Wusste die CIA von ukrainischen Plänen für die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines?
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Das Nord-Stream-2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft.
© Quelle: -/Danish Defence Command/dpa
Es sind brisante Informationen zum Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines, über die die renommierte amerikanische Tageszeitung „Washington Post“ (WP) berichtet: Vor einem Jahr soll der US-Geheimdienst CIA von einem europäischen Nachrichtendienst erfahren haben, dass eine ukrainische Spezialeinheit die Ostseepipelines sabotieren wolle.
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Das Blatt bezieht sich dabei auf durchgesickerte Geheimdienstdokumente, die zu den sogenannten Discord-Leaks gehören. Diese wurden mutmaßlich vom US-Nationalgardisten Jack Teixeira auf der gleichnamigen Plattform geteilt. Teixeira wurde im April festgenommen.
Die mutmaßlichen Pläne der ukrainischen Gruppe sollen bis in die Details große Ähnlichkeiten mit den tatsächlichen Anschlägen auf die Pipelines haben, die im vergangenen September durchgeführt wurden. Demnach sei in den Plänen von sechs Mitgliedern von ukrainischen Spezialeinheiten die Rede, die mit falschen Identitäten ein Boot mieten und damit zum Anschlagsort fahren würden.
Selenskyj soll in die ukrainischen Anschlagspläne nicht eingeweiht gewesen sein
Dort sollten sie mit einem Unterwasserfahrzeug an den Meeresgrund tauchen und Schaden an den Pipelines anrichten oder sie ganz zerstören, bevor sie unerkannt fliehen wollten. Dazu plante die Gruppe offenbar auch den Einsatz von Helium, das auf Tauchgängen in besonderer Tiefe empfohlen werde, schreibt die „WP“. Die Nord-Stream-Pipelines liegen am Anschlagsort in einer Tiefe von etwa 80 Metern.
Laut „WP“ sei der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht in die Anschlagspläne eingeweiht gewesen. Stattdessen soll die Gruppe direkt an den Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, berichtet haben. Damit sollte ermöglicht werden, dass Selenskyj eine ukrainische Verantwortung an dem „dreisten Angriff auf die zivile Infrastruktur“ in Europa glaubhaft zurückweisen könne, so das US-Blatt.
Gemeinsamkeiten mit tatsächlichem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines
Deutsche Ermittler verfolgen tatsächlich eine Spur, der zufolge eine sechsköpfige Gruppe mit Bezug zur Ukraine mit falschen Identitäten ein Boot angemietet habe und damit von Rostock-Warnemünde aus in See gestochen sei. Das verdächtige Schiff wurde bereits gefunden – inklusive Sprengstoffspuren an Bord. Es soll von einer polnischen Briefkastenfirma angemietet worden sein.
Zuletzt hatte es vermehrt Hinweise auf die Ukraine als Urheber der Nord-Stream-Explosionen gegeben. Ende Mai berichtete zudem ein Recherchekollektiv aus NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“, dass deutsche Ermittler neuen Hinweisen auf eine Beteiligung des ukrainischen Militärs an den Anschlägen nachgingen. Demnach sei ein ukrainischer Militärangehöriger identifiziert worden, der bei der Attacke dabei gewesen sein soll. Daneben werden jedoch noch viele weitere Hinweise verfolgt.
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Die CIA zweifelte wohl an den Informationen
Daneben gebe es laut „WP“ jedoch auch Unterschiede zwischen den mutmaßlichen ukrainischen Plänen und der tatsächlichen Ausführung. So zielte die mutmaßliche ukrainische Gruppe lediglich auf die Pipeline Nord Stream 1 ab. Die neuere Gasröhre Nord Stream 2 war zum Zeitpunkt des Anschlags nicht in Betrieb. Kurz vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte die Bundesregierung das Zertifizierungsverfahren für die Gasleitung gestoppt. Zuvor war sie bereits mit Hunderten Millionen Kubikmetern Erdgas befüllt worden, um sie betriebsbereit zu machen.
Zudem plante die mutmaßliche ukrainische Gruppe laut „WP“ nicht, von Rostock aus in See zu stechen, sondern „von einem anderen Ort in Europa“. Weiter berichtet das Blatt, dass die CIA zunächst an der Echtheit der Informationen zweifelte, da die Quelle des Geheimdienstes zu jenem Zeitpunkt noch nicht als vertrauenswürdig eingestuft worden sei. Der europäische Partnerdienst, der die Informationen an die USA übermittelte, habe die Quelle jedoch für vertrauenswürdig gehalten. Trotz der Zweifel soll die CIA ihre Informationen mit deutschen und anderen europäischen Nachrichtendiensten geteilt haben.
Am 26. September 2022 haben mehrere Explosionen in der Ostsee Lecks in drei von vier Strängen der Pipelines Nord Stream 1 und 2 gerissen. Lediglich ein Strang der Röhre Nord Stream 2 blieb intakt. Westliche Staaten haben öffentlich angesichts des Krieges in der Ukraine Russland hinter den Anschlägen vermutet. Sowohl von den USA als auch europäischen Staaten wurde der Verdacht geäußert, dass der Kreml in der Energiekrise weiteren Druck auf Europa ausüben wolle.
RND/sic/dad