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Protestaktion von Fiscal Future

Böse Briefe vom Nachwuchs: Ministerien sollen Geld ausgeben, nicht sparen

Unter anderem das Finanzministerium bekam am Freitag Post.

Unter anderem das Finanzministerium bekam am Freitag Post.

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Berlin. In der vergangenen Woche hat das Bundesfinanzministerium Kabinettsmitglieder per Brief zu Einsparungen aufgefordert, am Freitag erhielten sie Schreiben mit einer gegenteiligen Botschaft: Aktivistinnen und Aktivisten von Fiscal Future (FF) forderten sie auf, nicht weniger, sondern mehr Geld in die Hand zu nehmen. „Einige Politiker behaupten, Einsparungen seien im Sinne der jüngeren Generation. Dabei sind für uns Investitionen viel wichtiger“, sagte Sprecher Carl Mühlbach dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Angesichts einer Finanzlücke von insgesamt 20 Milliarden Euro im Haushalt für das kommende Jahr hatte das Bundesfinanzministerium zuletzt allen Häusern außer dem Verteidigungsministerium Einsparungen verordnet, um insgesamt 5 Milliarden Euro soll es dabei gehen. Dem „Handelsblatt“ zufolge will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das gemeinsam mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) durchsetzen, widerspenstige Ministerien sprechen derzeit offenbar bei dem Duo vor.

Die überwiegend jungen Mitglieder von Fiscal Future, einem ausdrücklich überparteilichem Zusammenschluss, halten von den anvisierten Einsparungen hingegen gar nichts: „Statt Kürzungen erzwingen, muss die Bundesregierung dringend erforderliche Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, Infrastruktur und Digitalisierung sicherstellen“, meint Mühlbach.

Fiscal-Future-Sprecher Carl Mühlbach mit einem der Briefe.

Fiscal-Future-Sprecher Carl Mühlbach mit einem der Briefe.

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Es fehlen Milliarden für Investitionen

Post bekam etwa Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), den FF an den Finanzierungsbedarf beim Klimaschutz erinnerte: Zwischen 297 und 450 Milliarden Euro staatliche Mittel seien nach Studien dafür nötig. Für die Mobilitätswende fehlten 137 Milliarden Euro, beim Glasfaser- und Mobilfunkausbau weitere 50 bis 90 Milliarden Euro, heißt es im Schreiben an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Der Brief an Bauministerin Clara Geywitz (SPD) verweist auf ausbleibende 50 Milliarden Euro, die laut Fachleuten zum Bau von 400.000 Sozialwohnungen benötigt werden.

Im Schreiben an Lindner betont FF außerdem, dass es mehrere Optionen für die Gegenfinanzierung gebe: Die Klimakrise erfülle als außergewöhnliche Notsituation viele Kriterien für eine Aussetzung der Schuldenbremse. Eine Abschaffung der Steuerprivilegien bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer würde dem Staat demnach jährlich 5 Milliarden Einnahmen bringen. Mit der Streichung oder Reduzierung umweltschädlicher Subventionen könnten bis zu 65 Milliarden Euro pro Jahr freigemacht werden.

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Zuspruch vom Wirtschaftsweisen Truger

„Ich finde es wichtig, einen Kontrapunkt zu den Einsparungen zu setzen“, erklärte Achim Truger, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, gegenüber dem RND. Es gebe derzeit viele ungedeckte Bedarfe, allein bei der Bahn würden Milliarden fehlen. „Und die ist mittlerweile in einem Zustand, der eines Industrielandes unwürdig ist“, so der Ökonom.

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Für den Streit um den – ohnehin schon deutlich verzögerten – Bundeshaushalt für das kommende Jahr hat Truger insgesamt wenig Verständnis. Der Sachverständigenrat habe zuletzt empfohlen, die Schuldenbremse auch 2023 auszusetzen, „2024 hätte man dann mehr Reserven gehabt“. Auch der Abbau der kalten Progression zum vergangenen Jahreswechsel hätte Truger zufolge später stattfinden oder weniger großzügig ausfallen können.

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Auch Landespolitiker attackieren Sparkurs

Truger betonte allerdings, dass man den Haushaltsstreit nicht dramatisieren sollte: „Es geht insbesondere der FDP darum, sich gegenüber ihrer Kernklientel als strenge Haushaltspolitiker zu inszenieren“, sagte der Ökonom. Er verwies darauf, dass auch ohne die No-Gos der Liberalen noch Mittel gehoben werden könnten, etwa durch eine andere Verbuchung staatlicher Zinsausgaben, eine Ausschöpfung der Spielräume bei der Schuldenbremse sowie den besagten Abbau umweltschädlicher Subventionen.

Zugleich wird auch andernorts die Kritik an den Sparplänen lauter: Insbesondere die Grünen wollen lieber umweltschädliche Subventionen streichen, auch Steuererhöhungen sind bei ihnen im Gespräch. Am Donnerstag meldeten sich außerdem mehrere Regierungspolitiker vorwiegend aus ostdeutschen Bundesländern zu Wort, weil Lindner auch Einsparungen bei der regionalen Wirtschaftsförderung einfordert.

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„Dadurch werden wir erheblichen Schaden erleiden“, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sprach von einem fatalen Signal. „Der Nutzen für den Bundeshaushalt stünde in keinem Verhältnis zum Schaden für uns“, beklagte auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU).

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