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Umfrage

Junge Menschen wollen lieber studieren – mangelnde Wertschätzung für Ausbildungsberufe

Die Berufsausbildung bleibt für viele junge Menschen weniger attraktiv als ein Studium.

Die Berufsausbildung bleibt für viele junge Menschen weniger attraktiv als ein Studium.

Der Trend geht Richtung Uni: Viele junge Menschen wollen lieber studieren als eine Ausbildung zu machen. Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor, die der Automobilzulieferer Continental in Auftrag gegeben hat. Demnach gaben 42 Prozent der befragten 16- bis 22-Jährigen an, ein abgeschlossenes Studium anzustreben oder es bereits in der Tasche zu haben. Nur 27 Prozent nannten hingegen eine Berufsausbildung als anstrebenswert oder hatten sie bereits beendet.

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Das macht sich bei den Neueinstellungen bemerkbar. „Der Trend ist ganz klar, es wird von Jahr zu Jahr schwieriger“, sagt Hanno Gieseke, Ausbildungsleiter bei Continental. Auch bei dem hannoverschen Unternehmen sind aktuell noch Ausbildungsplätze unbesetzt, wie er bei der Auswertung der Umfrageergebnisse am Mittwoch berichtet. Eine Ausbildung wirke unattraktiver, vermutet er. Und die Pandemie habe es nicht einfacher gemacht, junge Menschen durch Schülerpraktika oder Besuche in Schulen für einen Ausbildungsberuf zu begeistern.

Bezahlung, Wertschätzung, Arbeitsbedingungen

Der Umfrage zufolge mangelt es jedoch vielen auch an der Wertschätzung für Facharbeiterberufe. 59 Prozent der Befragten gaben an, dass die Wertschätzung und Anerkennung von Facharbeiterinnen und Facharbeitern beziehungsweise von Facharbeiterberufen „nicht angemessen“ sei. 32 Prozent empfanden sie als angemessen. Eine wirksame Maßnahme, um die Wertschätzung zu verbessern, sehen 37 Prozent in besserer Bezahlung, 23 Prozent sprachen sich für mehr Flexibilität bei den Arbeitsbedingungen aus.

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Bei der repräsentativen Umfrage wurden 2011 Menschen befragt. Die Befragungen des Marktforschungsinstituts Yougov fanden im Mai 2022 statt.

Auf die Frage, warum so viele Lehrstellen unbesetzt sind, antworteten 37 Prozent, dass wohl ein Studium bevorzugt werde. Bei den 16- bis 22-Jährigen, also genau der Altersgruppe, bei der die Entscheidung tendenziell ansteht, waren es sogar 40 Prozent. Auch bei der Bezahlung gehen die Einschätzungen je nach Alter auseinander: Während 28 Prozent aller Befragten angaben, dass die schlechte Bezahlung ein Grund für die offenen Ausbildungsplätze sei, waren es in der Alterskategorie 16 bis 22 sogar 38 Prozent. Auf dem dritten Platz landete die nicht ausreichende gesellschaftliche Anerkennung: Dort gaben 27 Prozent der Befragten – unabhängig vom Alter – an, dass sie darin einen Grund für die vielen unbesetzten Lehrstellen sehen.

Chef Mario Perner (47), Chef von Gruber Nutzfahrzeuge, assistiert Azubi Tim Renker, der an einem Getriebeteil arbeitet.

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„Wir müssen ganz neue Wege gehen.“

Doch was tun gegen die mangelnde Wertschätzung? Ariane Reinhart, Personalvorständin bei Continental, wünscht sich, dass die Diskussion bereits in den Familien beginnt. Es müsse vermittelt werden, dass nicht allein ein Bachelor-Studiengang das Tor zur Welt sei. „Das Handwerk ist vielleicht eines der wesentlichsten Fundamente, die wir in unserer Wirtschaft haben“, sagt Reinhart. Das müsse öffentlich diskutiert werden und sich auch in den Führungsetagen widerspiegeln.

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Um Ausbildungen wieder attraktiver zu machen, plädiert Reinhart für mehr Offenheit. Beispielsweise indem man nicht nur auf 16- bis 24-Jährige setzt, sondern auch Ungelernte höheren Alters anwirbt oder die Stellenausschreibung „entakademisiert“, sagt Reinhart. „Wir müssen ganz neue Wege gehen.“

Wer sich gegen ein Studium entscheidet, tut das aus verschiedenen Gründen, wie die Umfrage zeigt: 23 Prozent der Befragten aller Altersklassen gaben an, nicht die notwendige Qualifikation zu haben, bei 21 Prozent passt(e) ein Studium nicht in die Lebensplanung. 22 Prozent interessierten sich eher für eine Ausbildung als für ein Studium, während 19 Prozent angaben, sofort Geld verdienen zu wollen.

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