So will die italienische Kulturhauptstadt 2022 Massentourismus vermeiden
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Die Insel Procida und ihr gleichnamiger Ort bieten malerische Ausblicke.
Bunte Häuser am Steilhang, im Hafen dümpeln Fischerboote im blauen Wasser, darüber thront die blaue Kuppel einer Basilika und eine uralte Festung. Procida bietet Reisenden ein malerisches Bild. Doch das ist der italienischen Insel nicht genug. Unter Italiens Urlaubsdestinationen soll sie Vorreiter im nachhaltigen Tourismus werden.
In diesem Jahr richten sich ohnehin alle Blicke auf das Eiland, da es zur Kulturhauptstadt Italiens gekürt wurde. Die Auszeichnung dürfte viele Touristinnen und Touristen anlocken. Allerdings ist Procida nur 4,1 Quadratkilometer groß. Mit rund 11.000 ständigen Einwohnerinnen und Einwohner ist sie die am dichtesten besiedelte Mittelmeerinsel. Schon vor dem Titel der Kulturhauptstadt strömten im Sommer Hunderttausende Reisende auf die Insel – die meisten nur als Tagesausflüglerinnen und Tagesausflügler, einige aber auch für mehrere Tage. Bisher dominieren aber weiterhin das Fischen und Segeln die lokale Wirtschaft. Auf Menschenmassen ist die Insel nicht ausgelegt. Wie will Procida unter diesen Voraussetzungen nachhaltigen Tourismus garantieren?
Procida als Kulturhauptstadt: Kommt nun der Massentourismus?
Trotz Auszeichnung als Kulturhauptstadt habe man sich beispielsweise dazu entschieden, keine Marketingkampagne durchzuführen, heißt es vom Direktor der italienischen Kulturhauptstadt Procida 2022, Agostino Riitano. „Wir wollen einen ‚Rückkehrtourismus‘ generieren. Die Beziehung zu Procida soll nicht mit der Reise enden, sondern langfristige Beziehungen hervorbringen“, zitiert ihn der britische „Independent“.
150 Veranstaltungen in 330 Tagen und 350 Künstlerinnen und Künstler aus 45 Ländern stehen auf dem Programm der Kulturhauptstadt, darunter Projekte zur Verbesserung und Rückgabe öffentlicher Räume an die Gemeinschaft sowie Workshops zur ökologischen, nachhaltigen Entwicklung der Insel.
Eine der ersten Veranstaltungen war das Procida Sud Festival, ein Straßenmarkt und Food-Festival, bei dem Produkte aus Süditalien angeboten wurden. Die Entscheidung, nur Anbieter aus Süditalien zu bewirten, sei auch eine ökologische, erklärt Antonio Visaggio, ein Organisator des Festivals. Je mehr der Süden seine eigenen Lebensmittel liefern kann, desto weniger Auswirkungen hätten Produktion und Transport auf das Klima, erklärt er. Im Sinne der Nachhaltigkeit gab es dort ebenfalls keine Produkte aus Plastik.
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Blick auf die bunten Häuser der italienischen Insel Procida.
Kostenloser Busservice und Elektrobusse – so will die Insel Nachhaltigkeit fördern
Dem regen Treiben und Tourismus auf der Insel käme zwar eine Fußgängerzone zugute, doch diese würde das Leben der Einheimischen einschränken. Das soll ein kostenloser, regelmäßiger Busservice für den Großteil des Jahres ausgleichen – vier neue Elektrobusse sollen 2022 auf Procida fahren. Darüber hinaus seien nichtelektrische Busse mit einer speziellen Vorrichtung zur Reduzierung von Emissionen und Kraftstoffverbrauch ausgestattet worden, so Riitano. Alternativ biete jetzt eine Handvoll Inselbetreiber Elektrofahrräder an, damit Reisende Procida auf eine umweltfreundlichere Art erkunden können.
Der Kulturkalender werde zudem zwischen Juli und August teilweise unterbrochen, um die Insel zur Hauptreisezeit während der Hochsaison zu entlasten. „Procida hat ein empfindliches Ökosystem, das erhalten werden muss“, sagt Riitano. Die Insel müsse vor großen Zuströmen von Reisenden geschützt werden, da das kleine Eiland nicht für Großveranstaltungen ausgelegt sei.
Müll und Abwasser: Procida hält Belastung durch Massentourismus nicht stand
Das zeigt auch ein Bericht des Institute on Atmospheric Pollution of the National Research Council (CNR-IIA). Laut diesem steigt in der Sommersaison mit dem Aufkommen des Tourismus die Zahl der durchschnittlichen Besucherinnen und Besucher auf Italiens Inseln um das bis zu Fünffache an. Aus den 27 analysierten italienischen Inseln verfügt keine über eine Kläranlage, die in der Lage wäre, allein den Bedarf der Bewohnerinnen und Bewohner zu decken. Procida schafft dies gerade einmal zu 22 Prozent.
Zudem steigt mit dem Tourismus der Müll. Wird die Abfallansammlung nicht richtig gehandhabt, können dabei sowohl auf Umwelt- als auch auf Gesundheitsebene die Auswirkungen untragbar werden. Die durchschnittlich erreichte Mülltrennung auf Italiens Inseln beträgt bisher 47,33 Prozent. Procida gehört mit 69 Prozent zu den gewissenhaftesten, gefolgt von Capri mit 61 Prozent, Ischia ist abgeschlagen mit 41 Prozent.
Um ehrgeizige Interventionen im Umwelt- und Klimabereich auf den kleineren italienischen Inseln zu stärken, setzt sich das CNR-IIA für die Ausarbeitung eines Plans für Klima- und Umweltverträglichkeit für jede Insel mit klaren Zielen für 2030 ein. So könnte nicht nur Procida nachhaltiger werden, sondern auch die anderen Inseln in Italien. Der Sommer als Kulturhauptstadt könnte einen ersten Ausblick geben, wie das ablaufen könnte.
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RND/bv