Bitterer Nachgeschmack

Prinz Harry und die Windsors in der königlichen Blase

Prinz Harry, Herzog von Sussex, und Meghan, Herzogin von Sussex, im April 2022 bei den Invictus Games im niederländischen Den Haag.

Prinz Harry, Herzog von Sussex, und Meghan, Herzogin von Sussex, im April 2022 bei den Invictus Games im niederländischen Den Haag.

Kein Sachbuch hat sich in Großbritannien jemals so schnell verkauft wie dieses. Prinz Harrys Autobiografie mit dem Titel „Spare“ (deutscher Titel: „Reserve“) ging am Dienstag der vergangenen Woche, dem Tag der Veröffentlichung, allein in Großbritannien 400.000-mal über die Ladentheken des Landes – als Hardcover, Hörbuch und E-Book. Ein Rekord.

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Der Reiz liegt darin, einen Blick hinter die Kulissen des Palastes zu werfen. Schließlich hat nie zuvor ein britischer Royal seine Lebensgeschichte selbst in Worte gefasst. Prinz Harry, der seit mehr als zwei Jahren mit seiner Frau Herzogin Meghan dem Palast den Rücken gekehrt hat, um in Kalifornien ein neues Leben zu beginnen, geizt in seinem Werk nicht mit Details – mit womöglich verheerenden Folgen für den Palast.

Ghostwriter J. R. Moehringer lässt Enthüllungen freien Lauf

Eine verstörende Episode wird dem Leser nach der Hälfte des in der deutschen Übersetzung rund 500 Seiten starken Wälzers zuteil. Der Prinz erzählt, dass er sich eine Creme, die seine Mutter Diana einst für ihre Lippen benutzt haben soll, auf den Penis schmierte, um die Symptome einer Erfrierung zu lindern. Schockierte Leser beschreiben diesen Moment als „freudianischen Albtraum“.

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Während der Lektüre stellt sich das Gefühl ein, dass dieses Buch niemals hätte veröffentlicht werden sollen. Schließlich wirkt Prinz Harry, auch vor dem Hintergrund der Therapien, die er absolvierte, wie jemand, der gerade erst Zugang zu seinen Gefühlen und auch zu vielen Erinnerungen gefunden hat. Doch statt diese für sich zu behalten, teilt er sie mit der Welt. Sein Ghostwriter J. R. Moehringer lässt den Enthüllungen freien Lauf und wird dabei noch berühmter und natürlich auch reicher. Ein schmutziges Geschäft, von dem auch Medien profitieren.

Harry, der entrückte Sohn

Würde der Prinz nur über sich selbst Auskunft geben, wäre das eine Sache. Doch viele Stellen drehen sich auch um sein Verhältnis zu seinem Bruder William und seinen Vater König Charles III. Viel wurde berichtet über den handgreiflichen Streit zwischen den Brüdern im Jahr 2019, der in dem Buch zur Sprache kommt, und darüber, dass Charles sich nach dem Tod von Diana angeblich nicht genug um Prinz Harry gekümmert haben soll.

Der entrückte Sohn zeichnet ein unsympathisches Bild seiner royalen Verwandtschaft. Charles wirkt kühl, William cholerisch. Dabei erhält der Leser überdies den Eindruck, dass sich die Royals hauptsächlich für sich selbst interessieren. So sollen die Brüder offenbar eine geschlagene Woche lang einen völlig belanglosen Streit darüber geführt haben, ob Prinz Harry anlässlich seiner Hochzeit im Mai 2018 einen Bart tragen darf oder nicht. Damit erhärtet sich der Verdacht, dass die Windsors tatsächlich in einer königlichen Blase leben.

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In Großbritannien herrscht Ausnahmezustand

Verheerend ist das deshalb, weil sich das Land aktuell in einer politischen und wirtschaftlichen Krise befindet. Das nationale Gesundheitssystem NHS kollabiert, Streiks legen das öffentliche Leben seit Wochen lahm. Es herrscht der Ausnahmezustand. Schenkt man den Schilderungen des Prinzen Glauben, ist die königliche Familie, welche als wertvolles Gegengewicht zum skandalgebeutelten Politikbetrieb gilt, jedoch ebenso vor allem mit der eigenen Nabelschau beschäftigt. Die Royals scheinen völlig abgehoben von „echten“ Problemen. Die Lektüre hinterlässt so einen äußerst bitteren Nachgeschmack.

Das Königshaus hat sich bislang nichts zu den Enthüllungen geäußert. Dahinter steckt vermutlich die Strategie, den Medien nicht noch mehr Futter geben zu wollen. Das ist verständlich, aber auch problematisch. Denn damit erhärtet sich der Eindruck, dass viele Anschuldigungen des 38-Jährigen im Kern der Wahrheit entsprechen.

Harry schlägt aus seinem Prinzendasein Kapital

Statt ihm Einhalt zu gebieten, soll König Charles den verlorenen Sohn sogar zu seiner Krönung im Mai dieses Jahres eingeladen haben. Auf einer persönlichen Ebene ist das verständlich. Angesichts der Tatsache, dass Prinz Harry inzwischen schon seit zwei Jahren schamlos aus seinem Prinzendasein Kapital schlägt, wäre es jedoch dringend an der Zeit, ihm Grenzen aufzuzeigen – zum Beispiel durch eine Erklärung oder indem man ihm seine Titel entzieht. Der Palast sollte ihm Einhalt gebieten. In Sicht ist solch ein Schritt jedoch nicht.

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