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Welttourismustag am 27. September

„Noch viel Luft nach oben“: So steht es um Nachhaltigkeit im Tourismus

Venedig ist bei Touristinnen und Touristen beliebt. Besonders an den beliebten Monumenten der Stadt kommt es daher oft zu Staus.

Urlauberinnen und Urlauber in Venedig – die Stadt hat seit Jahren mit Overtourism zu kämpfen.

Der diesjährige Welttourismustag am 27. September 2022 steht ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit und zukunftsweisenden Initiativen der Reisebranche. Das Motto lautet in diesem Jahr: „Rethinking Tourism“ – „Tourismus neu denken“.

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Fest steht: Die europäische Reisebranche ist im Wandel. Und ein Hauptziel ist es, nachhaltiger zu sein. Doch ist sie dabei auf einem guten Weg? Oder mahlen die Mühlen noch zu langsam? Um diese und weitere Fragen zu klären, hat die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) eine Studie durchgeführt, deren Ergebnisse öffentlich zugänglich sind.

Die Studie trägt den Namen „European Tourism Going Green (ETGG) SME 2030″ und wurde unter der Beteiligung von 21 Ländern im Mai veröffentlich. Das Resümee von Heike Dickhut, HNEE-Wissenschaftlerin und Mitautorin der Studie: „Es gibt noch viel Potenzial, um Tourismus in Europa nachhaltiger und innovativer zu gestalten.“

Nachholbedarf auch in Deutschland

Auch in Deutschland. Laut der aktuellen Studie ist der Wille für mehr Nachhaltigkeit hierzulande zwar vorhanden, doch variiere die Ausprägung nachhaltiger Ziele von Bundesland zu Bundesland. Ein weiteres Problem: die soziale Nachhaltigkeit.

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„Die Arbeitsverhältnisse im Tourismus sind in Deutschland im Vergleich zu anderen Branchen schlecht“, sagt der Leiter der Studie, Wolfgang Strasdas, im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Es würden niedrige Löhne gezahlt, die Arbeitszeiten seien überlang, und „das Qualifikationsniveau passt oft nicht“ – die Leute seien häufig über- oder unterqualifiziert.

Keine Fortschritte im Bereich Transport und Verkehr

Aber nicht nur in Deutschland hakt es beim Thema Nachhaltigkeit im Tourismus noch an einigen Stellen. Allgemein sei „noch viel Luft nach oben“, so Strasdas. Besonders problematisch sei das Thema Verkehr und Transport: „Dort hat es überhaupt keine Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit gegeben.“

Die Reisedauer der Menschen sei in den vergangenen Jahrzehnten immer kürzer geworden. „Wenn ich nur ein Wochenende nach Barcelona möchte, dann kann ich da nicht mit der Bahn hin“, so Strasdas, der an der Hochschule den Masterstudiengang „Nachhaltiges Tourismusmanagement“ leitet. Gleichzeitig würden die Menschen auch noch häufiger reisen und dabei deutlich mehr Strecken zurücklegen als früher.

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Kreuzfahrten sind trotz aller Bemühungen „völlig unnachhaltig“

Viel Strecke legen auch die Kreuzfahrtschiffe zurück, die nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie wieder in großer Zahl über die Weltmeere schippern. Die Reedereien haben das Thema Nachhaltigkeit ebenfalls im Blick und versuchen seit Längerem, umweltfreundlicher zu werden.

Kreuzfahrtschiffe sind einer der Treiber von Overtourism.

Kreuzfahrtschiffe sind einer der Treiber von Overtourism.

Strasdas hält Kreuzfahrtschiffe trotz ihrer Bemühungen für „völlig unnachhaltig“. Und zwar nicht nur wegen ihrer hohen Emissionen: „Die Reisedestinationen, die die Schiffe ansteuern, haben davon fast gar nichts. Ganz im Gegenteil. Kreuzfahrten sind einer der Treiber von Overtourism. Große Menschenmengen werden innerhalb kürzester Zeit über Hafenstädte ausgeschüttet, verstopfen dort alles, geben aber wenig Geld aus. Selbst die ökonomische Nachhaltigkeit ist also nur wenig ausgeprägt.“ Auch die soziale Nachhaltigkeit sei mit Blick auf die Arbeitsbedingungen problematisch.

Corona-Pandemie und Krieg treiben Nachhaltigkeit voran

Es gibt jedoch nicht nur Negatives zu berichten. Positiv bewertet Strasdas zum Beispiel die Bereiche Lebensmittel, Gastronomie und (Kunst-)Handwerk in Reiseländern. Es werde immer häufiger auf Regionalität, Direktvermarktung und lokale Produktion geachtet. „In dieser Hinsicht ist Tourismus schon vergleichsweise nachhaltig, da hat es einiges an Fortschritt gegeben.“

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Außerdem habe die Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass die Tourismusbranche ihre Nachhaltigkeitspläne vorantreibt. „Das Bewusstsein dafür, dass wir Nachhaltigkeit brauchen, ist durch Corona gestiegen“, sagt Strasdas gegenüber dem RND. Dazu gebe es eine Menge Studien aus dem Jahr 2020. Und der Krieg gegen die Ukraine habe dieses Bewusstsein nun noch mal verstärkt. „Durch den Krieg hat Nachhaltigkeit eine geostrategische Bedeutung bekommen. Stichwort erneuerbare Energien, kürzere Lieferketten und vieles mehr.“

Inwieweit dieses Bewusstsein in die Tat umgesetzt wird, sei aber noch unklar. Denn: „Unterm Strich muss man leider sagen, dass die Tourismusbranche kein Vorreiter ist. Die Branche ist überwiegend opportunistisch, man schielt sehr darauf, was die Kunden verlangen, und da die Kunden selbst meist inkonsequent sind und ihr Verhalten nicht ernsthaft verändern, macht das die Tourismusbranche auch nicht.“

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