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Die Folgen der Energiekrise

BASF: Der weltgrößte Chemiekonzern baut ab – wegen hoher Energiepreise

Martin Brudermüller, Vorsitzender des Vorstands der BASF SE, gestikuliert bei der Bilanzpressekonferenz in der Konzernzentrale.

Martin Brudermüller, Vorsitzender des Vorstands der BASF SE, gestikuliert bei der Bilanzpressekonferenz in der Konzernzentrale.

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Frankfurt am Main. BASF-Chef Martin Brudermüller polarisiert. Auch am Freitag teilte er wieder aus. „Die Wettbewerbsfähigkeit der Region Europa leidet zunehmend unter Überregulierung. Sie leidet auch immer mehr unter langsamen und bürokratischen Genehmigungsverfahren und vor allem unter hohen Kosten für die meisten Produktionsfaktoren“, ließ der Manager wissen.

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Will sagen: Die Politik ist schuld. Am ziemlich schwachen Ergebnis des weltgrößten Chemiekonzerns für das vergangene Jahr und am düsteren Ausblick für dieses Jahr. Brudermüller rechnet mit einem Gewinn aus der betrieblichen Tätigkeit von nur noch 5,4 Milliarden Euro. 2022 wurden noch 6,9 Milliarden erwirtschaftet, das war trotz deutlich höherer Umsätze aber schon ein Minus von gut 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Der Konzern, der in Ludwigshafen eine der größten Industrieanlagen der Welt betreibt, kündigte die Streichung von 2600 Stellen an, davon zwei Drittel in Deutschland. Die hiesigen Beschäftigten sollen in andere Betriebe des Unternehmens versetzt werden – betriebsbedingte Kündigungen sind laut Betriebsvereinbarung bis Ende 2025 tabu. Weitere Abgänge soll es in den nächsten Jahren gleichwohl geben, weil Beschäftigte in Rente gehen und ihre Stellen nicht wieder besetzt werden.

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Gasrechnung steigt um 2,2 Milliarden Euro

Die Dimension der aktuellen Jobstreichungen ist angesichts von rund 39.000 Frauen und Männern, die allein in Ludwigshafen arbeiten, relativ gering. Die Maßnahme hat aber hohen Symbolwert. Denn andere hiesige Großkonzerne lassen die Finger von Arbeitsplatzabbau – nicht nur, um die Belegschaften zusammenzuhalten, sondern auch aus politischer Rücksichtnahme. Bei Brudermüller klingt hingegen abermals deutliches Missfallen an Entscheidungen durch, die in Berlin und Brüssel gefällt wurden. So hatte sich der BASF-Chef im vorigen Jahr vehement, aber erfolglos gegen Russland-Sanktionen gestemmt.

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Als Vergeltung hat Staatspräsident Wladimir Putin die Gaslieferungen nach Deutschland im vorigen Sommer gestoppt. Und das hat BASF heftig getroffen. Deutschlands größter Gasverbraucher hatte massiv auf billiges Methan aus Sibirien gesetzt, was dem Konzern in der Vergangenheit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Chemiekonzernen brachte; die Methan-Moleküle werden als Rohstoff und für das Erzeugen von Wärme bei vielen chemischen Produktionsprozessen benötigt.

Doch diese Wette hat Brudermüller verloren. Inzwischen kann in Chemiewerken in Asien und in den USA kostengünstiger produziert werden. Der Manager rechnete vor, dass sich im vorigen Jahr die Gasrechnung von BASF um 2,2 Milliarden Euro verteuerte, obwohl der Verbrauch um gut ein Drittel sank.

Neue LNG-Terminals speisen immer mehr Gas in Fernleitungsnetz
06.02.2023, Schleswig-Holstein, Brunsbüttel: Mitarbeiter kontrollieren nach der Ankunft im Elbehafen auf einem Güterzug die letzten Röhren für die Anbindung des LNG-Terminals Brunsbüttel an das deutsche Gasnetz. Für den Anschluss des LNG-Importterminals an das nordwesteuropäische Gasverbundnetz sind die letzten Rohre entladen worden. Die aus 3000 Rohren bestehende neue Anschlussleitung wird auch für den Transport von Wasserstoff geeignet sein. Deutschland will mit importiertem verflüssigten Erdgas (LNG) ausbleibende russische Gaslieferungen ersetzen. Foto: Marcus Brandt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Insgesamt wurden den vorläufigen Daten zufolge bislang 5540 Gigawattstunden Erdgas über die beiden Terminals in Wilhelmshaven und Lubmin eingespeist.

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Mittlerweile sind die Preise im Großhandel zwar wieder auf das Niveau vom Herbst 2021 gefallen. Das ist aber immer noch deutlich mehr als das, was die BASF-Tochter Wintershall Dea mit dem russischen Monopolisten Gazprom ausgehandelt hatte. Das endgültige Kappen der Russland-Connection hat zu milliardenschweren Abschreibungen bei Wintershall geführt, was auch auf die Bilanz der Mutter durchschlägt, die unterm Strich für 2022 einen Verlust von 627 Millionen Euro verbuchte.

Die geplanten Stellenstreichungen stehen im Zusammenhang mit der Schließung von mehreren energieintensiven Anlagen, darunter einer zur Herstellung von Ammoniak, die mit der Düngemittelproduktion verbunden ist, wo es ebenfalls Einschnitte gibt. Hinzu kommt, dass auch die Produktion von Kunststoffvorprodukten gestutzt wird – die Rivalen Lanxess und Covestro könnten nach Einschätzung von Analysten davon profitieren. Darüber hinaus haben die Ludwigshafener ein Sparprogramm aufgelegt, das die Kosten abseits der Produktion um eine halbe Milliarde Euro jährlich drücken soll. Kritik gab es von der Chemie-Gewerkschaft: „Anlagen abbauen und Stellen streichen ist kein Konzept für eine erfolgreiche Zukunft des größten Chemieareals der Welt“, sagte IG-BCE-Chef und BASF-Aufsichtsrat Michael Vassiliadis.

Investoren bei Laune halten

Brudermüller baut den Konzern für die Zeit nach dem billigen russischen Erdgas um. Dazu gehört auch ein großes neues Werk in der südchinesischen Stadt Zhanjiang für 10 Milliarden Euro, was angesichts der wachsenden politischen Spannungen zwischen westlichen Staaten und der Volksrepublik höchst umstritten ist. Nicht nur unter Politikern, sondern auch im Vorstand von BASF: Die Managerin Saori Dubourg, die unter anderem für die Sparte Petrochemie und die Nachhaltigkeit zuständig war, verlässt das Unternehmen Ende Februar. Sie hatte sich gegen das stärkere Engagement in China ausgesprochen.

Indes hat vor allem der Ausblick auf die Geschäftsentwicklung für dieses Jahr Analysten und Anleger enttäuscht. Die Aktie brach allein am Freitag bis zum Nachmittag um mehr als 6 Prozent ein. Das Papier hat in den vergangenen zwölf Monaten gut ein Fünftel seines Werts verloren. Um Investoren bei Laune zu halten, soll die Dividende trotz vieler Fährnisse bei 3,40 Euro bleiben.

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Derweil dürfte BASF mit seiner Rückzugsstrategie hierzulande nicht alleine stehen. Eine aktuelle Umfrage des Chemieverbandes VCI hat ergeben, dass knapp die Hälfte der hiesigen Unternehmen ihre Investitionen wegen der gestiegenen Energiepreise stutzen will, was mit dem Verlust von Arbeitsplätzen einhergehen dürfte. Die deutsche Chemieindustrie verbrauchte vor dem Krieg fast ein Sechstel des gesamten Erdgasbedarfs.

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