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Absichten des türkischen Präsidenten

Warum Erdogan unbedingt zwischen Kiew und Moskau vermitteln will

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Athen. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat schon viele ausländische Amtskollegen in seiner Heimatstadt Antalya empfangen. Aber noch nie stand so viel auf dem Spiel wie jetzt beim Treffen der Außenminister Russlands und der Ukraine. Er erhoffe sich von den Gesprächen einen „Wendepunkt“ und einen „wichtigen Schritt in Richtung auf Frieden und Stabilität“, schrieb Cavusoglu auf Twitter.

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In türkischen Diplomatenkreisen hofft man, das Treffen in Antalya könnte den Weg zu direkten Gesprächen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ebnen. Selenskyi hatte sich noch unmittelbar vor der russischen Invasion um ein Gespräch mit Putin bemüht, war damit aber abgeblitzt.

Seit Beginn des Konflikts, der schließlich in den russischen Krieg gegen die Ukraine mündete, versucht die Türkei, die Rolle des Vermittlers zu übernehmen. Russland ist für die Türken ein wichtiger Handelspartner, Tourismusmarkt und Energielieferant. Zwei Drittel der türkischen Getreideimporte kommen aus Russland. Ein russischer Staatskonzern baut das erste Atomkraftwerk in der Türkei.

Auch zur Ukraine unterhält die Türkei enge Handelsbeziehungen. Das Land ist überdies ein bedeutender Kooperationspartner der türkischen Rüstungsindustrie.

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Die Türkei werde keines der beiden Länder aufgeben, bekräftigt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seit Wochen – und versucht eine politische Gratwanderung: Er liefert Kampfdrohnen an die Ukraine, beteiligt sich aber nicht an den Sanktionen des Westens gegen Russland. Als einziger Nato-Staat hält die Türkei ihren Luftraum für russische Flugzeuge offen. Damit ist der Istanbuler Airport jetzt eine der letzten Drehscheiben für den Luftverkehr zwischen Russland und dem Westen. Die Türkei hat den Bosporus für russische Kriegsschiffe gesperrt, aber auch für Schiffe der Nato-Partner.

Explosionsartig steigende Energiekosten in der Türkei

Doch je länger der Krieg dauert, desto schwieriger wird es für Erdogan, diesen Balanceakt durchzuhalten. Vergangene Woche trafen neue türkische Kampfdrohnen in der Ukraine ein – zum Ärger Moskaus. Zugleich wächst im Westen der Druck auf Erdogan, sich den Sanktionen gegen Russland anzuschließen.

Auch innenpolitisch wird der Krieg für den türkischen Staatschef zu einem immer größeren Problem. Die explosionsartig steigenden Energiekosten sorgen für zunehmende Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Im Februar stieg die Inflation auf fast 55 Prozent.

Gut ein Jahr vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen ist ein neuer Preisschub das Letzte, was Erdogan gebrauchen kann. Die Umfragewerte seiner Regierungspartei AKP sind ohnehin so schlecht wie nie zuvor seit Erdogans erstem Wahlsieg Ende 2002. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine könnten sein politisches Schicksal besiegeln.

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Erdogan wird ein guter Draht zu Putin nachgesagt

Deshalb setzt Erdogan jetzt alles daran, den Konflikt zu entschärfen. Vergangenen Sonntag telefonierte er eine Stunde lang mit Wladimir Putin. Erdogan wird ein guter Draht zum Kremlchef nachgesagt, beide Männer ticken ähnlich in ihrem politischen Ego.

Beide haben sich aus einfachen Verhältnissen an die Staatsspitze hochgekämpft, Erdogan als Sohn eines Seemanns, Putin als drittes Kind eines Fabrikarbeiters. Beide schwelgen in der Vergangenheit: Putin will Russland wieder zur Weltmacht führen, Erdogan hängt neo-osmanischen Großmachtfantasien nach.

Greifbare Ergebnisse scheint das Telefonat aber nicht gebracht zu haben, obwohl der türkische Staatschef seinem russischen Kollegen einen verlockenden Deal unterbreitet haben soll: Erdogan habe Putin angeboten, die Türkei, Russland und China könnten sich vom Westen abkoppeln und ihre Geschäfte in lokalen Währungen und Gold abwickeln, berichtet die regierungsnahe türkische Zeitung „Hürriyet“. Das Blatt sieht darin eine „historische Chance“ für die Türkei.

Stimmt der „Hürriyet“-Bericht, hätte sich Erdogan allerdings damit aus Sicht des Westens als unparteiischer Vermittler disqualifiziert.

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