Psychologin zum Fall Metzelder: Was der Vorwurf der Kinderpornografie mit einem Prominenten macht
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Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Isabella Heuser-Collier, Direktorin der Klinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité, steht vor dem Charité Campus Benjamin Franklin in Steglitz.
© Quelle: picture alliance/dpa
Der frühere Fußball-Nationalspieler Christoph Metzelder muss sich ab Donnerstag (29. April) in Düsseldorf vor Gericht verantworten. Ihm wird der Besitz kinder– und jugendpornografischer Schriften vorgeworfen. Hinzu kommt der Vorwurf, er habe einer anderen Person Besitz an kinderpornografischen Schriften verschafft. Metzelder selbst hat sich bislang nicht öffentlich zu den Vorwürfen geäußert.
Wenige Tage vor Beginn des Strafprozesses hat sein Verteidiger zu den Vorwürfen öffentlich Stellung genommen. „Er weiß, was er gemacht hat. Er weiß auch, dass man das als Fehler bezeichnen kann“, sagte Strafrechtsprofessor Ulrich Sommer dem Fernsehsender RTL. Um den Ex-Profifußballer sei es seit den Vorwürfen einsam geworden, zahlreiche freundschaftliche Kontakte seien abgebrochen, berichtet der Verteidiger.
Im Interview spricht Prof. Dr. Isabella Heuser-Collier, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité Berlin, über die Auswirkungen solcher Vorwürfe auf Menschen in der Öffentlichkeit, den anstehenden Prozess und die Aussagen, dass Metzelder freiwillig eine Therapie machen soll.
Frau Heuser, Christoph Metzelder wird der Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriten vorgeworfen sowie einer anderen Person zum Besitz von kinderpornografischen Schriften verholfen zu haben. Sein Anwalt hat in einem Interview gesagt, dass es „sehr einsam“ um den Sportler geworden und viele Kontakte abgebrochen seien. Was passiert in dem Umfeld eines Menschen, dem so etwas vorgeworfen wird?
Die Fallhöhe bei Prominenten ist besonders hoch. Solche Menschen haben oft Hochachtung, Respekt, vielleicht sogar Zuneigung durch Fans erlebt. Wir alle haben quasi Schalen von Vetrauten um uns herum: Familie ist in der Regel die vertrauteste Schale, dann kommen gute Freunde, dann gute Bekannte, dann vielleicht Kollegen oder fernere Bekannte, und bei Prominenten gibt es noch eine riesige Schale von Öffentlichkeit.
Bei schweren Vorwürfen wie Kinderpornographie, was praktisch jeder widerlich findet und wo Ablehnung das vorherrschende Gefühl ist, fallen vielleicht sogar die innersten Schalen dieser Vertrauenszwiebel, wie die Familie, weg. Das ist dann schon sehr einsam. Zumal Prominente sich noch nicht mal mit guten Freunden darüber austauschen können, weil sie Gefahr laufen, dass die sich mal verplappern und vertrauliche Information an die Öffentlichkeit gelangt. Das ist sehr schwierig. Auch wenn man sagt, so etwas ist nicht rechtfertigungsfähig, hat doch fast jeder auch das Bedürfnis, das mit jemandem zu besprechen. Das ist eine Art Entlastung und so eine Entlastung haben Prominente häufig nicht.
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Im September 2019 sind die Vorwürfe gegen Christoph Metzelder öffentlich geworden, nun steht mehr als 1,5 Jahren später vor Gericht. Glauben Sie, dass der jetzt anstehende Prozess auch eine Form von „Erleichterung“ für eine angeklagte Person bedeuten kann – weil das Thema dann irgendwann abgeschlossen ist?
Das kommt darauf an, was vor Gericht herauskommt. Das wird mit großer Scham einhergehen, auch weil er sich Kindeswohl mit seinem sozialen Engagement auf die Fahnen geschrieben hatte. Insgesamt ist so ein Prozess aber für so jemanden erst mal entlastend, weil es irgendwie zu Ende gebracht wird.
Wird mit Prominenten, denen Kinderpornografie vorgeworfen wird, auch in der Öffentlichkeit härter ins Gericht gegangen als mit solchen, die beispielsweise wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden?
Selbst wenn Promis beispielsweise betrunken Auto fahren und jemanden verletzen – also schon etwas schlimmes passiert – wird das erstaunlich schnell von der Öffentlichkeit vergessen. So jemand kann durchaus darüber hinwegkommen. Aber Kinderpornografie ist etwas, was bei den meisten eine starke moralische Verurteilung und Ablehnung auslöst.
Glauben Sie, dass Metzelder im Falle eines Freispruchs diesen Vorwurf wieder „loswird“?
Rechtlich natürlich, aber im Empfinden der Menschen? Fraglich! Es würde sicherlich auch auf den Umstand des Freispruches ankommen. Wenn man sich an den Fall Kachelmann erinnert: Da ging es auch um einen schlimmen Vorwurf, um Vergewaltigung. Wenn es um Kinder geht, denke ich, ist es noch mal schwerer zu „vergessen“. Herr Kachelmann hat eine Art Freispruch zweiter Klasse bekommen – also im Zweifel für den Angeklagten – und das wurde nicht vergessen.
Ich glaube, dass es generell sehr schwer sein wird, dass so jemand wie Metzelder noch mal denselben Respekt bekommen oder auch dieselbe Wirksamkeit haben wird zum Beispiel in solchen Stiftungen, wie er es vorher hatte. Etwas bleibt immer hängen.
Christoph Metzelder soll auf Eigeninitiative seit 1,5 Jahren in Therapie sein, sein Anwalt sagte über die Therapie gegenüber RTL: „Es ist eine Hilfe dabei, sich bewusst zu machen, wie man selbst in seiner besonderen Situation mit bestimmten Fragen wie Sexualität, Umgang mit Frauen und Ähnlichem umgegangen ist“. Wie klingt das für Sie?
Das klingt mir schon ein bisschen medien- oder öffentlichkeitsgefällig. Es macht sich immer irgendwie gut, wenn jemand, der solchen Vorwürfen ausgesetzt ist, in Therapie geht. Früher ging man in die Kirche und hat gebeichtet und bekam dann die Absolution, heutzutage geht man zu einem Psychotherapeuten. Sicherlich hilft das, um mit dem ganzen Stress zurechtzukommen. Ich weiß aber nicht, warum jetzt der Umgang mit Frauen bearbeitet werden muss. Ihm wird ja nicht vorgeworfen, dass er Frauen schlecht behandelt hat. Das klingt mir eher nach einem Versuch, Demut und „Einsicht“ zu zeigen.
Unabhängig vom aktuellen Fall: Wenn jemand tatsächlich pädophile Neigungen hat, wäre eine Therapie doch aber sinnvoll, oder?
Ja, auf jeden Fall. Es gibt zum Beispiel an der Charité ein Programm für Männer mit pädophilen Neigungen, das heißt „Kein Täter werden“. Das wurde am sexualmedizinischen Institut entwickelt und in ganz vielen Städten eingeführt. Da lernen pädophile Männer, ihren sexuellen Sehnsüchten nicht nachzugeben. Es wird nicht versucht, ihnen dieses sexuelle Verlangen „auszutreiben“, das funktioniert nicht, sondern es wird gelernt, damit umzugehen, ohne Kinder zu missbrauchen.
Und zu Kindesmissbrauch gehört eben auch, wenn man sich Bilder ansieht, auf denen sexuelle Handlungen an Kindern gezeigt werden. Diese Kinder wurden ja durch solche Aufnahmen missbraucht. Für die Teilnahme an diesem Programm müssen sich die Männer aber natürlich eingestehen, dass sie diese Neigungen haben.
Metzelders Anwalt hat auch von einem „Kick“ gesprochen, den der Fußballer gesucht hat und meinte mit Bezug auf Kinderpornografie: „Irgendwann gibt es diesen Kick auch mit Dingen, die man tunlichst nicht angefasst haben sollte.“ Wie schätzen Sie das ein?
Ich weiß nicht, was das für ein Kick gewesen sein soll. Ich könnte mir eher vorstellen, dass es eine Attraktion für Kinderpornografie oder überhaupt gegenüber Kindern gab, und das Engagement gegen Kindesmissbrauch genutzt wurde, um das abzuwehren. Dieses Verhalten ist nicht unüblich, um sich sozusagen selbst in Schach zu halten und trotzdem mit der Materie zu tun zu haben.