Tourismusforscher: Womit Urlauber im Sommer 2021 rechnen müssen

Eine Frau sitzt alleine an einem See – das Thema Abstand wird für Reisen 2021 eine große Rolle spielen.

Eine Frau sitzt alleine an einem See – das Thema Abstand wird für Reisen 2021 eine große Rolle spielen.

Europa hangelt sich von einem Lockdown zum nächsten. Die Hotels sind immer noch geschlossen, wegen der Corona-Mutationen werden Einreisesperren verhängt. Viele Deutsche wollen einfach nur noch raus – einige machen es einfach und sorgen mit Fotos aus Dubai oder von den Seychellen für Kritik in den sozialen Medien. Die meisten aber harren aus und hoffen auf den Sommer. Die meisten Deutschen werden dann aber wohl allerdings in ihrer Heimat bleiben. Welche Konflikte drohen, darüber spricht Jürgen Schmude, Professor der Tourismuswirtschaft an der Universität München, mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Herr Schmude, wird das Phänomen des Travelshamings, also der Reisescham, auch das Jahr 2021 prägen?

Travelshaming gab es auch vor Corona schon – vor zwei Jahren etwa im Zusammenhang mit Flugreisen. Das Phänomen wurde damals wesentlich von der Fridays-for-Future-Bewegung getragen. Aktuell setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass Reisen als besonders starke Ausprägung von Mobilität das Infektionsgeschehen forciert. Das Unverständnis für die Ignoranz und Gleichgültigkeit dieser Reisenden nimmt zu.

Reiseforscher Jürgen Schmude

Der Reiseforscher Jürgen Schmude.

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Jüngst war das Travelshaming-Phänomen in Bezug auf Dubai-Reisende zu sehen. Um diese Destination gibt es einen kleinen Hype, wegen der geringen Einreisebeschränkungen. Werden wir so etwas im Jahr 2021 häufiger erleben?

Wir sprechen bei Dubai nicht über einen starken Reisestrom oder ein massentouristisches Phänomen. Das Phänomen taucht derzeit in Medien verstärkt auf, weil bestimmte Promis hinreisen und Fotos davon in den sozialen Netzwerken posten. Ein solcher Trend ist relativ fragil, das zeigt auch der Blick auf den Sommer 2020. Damals hatten einige Länder früh geöffnet, so wie Kroatien. Doch dann kam dort die zweite Welle – und sobald vor Ort die Infektionszahlen steigen, ist der Hype auch schnell wieder vorbei.

Werden die Deutschen im Sommer also verstärkt nach Infektionszahlen reisen und die Ziele auswählen?

Das wird eine Rolle spielen, natürlich. Es gibt aber nicht mehr nur den Touristen in Deutschland, sondern mehrere Gruppen. Da ist beispielsweise die Gruppe, die unbedingt reisen will, auch ins Ausland – diese Menschen haben auch kein Problem mit einer Flugreise. Die Zahlen bewegen sich im zweistelligen Prozentbereich.

Wir werden im Sommer einen relativ geringen Anteil derer haben, die im europäischen Ausland unterwegs sind – aber in der Regel grenznah reisen, beispielsweise von Bayern nach Österreich, von NRW in die Niederlande. Ein verschwindend geringer Teil wird Fernreisen machen. Es gab ja bereits über Weihnachten einige wenige, die beispielsweise in Südafrika Urlaub gemacht haben und die Mutante eingeschleppt haben.

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Mit einem normalen Reisesommer 2021 sollte also niemand rechnen.

Nein, da müssen wir uns nichts vormachen. Der Reisesommer 2021 wird eher wie der im Jahr 2020 aussehen als wie der im Jahr 2019. Pandemie und Reisebeschränkungen werden weiterhin Auswirkungen auf das Reiseverhalten haben – die Ansätze haben wir im vergangenen Sommer gesehen, ich rechne damit, dass sie sich verstärken werden.

In puncto Verkehrsmittelwahl wird das Auto wesentlich dominierender sein, als es vor Corona war. Das geht zulasten des Flugzeugs und unter Umständen auch der Bahn. Der zweite Bereich ist die Beherbergung. Einige Formen sind bisher relativ gut durch die Krise gekommen: Der Campingbereich hat 2020 nur wenige Prozentpunkte Verluste geschrieben. Auch Ferienwohnungen werden vermehrt gewählt, weil sie als sicherer wahrgenommen werden.

Der dritte Punkt ist die Wahl des Reiseziels. Vor Corona zog es zwei Drittel der Deutschen bei ihrer Haupturlaubsreise ins Ausland – viele von diesen Menschen sind im vergangenen Jahr aber im eigenen Land geblieben und können sich das auch für 2021 wieder vorstellen. Wir machen vom Bayerischen Zentrum für Tourismus regelmäßig repräsentative Umfragen – und die zeigen, dass mehr als ein Drittel der Reisenden anders und unter anderem im Nahbereich reisen. Das passiert aus dem Bedürfnis der Sicherheit heraus, immer schnell zurückkommen zu können, wenn sich die Situation verschärft.

Wenn alle an den gleichen Ort streben, wird es ungemütlich. Ich erinnere mich an die Bilder der überfüllten Strände an der Ostsee – wird der Sommer 2021 diesen Konflikt verschärfen?

Die Overtourism-Diskussion wird es geben, egal ob an der Ostsee, der Nordsee, im Bayerischen Wald oder dem Allgäu. Denn die ohnehin starken Destinationen werden noch einmal eine stärkere Nachfrage derer bekommen, die normalerweise eine Auslandsreise machen. Das Problem, das gelöst werden muss, ist die vernünftige Verteilung über die Zeit und die Fläche.

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Das könnte aber in der Hauptreisezeit, den Sommerferien, schwierig bis unmöglich werden, oder?

Es wird wieder an die Kapazitätsgrenze gehen, ja. Die Situation ist daher auch eine große Chance für die sogenannten 1-b-Lagen. Diese Regionen sind nicht Teil des Relevant Set – sind also nicht die stärksten Destinationen im Bewusstsein der Urlauber. Um das zu ändern, müssen diese Regionen sich jetzt ganz stark positionieren, um als Reiseziel gewählt zu werden. Wir haben im Sommer 2020 gesehen, dass das durchaus in Ansätzen funktioniert hat, zum Beispiel beim Thüringer Wald, Schwarzwald oder bei der Eifel.

Werden Reisende im Sommer weniger Auswahl an Unterkünften haben? Kommt die Pleitewelle?

Wie viele Betriebe aufgeben, ist schwer abzuschätzen von außen. Es ist immer eine einzelbetriebliche Entwicklung, die von verschiedenen Faktoren abhängt: Wie ist die finanzielle Ausstattung der Betriebe? Wie ist der Investitionsbedarf, welche Investitionen wurden getätigt? Natürlich ist das eine katastrophale Situation für die Branche, sie betrifft die Beherbergung genauso wie die Reiseveranstalter. Es ist zu befürchten, dass wir eine erhebliche Pleitewelle haben werden – wir dürfen aber auch nicht vergessen: Der Tourismus in Deutschland hat mehr als zehn Jahre immer wachsende Zahlen geschrieben, und wir haben eine Reihe an Betrieben, die sich gut aufgestellt und ihre Verwundbarkeit reduziert haben. Sie werden diese Durststrecke finanziell überstehen. Hinzu kommt: Überall da, wo Betriebe sterben, werden auch wieder neue Betriebe geboren. Wir werden einen gewissen Vitalisierungsprozess erleben.

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