Der Preisschock beim Öl ist schon wieder verpufft
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Beim Heizöl zeigt der Preistrend seit Wochen nach unten.
© Quelle: Paul Zinken
Der Vorstoß der Ölstaaten für höhere Preise zeigt bisher wenig Wirkung. Rohöl kostet aktuell wieder so viel wie vor dem Beschluss der Opec+, die Förderung zu kürzen. Sprit und Heizöl sind für Endverbraucher sogar billiger geworden. Zudem ist das bis zur russischen Invasion geltende Verhältnis wiederhergestellt: Diesel ist deutlich günstiger als Benzin.
Anfang April hatten acht Mitglieder des Bündnisses Opec+ überraschend Förderkürzungen ab Anfang Mai angekündigt. Normalerweise versucht das Kartell nicht, die Preise hochzutreiben, während der Wirtschaft gleichzeitig eine Rezession droht. „Nicht wenige Marktbeobachter dürften zunächst an einen verspäteten Aprilscherz gedacht haben“, kommentierte damals Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank. Entsprechend kletterte der Ölpreis schnell um 10 Prozent.
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Die hat er inzwischen aber wieder verloren: In den vergangenen Tagen kurz vor Beginn der Förderkürzung kostete ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent so viel wie vor dem dem Opec+-Beschluss: knapp 80 Dollar, zeitweise sogar weniger als 78 Dollar. Fritsch erklärt das mit den trüben Konjunkturaussichten, die geringere Nachfrage erwarten lassen. Zudem seien die Lagerbestände noch relativ hoch, und vermutlich produziere Russland mehr, als es offiziell zugesagt habe.
Dollarschwäche macht Sprit in Europa billiger
Endkunden profitieren noch von einem weiteren Effekt: Der Wert des Euro ist gegenüber dem Dollar gestiegen, das macht den Kauf der in Dollar gehandelten Ölprodukte für Europäer günstiger. Außerdem herrscht beim Heizöl nicht mehr der Ausnahmezustand vom vergangenen Jahr. Unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine wurden damals sämtliche Tanks gefüllt. Doch der Winter blieb mild, die Vorräte sind immer noch groß.
Wer seinen Tank jetzt auffüllen will, bekommt 100 Liter nach Angaben des Dienstleisters Tecson im bundesweiten Durchschnitt für rund 93 Euro. Vor vier Wochen waren es nach Angaben des Anbieters von Messsystemen rund 100 Euro. Vor einem Jahr kosteten 100 Liter fast 140 Euro, auf dem Höhepunkt waren es 200 Euro. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine war Heizöl noch deutlich billiger als jetzt.
Ausnahmezustand bei Diesel beendet
Die Entspannung beim Heizöl schlägt auch auf Dieselsprit durch, denn beide hängen in der Produktion zusammen. Im vergangenen Jahr hatte die Knappheit auch wegen des Wegfalls der russischen Lieferungen den Dieselpreis deutlich über den von Super E10 getrieben. Inzwischen liegt er wieder rund 10 Prozent unter dem Benzinpreis: Am Samstag kostete Diesel nach Angaben des Portals clever-tanken.de rund 1,60 Euro, bei E10 waren es rund 1,77 Euro.
Nach Meinung von Commerzbank-Experte Fritsch könnten die Rohölpreise kurzfristig auf dem aktuellen, überraschend niedrigen Niveau bleiben. „Die Nachfragesorgen dürften groß bleiben“, schreibt er in einer Analyse vom vergangenen Freitag. Die aktuellen Daten sprächen nicht für eine schnelle Konjunkturbelebung.
Öl: Russland liefert weiter
Zudem drücke die russische Ölproduktion auf die Preise. „Das Rohöl geht schwerpunktmäßig nach Indien und China, das dort produzierte Diesel führt dann zu einem Überangebot auf dem asiatischen und europäischen Markt“, erklärt Fritsch. Die westlichen Staaten und Japan versuchen zwar, eine Preisobergrenze für russisches Öl durchzusetzen, einen weltweiten Boykott gibt es aber nicht.
Öl dürfte bald wieder teurer werden
Für die nächsten Monate ist Fritsch ebenso wie andere Experten allerdings skeptisch, weil das knappere Angebot irgendwann wirken werde: „Wir erwarten auf mittlere Sicht deutlich höhere Notierungen am Ölmarkt.“ Die DZ Bank verwies bereits im März auf die wachsende Nachfrage in China und sagte innerhalb von zwölf Monaten einen Barrelpreis von 100 Dollar voraus.
Auch Martijn Rats, Rohstoffstratege bei Morgan Stanley, rechnet damit, dass Öl in der zweiten Jahreshälfte wieder knapper sein wird: „Dies ist kein Markt, in dem Ölpreise unter ihrem historischen Durchschnitt liegen sollten“, sagte Rats jüngst in einem Podcast der Investmentbank.