, den bezeichnen die meisten Niederländer nicht als reich“, sagt Timmer in der Zeitung „de Volkskrant“. „Was darüber liegt, das ist kritisch. Bei 2,2 Millionen Euro Vermögen liegt der Wendepunkt. Alles, was darüber liegt, das ist zu viel.“ Im Klartext: Wer mehr als 2,2 Millionen Euro besitzt, soll das Vermögen, das darüber liegt, abgeben. Wenn nicht freiwillig, dann müsse der Staat mit Zwang über entsprechende Gesetze nachhelfen, so die Limitaristen.

Das Thema bewegt die Menschen nicht nur in den Niederlanden. In Deutschland forderte das Bündnis Unteilbar auf Demonstrationen zum Beispiel auch: „Die Reichen müssen für die Krise zahlen. Wer hat, der gibt.“ In zahlreichen öffentlichen Diskussionen und Debatten in den Medien geht es seit einiger Zeit verstärkt um Umverteilung.

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Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer

Unübersehbar ist, dass auch in den Niederlanden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Der Mittelstand verschwindet langsam. Diesen gesellschaftspolitischen Prozess haben die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg mit der daraus resultierenden Energiekrise und die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit ihrer Politik des billigen Geldes beschleunigt. Das alles führte zur jetzt so hohen Inflation.

Jan Modaal – wie man den holländischen Otto Normalverbraucher nennt – wird dadurch immer ärmer. Die Reichen dagegen bleiben von all diesen Folgen der Krisen so gut wie unbehelligt. Im Gegenteil: Sie werden noch reicher. Die Zeitschrift „Quote“ hat errechnet, dass das Vermögen der Superreichen im vergangenen Krisenjahr 2022, in dem fast alle Börsen der Welt zweistellige Kurseinbrüche verzeichnen mussten, in den Niederlanden um 4,7 Prozent auf jetzt insgesamt 230 Milliarden Euro gestiegen ist. Die Zahl der Milliardärinnen und Milliardäre in den Niederlanden hat sich demnach 2022 um zwei auf 47 erhöht.

Die 68-jährige Charlene de Carvalho-Heineken, die einzige Tochter und Alleinerbin des 2002 verstorbenen Biermagnaten Freddy Heineken, ist mit einem geschätzten Vermögen von 12,8 Milliarden Euro nach wie vor die reichste Niederländerin. Ralph Sonnenberg, Chef der Luxaflex-Familie Sonnenberg, rangiert mit einem geschätzten Vermögen von 6,2 Milliarden Euro mit einigem Abstand hinter der Heineken-Erbin. Nummer drei auf der Liste der reichsten Niederländer ist Frits Goldschmeding. Der 89-Jährige ist der Gründer der Zeitarbeitsfirma Randstad. Sein Vermögen wird auf 5,2 Milliarden Euro taxiert.

„Die gesellschaftspolitischen Fragen über Reichtum gehen nicht darum, ob jemand ein paar Prozent mehr oder weniger bekommt. Es geht darum, dass es Menschen gibt, die zu wenig zum Leben haben, und dass es Menschen gibt, die zu viel zum Leben haben. Das ist ungerecht“, meint der politische Philosoph Timmer, der mittlerweile an der Technischen Universität Dortmund lehrt.

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Fakt ist: Ein Prozent der reichsten Niederländer besitzt derzeit 25 Prozent des gesamten Vermögens der Niederlande.

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