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Aus für 9000 Geschäfte droht

Geisterstadt statt Innenstadt: Handelsverband rechnet mit großem Ladensterben

Eine Straße in der Frankfurter Innenstadt wirkt wie leer gefegt.

Eine Straße in der Frankfurter Innenstadt wirkt wie leer gefegt.

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Berlin. Deutschlands Innenstädten droht ein weiteres Ladensterben. Nach einer aktuellen Prognose des Handelsverbandes Deutschland (HDE) werden alleine in diesem Jahr wohl rund 9000 Geschäfte schließen. Vor allem die gestiegenen Kosten für Unternehmen sorgen demnach für Druck auf Erlöse und Gewinne. Zudem führe die hohe Inflation zu Kaufkraftverlusten bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

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„Die Zahl der Ladengeschäfte in Deutschland nimmt auch 2023 weiter ab“, erklärte HDE-Präsident Alexander von Preen in einer Mitteilung. Betroffen sei vor allem der kleinbetriebliche Nonfood-Fachhandel – also Geschäfte, die keine Lebensmittel anbieten. „Angesichts der Zahlen der letzten Jahre müssen in allen Innenstädten und bei der Politik alle Alarmglocken läuten“, so von Preen. Ohne den erfolgreichen Einzelhandel hätten die Stadtzentren kaum Zukunftsperspektiven.

Auch große Ketten schlossen ihre Filialen

An verschlossene Türen und „Ausverkauf“-Schilder mussten sich viele Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Monaten und Jahren bereits gewöhnen. Neben kleinen, inhabergeführten Läden kündigten auch große Ketten an, Geschäfte zu schließen. So verkleinerte etwa der Modehändler C&A sein Filialnetz, auch Douglas, H&M oder Primark machten Standorte dicht oder wollen das noch tun. Ganz zu schweigen von der angeschlagenen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof (GKK), die im Rahmen des Insolvenzplans 47 ihrer Geschäfte aufgibt. Die insolvente Kette Orsay verschwand ganz vom deutschen Markt.

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Es sind verschiedene Gründe, die zu der Dynamik beitragen: Zur Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen muss der Einzelhandel seit dem vergangenen Jahr deutlich gestiegene Kosten stemmen. Die müssen die Händler teils durch höhere Preise wieder reinbekommen – und gleichzeitig die gesunkene Kaufkraft der Konsumenten bedenken. Doch auch schon vor 2020 setzte das veränderte Konsumverhalten dem stationären Einzelhandel zu: Der Einkauf verlagert sich zunehmend ins Internet, das Shoppingerlebnis per Mausklick ist für viele mittlerweile attraktiver als der Bummel durch die Innenstadt.

2020 bis 2022: Zahl der Geschäfte sank um 11.000 pro Jahr

Von 2015 bis 2019 schlossen nach HDE-Angaben jährlich 5000 Läden. Deutlicher stärker war der Rückgang jedoch von 2020 bis 2022: Die Zahl der Geschäfte sank um 11.000 pro Jahr. Ursprünglich sei der Verband für 2022 sogar von einem Rückgang von 16.000 Geschäften ausgegangen – eine derart massive Schließungswelle habe durch Maßnahmen wie die Energie- und Gaspreisbremse noch verhindert werden können, so der Verband.

14.10.2021, Bayern, München: Mitarbeiter der Deutschen Bahn (DB) gehen im Nordwesten der bayerischen Landeshauptstadt über die leere Schienen auf einem Rangierbahnhof. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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2023 wären es also noch einmal 9000 Läden, in denen die Schaufensterlichter ausgehen. Für den HDE eine bittere Prognose: „Stirbt der Handel, stirbt die Stadt“, so Präsident von Preen. „Der Handel ist nicht nur Versorger der Bevölkerung, sondern zeichnet sich auch durch sein vielfältiges gesellschaftliches Engagement vor Ort aus und ist zudem Pfleger des Kulturraumes Innenstadt. Diese Leistungen sind in Gefahr.“

Handelsverband für Gründungsoffensive

Er plädiert deshalb für eine Gründungsoffensive in den Kommunen. „Unbürokratische und schnelle Genehmigungsprozesse für Umbauten und Umwidmungen müssen ganz oben auf die Prioritätenliste“, so der HDE-Präsident. Neuansiedlungen und Gründungen bräuchten optimale Bedingungen – beispielsweise solle es flächendeckend Ansiedlungsmanager geben. Es müsse im Interesse aller Akteure in den Innenstädten sein, die Lücken in den Stadtzentren so schnell wie möglich wieder zu schließen. Ansonsten drohten weitere Kettenreaktionen mit noch mehr Leerständen „und einer Spirale nach unten“.

Galeria Karstadt Kaufhof will 52 Filialen schließen
Blick auf die Galeria Kaufhof in Leipzig. (Archivfoto)

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Das gemeinsame Ziel von Kommunen und Handel müsse sein, die Innenstädte und Ortskerne zu erhalten und zu beleben, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Das geschehe etwa durch Plätze mit hoher Aufenthaltsqualität, einen gut ausgebauten ÖPNV oder ein gutes Parkplatzangebot. Für die Zukunft brauche es tragfähige Konzepte, so Landsberg. „Klar ist aber auch, dass der stationäre Einzelhandel vor allem durch den Onlinehandel massiv unter Druck ist und wir ganzheitliche Konzepte für die Zentren von morgen brauchen.“

Städtetag spricht von schwieriger Situation

Die Situation sei schwierig, sagte auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtebundes, dem RND. „Einkaufsmöglichkeiten allein locken nicht mehr so viele Menschen in die Stadtzentren.“ In den Innenstädten gebe es einen Wandel. „Die Bürgerinnen und Bürgern erwarten mehr Vielfalt, Plätze zum Verweilen und für Begegnung, Gastronomie, Spiel, Sport, zum Wohnen und Arbeiten, und das in hoher Qualität“, so Dedy. „Wir müssen Räume schaffen, über die die Menschen sagen: Hier möchte ich gerne sein.“

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Für eine nachhaltige Stadtentwicklung und für neue Ideen brauche es gute Konzepte, ist Dedy überzeugt – außerdem müssten viele Akteure zusammenarbeiten: Eigentümer, Unternehmen, Gastronomie, Kunst- und Kulturszene und Vereine. Auch Ansiedlungs- oder Citymanager könnten gezielt unterstützen. „Damit das gelingen kann, fordern wir Bund und Länder auf, ihre Innenstadtprogramme darauf auszurichten“, betonte Dedy.

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