Chinas Autohersteller drängen nach Europa
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/GMVUOYHQ7BG3DPSGK25OIRFKDE.jpg)
Der Atto 3 von BYD.
© Quelle: BYD
Der größte E-Auto-Hersteller der Welt könnte bald aus China kommen. Während Tesla als Platzhirsch die Schlagzeilen macht und sich VW an der Verfolgung abarbeitet, drängt BYD nach vorn. Zählt man reine E-Autos und Plug-in-Hybride zusammen, ist es schon geschafft: Mit 175.000 ausgelieferten Autos beider Kategorien lag BYD im August vor den Konkurrenten – und wächst viel stärker.
Man werde mit dem „derzeit weltweit größten Hersteller im Bereich der E-Mobilität“ zusammenarbeiten, verkündet Sixt dann auch stolz. Der Autovermieter hat gerade angekündigt, bis zum Jahr 2028 insgesamt 100.000 Elektroautos bei BYD zu bestellen, die ersten sollen noch in diesem Jahr kommen. Der Großauftrag zeigt: Der nächste Schritt der chinesischen Expansion führt nach Europa.
„Sixt will beim Wandel hin zu einer ökologischeren Mobilität vorangehen“, sagt ein Unternehmenssprecher. Bis 2030 sollen 70 bis 90 Prozent der Mietautos in Europa elektrisch unterwegs sein. „Das erfordert einen breiten Mix an Herstellern und Modellen.“ Aktuell zählt die Sixt-Flotte weltweit 240.000 Fahrzeuge, auch nach dem Großeinkauf werde der BYD-Anteil unter 10 Prozent bleiben.
Das wird den Chinesen aber genügen, um die wichtigste Hürde zu nehmen: Ohne großes Vertriebsnetz und viel Werbung wird die Marke auf den Straßen sichtbar und kann Qualität beweisen. Vor allem in Deutschland leidet das Image der chinesischen Hersteller immer noch unter der Marke Landwind, deren Geländewagen im ADAC-Crashtest komplett versagte.
Das ist allerdings 17 Jahre her. Heute gelten die Marken aus dem größten Automarkt der Welt nicht nur als wettbewerbsfähig, sondern in Digitalisierung und Batterietechnik als überlegen. Während die traditionellen Hersteller sich mit der Transformation abmühen, sind viele chinesische Marken von vornherein in der neuen Autowelt gestartet. Um die alten Schwächen bei Fahrwerk, Qualität und Design zu beseitigen, haben sie dutzendweise Fachleute von der etablierten Konkurrenz abgeworben.
So gehört BYD zu den größten Batterieherstellern der Welt und wird bald Tesla beliefern. Die ebenfalls chinesische Marke Nio tritt von vornherein im Premiumsegment an, und Great Wall lässt die Konkurrenz bei Vernetzung und künstlicher Intelligenz alt aussehen. VW, bei Verbrennungsmotoren Marktführer in China, fährt dort mit seinen Elektroautos bislang hinterher.
Niederlassungen mit Hunderten Beschäftigten in Deutschland
Jetzt drehen die chinesischen Marken den Spieß um und kommen nach Europa. Mit offiziellen Zielen halten sich die Hersteller zurück, aber der Aufwand lohnt sich wohl nur für jährlich sechsstellige Absatzzahlen: Auf der Messe IAA vor einem Jahr traten sie selbstbewusst auf. In München, Frankfurt und Stuttgart sind Niederlassungen, Design- und Entwicklungszentren mit zum Teil mehreren Hundert Beschäftigten entstanden. Great Wall hat sich die Emil-Frey-Gruppe, den größten Autohändler Europas als Vertriebspartner gesichert.
Dass sie langfristig planen, zeigen auch die Investitionen in Lobbyarbeit: Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK), das Gegenstück der Importeure zum VDA, begrüßt regelmäßig neue Mitglieder. Nio ist seit Mai dabei, Great Wall mit den Marken Ora und Wey seit März, die zum Saic-Konzern gehörende MG Motors seit vergangenem November. Polestar gehört schon länger dazu – wie Volvo eine Tochter des chinesischen Geely-Konzerns.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/42MLII5MBJDYHMJEBGVRNW5ICI.jpg)
Die E-Limousine ET7 von Nio: Das Start-up stellt Autos im Premiumsegment her.
© Quelle: Nio
Hinter den fremden Namen verbergen sich höchst unterschiedliche Mitspieler. So ist Saic ein Staatskonzern, der in China seit Jahrzehnten unter anderem mit VW zusammen Autos baut. BYD, Geely und Great Wall sind Kinder des chinesischen Wirtschaftswunders aus den Achtziger- und Neunzigerjahren, bis heute geführt von ihren inzwischen milliardenschweren Gründern. Nio dagegen zählt zu den Start-ups, 2014 gegründet, später in New York an die Börse gebracht – und 2020 mit einer staatlichen Geldspritze vor der Pleite gerettet.
Die Startbedingungen sind schwierig, aber einen großen Vorteil haben die meisten chinesischen Hersteller aktuell: Sie können liefern. In ihrem Programm finden sich die elektrischen Mittelklassemodelle, die den meisten Europäern mit Ausnahme VWs noch fehlen. Und während die Konkurrenz wegen Teilemangels auf Sparflamme produziert, haben sie freie Kapazitäten. Schließlich planen die jungen Unternehmen schnelles Wachstum.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/LRP65PCTTBFK5E4NOGJHT5SQ3E.jpg)
Atto 3 von BYD: Hochwertige Kunststoffe, große Infotainment-Touchscreens und bequeme Sitze sind fast auf Premiumniveau.
© Quelle: BYD
Im vollbesetzten europäischen Markt wäre das wohl nur zu Lasten etablierter Marken möglich. Der inzwischen ausgeschiedene VW-Chef Herbert Diess hatte – auch aus leidvoller Erfahrung in China – BYD bereits zu den großen Konkurrenten der Zukunft gezählt.